Interview zur Aktion "Protestgarten" Was der junge Protest in Fürth gebracht hat
Im Juni dieses Jahres protestierte eine Aktionsgruppe junger Fürther mit einer symbolischen Hausbesetzung für mehr Jugend- und Subkultur. Jens und Flo vom Bündnis Protestgarten erzählen, was seitdem passiert ist und ob ihr Protest was gebracht hat.
Die Stadt Fürth gibt sich gern alternativ, künstlerisch und familienfreundlich. Für junge Menschen gibt es aber zu wenig Angebote, zumindest wenn man die jungen Menschen selbst fragt. Sie wollen mehr Mitbestimmung und mehr Förderung der Fürther Subkultur. Sie wollen mitgestalten. Deshalb hat sich eine Protestbewegung gegründet, das Bündnis Protestgarten. Mit einer symbolischen Hausbesetzung und einer ganzen Protestwoche haben die jungen Fürther für viel Wirbel in der Stadt gesorgt. Und jetzt? Zwei Aktivisten erzählen, was sich ein halbes Jahr nach dem Protest verändert hat – und was eben nicht.
PULS: Die Protestwoche mit Aktionen, wie einer Großdemo, Kinoabenden, Gesprächsnachmittagen, Partys und einer Podiumsdiskussion ist jetzt ein halbes Jahr her. Mehrere hundert Menschen haben mit demonstriert und an den Aktionen in eurem Camp teilgenommen. Hättet ihr gedacht, dass es so gut läuft?
Jens: Wir waren überrascht. Vor allem über die Anzahl der Leute. So etwas gab es in Fürth noch nicht, deswegen konnten wir nicht so gut einschätzen, ob das überhaupt ankommt. Wir wussten, dass ein bisschen was geht, weil der Bedarf da ist und sich im Vorhinein schon ein paar Leute an uns gewandt und ihre Probleme geschildert haben. Dass es dann aber mehrere hundert Teilnehmer waren, das war dann schon speziell für uns. Und wir mussten schnell reagieren, weil die Woche dafür gar nicht ausgelegt war. Das haben wir aber ganz gut hinbekommen, glaube ich.
Und die Reaktionen? Was hat euch danach noch an Feedback erreicht?
Flo: Wir haben im Nachhinein ganz viele Nachrichten bekommen von jungen und älteren Leuten, die sich mit uns solidarisiert haben. Die meinten dann zum Beispiel: "Hey, wir fallen zwar gar nicht in eure Altersgruppe, finden es aber trotzdem super, was ihr macht. Weiter so!"
Jens: Noch ein guter Aspekt aus der Woche, an den wir vorher gar nicht so gedacht haben: Wie krass sich dann die verschiedenen Personengruppen und Kreative und Kulturschaffende in Fürth dadurch vernetzt haben. Seitdem läuft es hier in Fürth irgendwie ganz anders. Es haben sich nicht nur neue Freundschaften gebildet, sondern auch ganz neue Arbeitsgruppen, die zusammen was angehen und organisieren.
Mal konkret zu den Forderungen, die ihr auf Social Media und auf Flyern auch in einer Art Manifest gestellt habt. Was hat sich seitdem getan?
Jens: Das, was als erstes losgetreten wurde, war die Grünflächenverordnung. Die wurde gekippt. Für viele junge Leute, die sich zum Beispiel gern an der Sieben-Bogen-Brücke [Anmerkung der Redaktion: beliebte Grünfläche/Grillplatz in Fürth] aufgehalten haben, war das natürlich ein besonders emotionaler Punkt. Auch wegen den Streitigkeiten mit dem Ordnungsamt. Das war für die Stadt aber auch nicht so schwer. Da wurde dann ein Antrag in der Stadtratssitzung gestellt und jetzt ist das geändert. Sie haben uns sogar dazu eingeladen und wir haben uns das dann live angesehen. Selbst die neue Beschilderung der Grünflächen steht schon.
Flo: Witzig, weil die Schilder ursprünglich erst im neuen Jahr aufgestellt werden sollten. Dann habe ich neulich nachgesehen und auf einmal stand doch schon alles: neue Schilder mit aktualisierten Öffnungszeiten, getrennte Mülleimer für Kohle und Essenreste und Ausschilderungen der öffentlichen Toiletten. Ganz ohne, dass wir da nochmal nachhaken mussten.
Ein besonders heiß diskutierter Themenpunkt auf der Podiumsdiskussion war der Beef mit dem vom Ordnungsamt beauftragten Sicherheitspersonal. Die haben die Grillflächen ab 20 Uhr rigoros geräumt. Wie ist das jetzt nach Änderung der Satzung?
