Warum wir queere Filme brauchen "Durch den Rechtsruck ist es für queere Menschen schwieriger geworden"

Bis Sonntag läuft in München das Queer Film Festival mit vielen internationalen Filmen. Schwerpunkt: die junge Generation. Die Filme beim QFFM sind wichtig, denn sie schaffen Toleranz. Und die haben wir bitter nötig.

Von: Linda Becker

Stand: 17.05.2017 | Archiv

LGBTIQ | Bild: BR

Auch wenn wir es nicht immer sofort merken, Kategorien lauern überall: Mädchen sind meist fröhlich und Jungs dürfen ruhig auch mal ein bisschen grummelig sein. Alle rosa Strampler werden aussortiert, sobald man einen Jungen bekommt. Und wenn’s ein Mädchen wird, dann gehen auch mal glitzernde Piratenbodys. Später dann finden alle kurze Haare bei Frauen mutig – oder wahlweise lesbisch. Und wenn sich Fußballer outen, dann ist das fast schon heroisch.

Kategorien machen alles scheinbar leicht. Da fühlt sich die Welt so richtig schön gleichförmig an. Blöd nur, dass manche Menschen ernsthaft unter diesen Kategorien leiden: Kategorien schließen nämlich auch aus. Gerade da kann die Popkultur wichtig werden, wenn es darum geht, alte Denkmuster aufzubrechen und uns eine Stütze zu sein - im Fall von Filmen sogar eine zum Anschauen.

Anders sein, aus der Rolle fallen – das ist queer sein

Seit dem Oscar gekrönten Queer-Film-Erfolg "Moonlight" sind queere Filme ein Stückchen mehr im Bewusstsein der breiten Masse angekommen. Homosexuelle, und dazu auch noch schwarze homosexuelle Männer, die wie in "Moonlight" mit ihren sexuellen Bedürfnissen hadern, sind in der Filmlandschaft aber trotzdem alles andere als gewöhnlich. Regisseur Berry Jenkins hat mit seinem Film ein ziemlich heißes Eisen angefasst, das dringend angefasst werden musste.

Sylva Häutle veranstaltet seit zwei Jahren das Queer Film Festival München (QFFM). Das QFFM will auf die Probleme, mit denen LGBTIQ zu kämpfen haben, aufmerksam machen. Das ist bitter nötig - und politisch aktuell.

"Queer-Menschen haben oft das Problem, dass sie anecken, weil sie nicht leben wie jeder andere. Aus der Reihe zu fallen, war ja noch nie gesellschaftlich akzeptiert, aber gefühlt ist es durch den Rechtsruck, der gerade passiert, nochmal schwieriger geworden. Wenn man als nicht heteronormes Pärchen durch die Straßen läuft, kann das echt schwierig werden."

Sylva Häutle

"What is it to define if you’re a boy or a girl? Your brain or your body?"

Besonders Filme können realitätsnahe Empathie erzeugen. Im Film "Real Boy" versucht zum Beispiel ein Transgender seine Identität zu erforschen und gleichzeitig die Erwartungen seiner Mutter nicht zu enttäuschen. Sie will ihn verstehen und wissen, ob sein Kopf oder sein Körper ihm sagt, wer er ist.

Diese Filme brechen durchaus mit immer noch vorhanden Tabus. In den YouTube-Kommentaren zum Trailer des Queer-Weekender-Films "The Wound" stehen zum Beispiel Dinge wie "This shit needs to be banned" oder "disrespectful movie" - denn in "The Wound" geht es um einen südafrikanischen Jugen, der in seinem Stamm verschiedene Männlichkeitsriten durchläuft und dabei seine Homosexualität entdeckt. Den Kommentaren nach zu urteilen, wird mit der offenen Homosexualität des Protagonisten das heilige Ritual der Xhosa beleidigt.

Filme und Serien können nicht nur Realität abbilden oder problematisieren, sondern eben auch zeigen, wie eine perfekte Welt aussehen könnte: Bunt. Allen Queer-Filmen ist gemeinsam, dass sie queer nicht als Abgrenzungsmerkmal darstellen wollen, sondern als eine individuelle Lebensweise, die respektiert werden soll.

"Queere Filme sind wichtig, weil wir präsent bleiben müssen, für alle, die diese Lebensweise verfolgen und für alle, die sich einfach dafür interessieren. Langfristig ist es natürlich unser Ziel, uns im normalen Kinoleben zu verankern, aber da sind wir noch nicht soweit."

Sylva Häutle.

LGBTIQ in Deutschland

Verlässliche Zahlen darüber, wie viele Menschen LGBTIQ – also lesbisch, schwul, bi, trans, intersexuell oder queer – sind und damit aus gängigen Kategorien fallen, gibt es nicht. Ein Näherungswert wurde 2013 erhoben und liegt schätzungsweise beimindestens 7,4 Prozent LGBTIQ-Menschen in Deutschland. Der tatsächliche Anteil könnte aber noch viel höher liegen, weil sich manche Menschen eben gar nicht labeln lassen oder keine Auskunft geben wollen.

In deutschen Schulen wird lange noch nicht ausreichend über andere Lebensweisen oder verschiedene sexuelle Interessen  gesprochen. Die gleichgeschlechtliche Ehe wird seit Jahren kontrovers diskutiert und es scheint, als wollen Rechtspopulisten in Europa gerade wieder eine konservative  Weltordnung herstellen. Queere Filme sind genau deshalb wichtig, damit LGBTIQ Menschen sichtbar werden - und bleiben.

Der Queer Weekender am 19./20. Mai

Der Queer Weekender findet am 19. und 20. Mai 2017 in München statt und ist die Auftaktveranstaltung für das viertägige Queer Film Festival München (QFFM) im Oktober.

Sendung: Filter, 18. Mai 2017 - ab 15 Uhr