Männerbilder Muskelprotze, Alpha-Tiere und Genies
Dass mit den weiblichen Idealen in Filmen, Musikvideos und Games etwas nicht stimmt - das steht außer Frage und wird seit längerem diskutiert. Aber was vermittelt uns die Popkultur eigentlich als den idealen Mann?
Einmal bitte alle aufstehen. Und jetzt wieder hinsetzen, wer eine eine der folgenden Fragen mit "nein" beantworten muss:
- Hast du einen Penis?
- Bist du weiß?
- Hetero? Denkst du also an Brüste und nur an Brüste?
- Bist du gesund? Keine Brille, kein falschen Zähne und sexuell aktiv?
- Bist du Christ? Oder zumindest Atheist oder Agnostiker?
- Und bist du aktiv? Sportlich oder zumindest dominant im Job?
Mit diesem kurzen Selbsttest begannen Rae Grimm von gamespilot, der Kulturjournalist Roches Wollf und die Filmkritikerin Beatrice Behn ihren Vortrag "Walk like a Man, talk like a Man" auf der Re:publica.
"An alle die jetzt noch stehen: Ihr könnt gehen, danke. Ihr seid die männlichsten Männer, euch können wir hier nichts mehr erzählen." Soviel sei verraten, viele standen nicht mehr. Womit das Thema auch schon klar ist: Männer in der Popkultur und ihre Idealversionen, die kein Menschen erreichen kann.
Ein Vorwurf an Filme, Serien und Videospiele, der sonst vor allem aus einer feministischen Perspektive erhoben wird. Aber nicht nur Frauen werden in der Popkultur völlig absurde Vorbilder gezeigt und so in die Hirne von jungen Generationen gepflanzt. Auch Männer müssten eimerweise Minderwertigkeitskomplexe produzieren, würden sie sich einem Vergleich aussetzen. Nach Behn, Grimm und Wolff gibt es nämlich genau drei Männlichkeitsbilder und Maskulinitätsideale, die in der heutigen Popkultur überwiegend genutzt werden.
1. Der spornosexuelle Mann...
... startet mit Chuck Norris - quasi. Das Ende des Vietnamkriegs ließ in Amerika einprägsame Bilder zurück. Darunter das, des traumatisierten, verwundeten oder toten Soldaten. Und um dieses Bild zu verdrängen, erklärt Beatrice Behn, brauchte es ein eindrucksvolles neues. Und damit kamen die harten Körper in die Popkultur. Gestählte Soldaten, Muskelberge, unverwundbar - Chuck Norris eben. Mit einem kleinen Umweg über die Metro-Männer in den 90ern, die keine Angst hatten vor femininen Attributen, wurden aus den harten Soldaten die, die wir heute aus Filmen und Musikvideos kennen: Die Spornosexuellen. Ein Haufen von Männern, die aussehen wollen wie eine Mischung aus Supersportler und Pornodarsteller. Justin Bieber ist ihr Häuptling. Körper definiert von Sportübungen und Diäten, die es mögen, auch als solche objektiviert zu werden und sich auch selbst als Objekt sehen. Da streichelt sich ein Ryan Gosling bei jeder Gelegenheit selbst mal über den Sixpack, Channing Tatum zieht ständig blank und selbst ein Daniel Craig steigt als James Bond mit einem Duckface aus dem Wasser.
2. Der Alpha-Mann...
... hat sein Vorbild in den Cowboys des Wilden Westens. Es sind die Donald Drapers, Francis Underwoods und Tony Sopranos in der Popkultur. Oftmals 50 plus, Hang zu Übergewicht oder Haarverlust und vor allem: alle in machtvollen Positionen. Sind sind entweder Oberhäupter eines Unternehmens, einer Partei oder zumindest einer Familie, sie sind super dominant und strategische Denker. Alle Frauen wollen mit ihnen schlafen und alle Männer so sein wie sie. Ihre Männlichkeit findet ihren Höhepunkt in protzigen Armbanduhren und vor allem in einem männlichen Getränk in ihrer Hand. Zentrale Frage laut Roches Wollf: "How to Drink your Way into Being an Alpha Male". Antwort: mit Bier oder harten Spirituosen.
3. Der Nerd...
... ist das jüngste der idealen Männlichkeitsbilder. "Früher war das noch ein ganz anderes Tier", erklärt Beatrice Behn. Die Nerds, das waren früher die, die nicht in die Norm passten, eher peinlich, eher unattraktiv, zwar schlau aber maximal unsozial. Heute ist der Nerd das dritte Heldenideal der Popkultur geworden und genauso unerreichbar wie die anderen - wenn man nicht gerade Mark Zuckerberg heißt. Sie sind erfolgreich, fokussiert, maximal leidenschaftlich was eine Sache betrifft und stehen völlig über allem anderen. Heute wird darum gestritten, wer sich zurecht Nerd nennen darf, und wer schon Nerd war, bevor es cool wurde. Gerade die Gamer wollen das Nerdsein für sich gepachtet haben und möglichst alle ausschließen, die ihrer Meinung nach nicht in diesen Kreis passen. Somit ist selbst das an sich unzulängliche Männerbild, dem man früher in Filmcharakteren und vor Testosteron strotzenden Game-Avataren zu entkommen versuchte, zu einem maskulinen Ideal geworden. Und auch an ihm kann man wunderbar scheitern und sich schlecht fühlen.
Und das Fazit? Selbst wenn der Kulturjournalist Wollf zum Schluss des Vortrags noch einen Appell starten wollte, an der Abschaffung dieser unrealistischen Bilder zu arbeiten, bleibt am Ende doch die Antwort von Rea Grimm hängen. Was bedeuten denn diese drei Ideale nun? "Well, basically, we're all fucked".