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Doku-Regisseur Stefan Pohl "Graffiti wird als hässlicher Teil der Streetart gesehen"

Graffiti gilt immer noch nicht als Kunst, sagt Stefan Pohl. Mit seiner Doku "Hello My Name Is German Graffiti" will er das ändern und begleitet Sprayer am Rande der Legalität. Und zeigt, dass Writer mehr sind als Vandalisten.

Von: Ann-Kathrin Mittelstraß & Florian Nöhbauer

Stand: 16.04.2015 | Archiv

Hello My Name Is - German Graffiti | Bild: stefanpohlfilm.de

Streetart ist immer noch ein Riesenhype in der Kunstszene. Graffiti, eigentlich Teil davon, ist aber bei den meisten immer noch als Vandalismus oder Schmiererei verpönt - anders als "Urban Art": Das klingt hip und der Begriff Kunst steckt da schon im Namen. Graffiti steht für ganz unterschiedliche Styles und ist Teil dieser Kunst, die Wände, Brücken, ganze Häuser und ganze Städte in Farbe taucht. Graffiti wird immer noch unterschätzt, obwohl es in Deutschland eine riesige und vor allem vielfältige Szene gibt, die auch schon seit Anfang der 1980er-Jahre aktiv ist: Damals liefen Filme wie "Wild Style" oder "Style Wars" zum ersten Mal im Fernsehen. Die Doku "Hello My Name Is German Graffiti” von Stefan Pohl läuft gerade in vielen Kinos und auf Filmfesten. Der Film zeigt genau diese Vielfalt in der Graffitikultur und wie sie sich über die Jahre entwickelt hat.

PULS: Was waren die wichtigsten Städte für die Entwicklung von Graffiti in Deutschland?

Stefan Pohl: Auf jeden Fall gehört München dazu. Dann natürlich Hamburg und Berlin, aber auch Heidelberg zum Beispiel. Das ist gar keine so große Stadt, aber sie war schon sehr früh ein Vorreiter durch die HipHop-Kultur und weil dort die Kasernen der amerikanischen Soldaten waren. Aber auch Nürnberg, das nicht so eine Metropole ist, war schon sehr, sehr früh dabei - das sind im klassischen Sinn die Vorreiter.

Wie bist du auf die Idee gekommen, einen Film über die deutsche Graffiti-Szene zu machen?

Ich war selber mal Grafitti-Writer und bin seitdem immer wieder den selben Vorurteilen begegnet. Immer, wenn der Begriff Graffiti fällt, sinkt die Stimmung, so nach dem Motto: Graffiti ist der hässliche Teil. Das Schöne ist immer Kunst, Street Art, oder Urban Art. Diese Reaktion habe ich auch bei der Organisation gemerkt, als ich meine Doku den Kinos angeboten habe. Manche waren sehr aufgeschlossen und andere haben es abgelehnt, Graffiti eine Plattform zu bieten.

Du zeigst in deinem Film alle Aspekte von Graffiti, also klassisches Stylewriting, 3D-Styles, aber auch Züge. Viele Graffiti-Maler sind aber nicht scharf darauf, ihr Gesicht zu zeigen - vor allem wenn sie illegal Züge bemalen. Wie hast du es geschafft, sie davon zu überzeugen, bei deinem Projekt mitzumachen?

Indem ich ihnen auch eine gewisse Sicherheit versprochen habe. Es gibt ein Voiceover und die Leute, die illegal malen, die sieht man nie richtig. Sie sind immer ein bisschen unscharf, der Fokus liegt nicht auf dem Gesicht, sondern sie werden eher von hinten gefilmt. Ich habe die Leute gar nicht gefragt, ob sie synchronisiert werden wollen, sondern hatte das für mich schon entschieden - aus der Sicherheit heraus. Diese Leute sind sehr besonders und auch bekannt, und stehen dadurch auf einer Art "Jagdliste". Deswegen war mir ganz wichtig, dass ich ihnen die Sicherheit gebe und das ist, glaube ich, auch die Voraussetzung, dass sich diese Leute für so ein Thema in einem Film öffnen.

Graffiti ist trotz der ganzen Streetart-Bewegung immer noch stigmatisiert. Wie hast du Geldgeber für dein Projekt gefunden?

Es gab keine großen Geldgeber für das Projekt, es sind tausende Stunden unbezahlte Arbeit. Eigenes Geld, für das ich hart gearbeitet habe, ist da reingeflossen. Es gab die Hessische Filmförderung, die das damals, weil es als Abschlussarbeit angefangen hat, gefördert hat.

Viele Graffiti-Maler verabscheuen den Begriff "Streetart" und sagen, Graffiti hat in Galerien nichts verloren. Du zeigst aber trotzdem auch Ausstellungen wie die Stroke Art Fair in deinem Film. Gab es deswegen Anfeindungen?

Von den Protagonisten auf jeden Fall nicht. Es gab aber erst drei Vorführungen. Ich habe gemerkt, dass es davon abhängt, wie die Leute ticken. Wenn sie zum Beispiel richtig tief in der Szene drin sind, dann steigen sie ab einem gewissen Punkt aus, es ist ihnen zu viel Ausstellung und Galerie. Aber da es mir um die Vielfalt ging und die Innovation und Entwicklung, musste ich das abbilden - weil das eben nicht nur auf der Straße stattfindet. Für mich gehören dann auch Leute in die Szene, bei denen vielleicht manche sagen, das ist jetzt kein klassischer Writer. Weil sie sich aber in der Szene bewegen, dort auch aufgewachsen sind und ihre Sachen dort publizieren, tauchen sie in dem Kontext auf und gehören natürlich genauso dazu. Ma'Claim, der diese fotorealistischen Hände und Gesichter malt, ist zum Beispiel so ein Künstler.

In deinem Film ist auch Hendrik ECB Beikirch vertreten, ein Graffiti-Künstler, der riesige Hausfassaden und Hochhäuser mit riesigen Porträts bemalt. Ist das der Bereich, wo Graffiti hingeht?

Ich glaube, viele Leute wollen größere Kunstwerke entwickeln. Wenn es früher darum ging, eine schöne 20-Quadratmeter-Wand zu bemalen, geht es heute darum, ein noch größeres Haus zu bemalen und immer größer Flächen auszuwählen. Aber ich glaube, auch Kommunen erkennen inzwischen, dass durch gezielte, professionelle, hochwertige künstlerische Gestaltung Gebäude aufgewertet werden können. Es wird mehr und mehr angenommen. Viele Leute der Szene sind mittlerweile schon älter und organisieren zum Beispiel Streetart-Events. In der Gesellschaft ist offensichtlich Interesse an dem Thema vorhanden. Train-Writing wird ein bisschen schwieriger, aber es wird schon noch gemacht. Ich glaube einfach, dass die Leute es nicht mehr so zu Gesicht bekommen, weil es einfach schnell aus dem Verkehr gezogen wird, die Züge werden schnell wieder geputzt.


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