Life After Castingshow Warum ich meinen DSDS Auftritt aus dem Netz gelöscht habe
Egal ob du jetzt als Altenpfleger oder Teamleiterin einer Fluggesellschafft arbeitest – deine Arbeitskollegen werden dein peinliches Castingvideo finden und dir deine Jugendsünde ins Gesicht drücken! Wie unserem Autor Malcolm.
Ich muss mich outen: Mein Name ist Malcolm Oscar Uzoma Ohanwe und ich bin ehemaliger DSDS-Kandidat. Als ich 16 Jahre alt war, nahm ich an der siebten Staffel der RTL-Castingshow teil. Das war dieselbe Staffel, in der unter anderem Perlen des Reality TVs wie der Ex-Häftling Menowin und Der Checker mitgemacht haben. Und was den Unterhaltungsfaktor betrifft, stand ich ihnen in nichts nach. Einige würden sagen, mein Auftritt war peinlich: Der Dialog, als mich Dieter Bohlen schließlich nach Hause schickte, nachdem ich sehr - ich würde mal sagen - leidenschaftlich um den Einzug in den Karbik-Recall gekämpft habe, verlief in etwa so:
"Bohlen: Malcolm, weißt du, das Problem ist ja: Du warst gestern schon nicht mehr dabei.
(Malcolm singt)
Bohlen: Verdient hattest du das gestern auch nicht. Eigentlich hast du es dir mehr erbettelt als ersungen.
(Betretene Stille)
Malcolm: Aber ich hab es versucht.
Bohlen: Ich mach es kurz. Du bist nicht dabei."
DSDS-Dialog
Mein Leben als DSDS-Kandidat
Ein klassischer Popcorn-Fremdschäm-20-Uhr-15-Moment für den Zuschauer zuhause. Für mich aber sollte der Auftritt bei DSDS zu einer Brandmarkung für meine weitere berufliche Laufbahn werden: Hier beim Bayerischen Rundfunk hat mich glücklicherweise noch keiner so richtig darauf angesprochen, bei anderen TV-Sendern, für die ich gearbeitet habe, jedoch schon. "Also Malcolm, stimmt das, dass du…. ?" - "JA, JA! Ich hab vor Dieter Bohlen gesungen. Und JA! ich wollte unbedingt in den Recall!" Was viele Leute nicht verstehen oder nicht verstehen wollen: Ich war kein selbstverliebtes Arschloch, das sich zum Deppen machen wollte, sondern schlicht ein ambitionierter Teenager mit dem gängigen Traum, ein Popstar zu werden. Und ich finde es nicht fair, dass einem das angekreidet wird.
Es nervt einfach, nach mehreren Jahren auf fünf Minuten seines Lebens reduziert zu werden. Vor allem wenn man eine neue Karriere eingeschlagen hat – wie ich eben als Journalist oder wie die 23-jährige Rosalie Kitangie aus Aachen, die mittlerweile als Altenpflegerin arbeitet. 2010 war sie Kandidatin bei der ProSieben-Sendung Popstars. Ihr Auftritt war so kontrovers, dass eines ihrer Zitate sogar als TV-Total-Nippel bei Stefan Raab verewigt wurde:
Das alles ist über fünf Jahre her, aber der Moment verfolgt die 23-Jährige immer noch am Arbeitsplatz.
"Sehr oft kommen ja auch Praktikanten zu mir und die rasten meistens aus: Ne! Du bist DIE Rosalie! Voll krass, dass ich dich hier sehe! Erzähl mal von POPSTARS! Wie war’s! Wie kommst du nach hier?… Und ja… Es ist mir halt unangenehm, weil ich irgendwann auch abschließen möchte."
Rosalie, ehemalige Popstars-Kandidatin
Bei Rosalie ist das Ganze vielleicht nervig aber eigentlich noch ziemlich sweet. Härter war es für Olivera Brkic aus Düsseldorf. Die hat nach einem auch ziemlich hitzigen DSDS-Auftritt eine Führungsposition bei American Airlines übernommen und mit Anfeindungen zu kämpfen gehabt.
"Es gab definitiv Mobbing auf der Arbeit. Das ist langsam entstanden. Die Mitarbeiter haben mich nach und nach erkannt, und dann getuschelt und Videos ausgetauscht. Hinter meinem Rücken wurde geredet nach dem Motto: Was will die hier, die ist doch völlig unqualifiziert."
Olivera Brkic, ehemalige DSDS-Kandidatin
Die krassen Mobbing-Erfahrungen haben sogar dazu geführt, das Olivera bei der Fluggesellschaft aufgehört hat.
"Die haben einen Brief geschrieben an meine Chefs, dass ich aufgrund der Castings eine Peinlichkeit bin für die Airline und nicht qualifiziert sei als Vorgesetzte, und dass ich ein Witz sei und nicht ernstzunehmend sei, und die meine Anweisungen nicht befolgen deswegen. Und das hat dann irgendwann dazu geführt, dass ich da nicht mehr gearbeitet habe…"
Olivera Brkic, ehemalige DSDS-Kandidatin
Heute lebt Olivera in den USA, hat geheiratet und einen neuen Nachnamen. Die Spätfolgen ihres Castingauftritts spürt sie also kaum mehr. Auch ich hatte kein Bock mehr darauf, dass Leute mir auf die Nerven gehen oder mich falsch einschätzen, weil ich vor Jahren bei Dieter Bohlen um einen Recall-Zettel gebettelt habe. Deswegen habe ich dafür gesorgt, dass das Video von meinem Auftritt im Internet nicht mehr zu finden ist. Das hat mich zwar einiges an Zeit und vor allem Emails gekostet, aber: Jetzt dürfen potenzielle Arbeitgeber mich gerne googeln.