Jens: Das haben wir am nächsten Tag, nach Änderung der Satzung, gleich mal ausprobiert. Grillen, um halb 10 zusammenpacken, um 10 gehen. Da wurden wir sehr nett behandelt. Das Ordnungsamt kam zu unserer Überraschung dann auch. (lacht) Aber der Sommer ist jetzt vorbei. Ob die Vorschriften wirklich so genügen und alles so ist, wie wir uns das vorstellen, erfahren wir erst im Frühjahr. Es war zumindest der Punkt, wo am schnellsten etwas passiert ist. Im Gegensatz zum Rest. Es gibt Vieles, wo erst sehr wenig bis gar nichts vorangegangen ist.
Zum Beispiel?
Jens: Die Graffiti-Flächen. Durch den Runden Tisch, den wir gefordert haben und der jetzt auch schon stattgefunden hat, haben wir diesbezüglich regen E-Mail-Kontakt mit Elisabeth Reichert, der Vorsitzenden des Kulturreferates. Wir haben Vorschläge eingebracht und sie ist jetzt dran, die Ideen für neue zentrale Graffiti-Flächen zu prüfen. Aber da sieht man eben, wie lang solche Prozesse dauern. Auch bezüglich des selbstverwaltenden Jugendzentrums, das wir haben wollen. Alles, was bauliche Maßnahmen betrifft, Geld kostet und bürokratischen Aufwand benötigt, braucht eben seine Zeit.
Deswegen auch euer Wunsch, einen konkreten Ansprechpartner bei der Stadt zu haben. Hat das geklappt?
Flo: Ja, das ist Jutta Küppers, die Leiterin der kommunalen Jugendarbeit in der Stadt Fürth. Der Bürgermeister hat sie als Koordinatorin für die Runden Tische beauftragt. Küppers moderiert das Ganze auch ein bisschen. Sie versucht schon unsere Interessen zu vertreten, sich aber allgemein eher neutral zu stellen und mehr als Bindeglied zwischen uns und den verschiedenen Referaten zu funktionieren.
Warum gab es erst einen Runden Tisch?
Flo: Gute Frage. Wir sind dran, den zweiten noch dieses oder im Januar 2019 zu planen. Durch die Sommerpause und die vielen Menschen, die daran beteiligt sind, ist das ein bisschen schwierig, einen Zeitpunkt zu finden, an dem alle können. Es fließt aktuell außerdem ganz viel Arbeit in das selbstverwaltete Zentrum und der Runde Tisch sollte von Anfang an nur nach Bedarf entstehen.
Jens: Nur, weil es keinen Runden Tisch gibt, heißt das nicht, dass kein Kontakt da ist. Es gab schon weitere Treffen mit einzelnen Referaten, E-Mail Kontakt und so weiter. Der erste Runde Tisch, der dann auch ein bisschen ins Sommerloch fiel, war erstmal da, um zu schauen, welche Punkte angegangen werden müssen. Es war uns klar, dass wir selber erstmal zwei, drei Monate daran arbeiten müssen. Wir können uns nicht jeden Monat treffen, ohne, dass es Neuigkeiten oder konkrete Ergebnisse gibt.
Eure größte Forderung ist ein selbstverwaltetes Jugendzentrum. Die Fürther Feuerwehr wird, wenn alles nach Plan läuft, im Frühjahr 2020 aus dem alten Eichamt und der Feuerwache ausziehen. Aktuell wird über die Nutzungsmöglichkeiten der Immobilien diskutiert. Die Stadt zieht in Erwägung, den entstehenden Raum dem nahen Heinrich-Schliemann-Gymnasium zur Verfügung zu stellen. Aber auch ihr habt einen Antrag gestellt.
Jens: Für uns ist das wirklich wichtig. Wir haben uns überlegt, wo es uns mangelt und was die Jugend in Fürth will. Und unserer Meinung nach ist das nur zu lösen, wenn wir einen Ort haben, an dem das alles gebündelt ist, was wir umsetzen wollen. Unser Hauptproblem aktuell ist, dass uns ein bisschen die Zeit davon läuft. Es wird echt eng in Fürth. Wenn man hier herumläuft, dauert es sehr lang, bis man mal auf ein Gebäude stößt, das man sich als subkulturelles Zentrum vorstellen kann und nicht so krass in einem Gebiet steht, in dem viele Anwohner sind. Die Alternativen sind gering und aktuell wird viel gebaut. Klar, wir freuen uns sehr darüber, wenn neue Leute in die Stadt kommen und schicke Gebäude entstehen. Aber es ist ganz wichtig, rechtzeitig zu berücksichtigen, dass da noch andere Leute Bedarf haben. Die, die die Stadt lebendig halten und überhaupt erst attraktiv machen. Das muss man berücksichtigen, bevor es zu spät ist und alle Grundstücke und Immobilien weggegeben sind. Das ist auch der Grund, warum wir uns so stark auf das Eichamt fokussiert haben. Wir haben eine Begehung gemacht und für uns passt dort alles.
