Serie // BEAT Vom Druffi zum Spion

Beat ist Promoter in einem angesagten Berliner Techno Club - und er soll für den Geheimdienst in der Szene spionieren. Wie das zugekokst gehen soll, ist nicht die einzige Frage, die man sich bei der neuen Serie BEAT stellt.

Von: Vanessa Schneider

Stand: 09.11.2018 | Archiv

Robert Schlag alias Beat tanzt im Club in der Amazon Serie "BEAT" | Bild: © 2018 Amazon.com, Inc. or its affiliates

Diese Serie gehört auf eure Watchlist, wenn... ihr das exzessive Berliner Nachtleben lieber vom Sofa aus miterlebt, z.B. mit Babylon Berlin, ihr auch mit leicht trashigen Stories wie der von You Are Wanted kein Problem habt und ihr nach Mr. Robot mal wieder so richtig schön in Paranoia baden wollt.

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Grad die Nacht durchgevögelt, noch nicht wieder ganz wach, schnupft sich Robert Schlag, genannt Beat, durch den Tag, um sich dann am Abend ziemlich druff unter zwei an der Decke seines Stammclubs hängenden aufgeschlitzten Frauenleichen wiederzufinden. Ein Mörder hat es auf das Sonar, den angesagtesten Technoclub Berlins, abgesehen. So sieht es jedenfalls erstmal aus. Aber wie alles an der Serie "BEAT", ist die Sache ein bisschen komplizierter.

Der vermeintliche Mörder Jasper (in bester psychotischer Joker-Manier gespielt von Kostja Ullmann) nimmt nämlich Kontakt zu Beat auf. Der erinnert sich zwar nicht, aber die beiden sind zusammen im Kinderheim aufgewachsen -  und nun verfolgt ihn Jasper wie ein derangierter Schutzengel auf Schritt und Tritt.

Aber von vorn: Beat ist Ende 20, zieht sich kiloweise Koks durch die Nase, schmeißt nebenbei noch ne handvoll Pillen am Tag und hat ziemlich wahllos Sex. Er ist DJ/Promoter/Booker im Sonar, dem Club seines besten Freundes Paul, sehr loyal und erstaunlich gut organisiert. So gut, dass der EU-Geheimdienst ihn als Informanten rekrutieren will – aber nicht um einen Drogenring auffliegen zu lassen. Das wäre ja viel zu einfach. Er soll den neuen Miteigentümer vom Sonar ausspionieren, der bei einem großen Konzern für Waffenhandel arbeitet. Und der Geheimdienst vermutet, dass er im abhörsicheren Club illegale Geschäfte macht. Wem jetzt noch nicht der Kopf schwirrt vor lauter Handlungssträngen: Es kommen auch noch "die Russen" vor, eine Organmafia, die Flüchtlinge entführt, eine biedere Geheimdienstagentin (Karoline Herfurth) und ihr undurchsichtiger Boss, ein seltsames Kinderheim, Beats verschwundene Eltern und sehr viel Sex.

Versteht mich nicht falsch: Die Serie BEAT ist extrem unterhaltsam. Sie sieht super stylish aus, hat tolle authentische Schauplätze (z.B. wurde im Berliner Watergate Club gedreht) und einen guten Soundtrack. Auch die Besetzung – vor allem Jannis Niewöhner in der Hauptrolle – ist richtig gut. Trotzdem ist BEAT keine gute Serie. Und das hat drei Gründe:

ACHTUNG: SPOILER-GEFAHR!
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Erstens: Stoff für fünf Staffeln

In BEAT werden wirklich alle Klischees, die das deutsche Fernsehen über Berlin so hergibt, mit Freude ausgekokst, äh ausgekostet: Der stierende Geheimdienstler in Kriminalisten-Montur, der Druffi, der seine schwierige Kindheit mit Drogen und Techno betäubt und natürlich ein psychotischer Mörder, der im Moloch Berlin ganz unbemerkt mit Leichen spielen kann. Klar, organisierter Organhandel ist ein aktuelles und wichtiges Thema – wie auch die Schutzlosigkeit von Flüchtlingen. Aber genau deshalb sollte man solchen Geschichten viel mehr Raum geben.

Diese erste Staffel von BEAT hat Stoff für fünf Staffeln, als hätte der Drehbuchautor seinen eigenen Ideen nicht vertraut. Weil die erste Staffel aber nur sieben Folgen hat, werden einige Geschichten dann auch sehr abrupt beendet. Was uns zum nächsten Punkt bringt:

Zweitens: Die Charaktere sind austauschbar

Die Serie beginnt effekthascherisch mit zwei spektakulär in Szene gesetzten Frauenleichen im Club. Sieht geil aus, ohne Frage, und erinnert von der Ästhetik her an "Hannibal". Der Täter macht allerdings irgendwann einen sehr klanglosen Abgang, als dem Autor offensichtlich nichts mehr mit ihm anzufangen wissen. Wer so prominent eingeführt wird, wie Jasper, darf nicht einfach so unmotiviert entsorgt werden.

BEAT ist kein darwinistisches Epos, wie Game Of Thrones mit vielen komplexen Spielfiguren. Im Gegenteil: Jasper erhält keine Tiefe, er ist ein überzeichneter Cartoonbösewicht und einfach nur einer von viel zu vielen Charakteren, die alle auf sehr komplizierte Weise miteinander zusammenhängen. So ein Verwirrspiel kann reizvoll sein, wenn es gut gemacht ist, wie bei "Mr Robot", "Sharp Objects" oder "Westworld". Hier fühle ich mich als Zuschauerin nicht ernst genommen.

Drittens: Frauen sind reine Dienstleister

Auf den ersten Blick sieht‘s so aus als wäre Karoline Herfurths ehrgeizige Geheimagentin Emilia für die Geschichte unerlässlich. Aber warum erfahren wir dann nichts über sie? Ihre Funktion ist klar: Sie liefert dem Helden Infos und ihrem Boss Ergebnisse. Die anderen Frauen in BEAT sind auch nicht viel dreidimensionaler: die hochgeschlossene Sekretärin lässt sich beim Sex vom Boss beobachten; die geflüchtete Syrerin hängt ästhetisch nackt, aber tot von der Clubdecke; die Frau vom Clubchef bietet emotionalen Support; diverse Frauen werden gevögelt und die Barchefin ist eine Femme Fatale.

Weibliche Figuren, die den männlichen zu Dienste stehen, und deren einzige Funktion es ist den Helden (oder seine Gegenspieler) zu motivieren, ihm beizustehen oder zu informieren, sind so 2000, das muss heute doch echt nicht mehr sein, oder?

Alle sieben Folgen von "BEAT" sind bei Amazon Prime Video abrufbar. Der Autorin wurden vorab fünf Folgen zur Verfügung gestellt.

Sendung: Hochfahren, 07.11.2018 - ab 7 Uhr