Flo: Es gibt aber viele Nutzungsmöglichkeiten und momentan mehrere Anträge im Stadtrat. Da ist noch ganz viel unklar und wird momentan wahrscheinlich auch noch nichts entschieden werden.
Eine ganz neue Gruppierung unter dem Namen "Fürth Ort" will in die Feuerwache am liebsten ein kulturelles Zentrum bauen. Grundsätzlich gut oder harte Konkurrenz?
Jens: Klar, wir finden das auch gut, dass andere Kulturschaffende Orte wollen und brauchen. Sagen wir ja auch: mehr Ateliers, mehr Proberäume. Aber: Die jungen Leute sind jetzt erstmal dran. Es wurde so lange geschlafen. Wir sind gut aufgestellt, haben uns gut artikuliert und eine riesige Vorarbeit geleistet, was unser Konzept angeht. Wir können ein Mehrwert für Fürth sein. Außerdem ist das für Jugendliche nochmal was anderes, als für erwachsene berufstätige Menschen. Die können sich auch Räume anmieten oder sonst was. Wir haben einen ganz speziellen Bedarf und ich hoffe, das wird auch so von der Stadt gesehen.
Oberbürgermeister Thomas Jung war auf der großen Podiumsdiskussion während der Aktionswoche im Sommer am Start und ist dort auf euch eingegangen. Jetzt steht ihr in regem Kontakt mit den Zuständigen. Wie fühlt ihr euch denn im Allgemeinen behandelt? Stichwort: Respekt.
Flo: Ich habe schon den Eindruck, dass der Umgang respektvoll läuft. Es gab Zeiten, in denen ein bisschen weniger miteinander geredet wurde, die Parteien sich nicht so auf dem Laufenden gehalten hat. Und da sind, glaube ich, ganz viele Missverständnisse entstanden.
Jens: Es ist vielleicht auch in gar keiner anderen Stadt so möglich, wie hier. Das liegt daran, dass Fürth ein Dorf ist und der Oberbürgermeister sich auch oft im Stadtbild blicken lässt. Man weiß, mit wem man zu reden hat. Auch die Geschwindigkeit, in der das jetzt vorangeht. Es kann natürlich immer alles besser sein. Im Gegensatz könnte es aber auch ganz, ganz anders laufen. So, wie wahrscheinlich in neunzig Prozent der anderen Städte. Wir können zufrieden sein: Wenn wir was zu sagen haben, wird uns jetzt auch zugehört. Gleichzeitig sind wir aber auch nicht so naiv zu glauben, dass wir die einzige Interessengruppe darstellen. Wir wissen, dass von uns Arbeit kommen muss. Es steht noch ganz viel offen von dem, was wir wollten.
Schauen wir mal weiter in die Zukunft. Plant ihr nächsten Sommer etwas Vergleichbares, wie die Aktionswoche zu starten?
Jens: Es wird bestimmt wieder zu einer Art Camp kommen. Das hat zwei Gründe. Zum einen, wenn es weiterhin den Bedarf gibt, dass wir protestieren müssen, und der wird wahrscheinlich immer ein bisschen da sein. Zum anderen, weil die Protestgarten-Woche an sich so positiv und produktiv für alle war, dass es nur Sinn macht, nochmal mit allen Unterstützern und Unterstützerinnen zusammenzukommen. Selbst wenn der Protest ein bisschen abflachen sollte, weil sich alles gut entwickelt.
Flo: Es wird kleinere und größere Aktionen geben. Zum Beispiel eine Protestgarten-Edition unserer HipHop-Blockparty im Club Kopf & Kragen Anfang Dezember. Da soll es dann nicht nur Feierei, sondern auch Info-Output geben. Außerdem wollen wir in die Vereinsgründung gehen. Wann und wie, wissen wir aber noch nicht.
Sendung: Filter vom 10.12.2018, ab 15 Uhr.