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Info Die Sängerin und Produzentin Veronika König hat sich mit Farce ein Projekt geschaffen, dass irgendwo zwischen coolem Wiener Untergrund und künstlichem Cyberspace schwebt. Hier covert sie Clara Luzias "When The Streets".

TV & Serie // "Tom Clancy’s Jack Ryan" Wenig Neues an der Actionfront

Der neue Serien-Blockbuster um den prototypischen amerikanischen Helden Jack Ryan führt und auf einer rasanten Terroristenjagd einmal um die Welt – hat aber leider nicht viel neues zu erzählen.

Von: Vanessa Schneider

Stand: 05.09.2018 | Archiv

Szene aus der Serie "Tom Clancy's Jack Ryan" von Amazon. | Bild: Amazon Prime

Jack Ryan, der Held dieser Serie, ist auf dem Papier erstmal ein ziemlicher Langweiler. Als Analyst mit Wirtschafts-Doktortitel beobachtet er für die CIA Finanztransaktionen im Jemen. Ryan, breite Schulter, groß, tiefe Nachdenkerfalten auf der Stirn, ist kein aufregender Typ, aber – große Überraschung – ein getriebener, der nachts von traumatischen Erinnerungen heimgesucht wird. Denn als Soldat in Afghanistan hat er nur knapp einen Helikopterabsturz überlebt. Die daraus resultierenden Rückenschmerzen versucht er mit knallhartem frühmorgendlichen Rudertraining einzudämmen. Seinen Boss interessiert Jacks Vorliebe für Schreibtischarbeit herzlich wenig, er lässt ihn für ein Verhör in den Jemen fliegen. Denn dort vermutet Jack Ryan (gespielt von einem brütenden John Krasinski) eine neue Terrorgruppe, die große Geldbeträge über die Grenzen schmuggelt.

Ein Schreibtischtäter rettet die Welt

Zur selben Zeit bricht Hanin Abdullah in Syrien zur Flucht auf. Sie hat ihren Goldschmuck geschnappt, ihre zwei Töchter im Schlepptau und verlässt mitten in der Nacht mit Rucksack bepackt heimlich das großzügige Anwesen, das sie mit ihrer Familie bewohnt. Sie hat Angst um ihr Leben und hofft in Europa auf Schutz vor den Milizen, die ihr Mann Suleimann gerade um sich versammelt. Hanin hat sich durch Wüsten und Berge bis in die Türkei durchgeschlagen. Ihre Töchter verstehen nicht, was los ist, warum sie verfolgt und bedroht werden, warum um sie herum Autos explodieren – sie sind erschöpft und wollen zurück nach Hause.

Die Story von Hanin Abdullah ist mitreißend und tragisch. Aber leider ist ihre Rolle nur ein Vehikel, um die Pläne ihres Mannes voranzutreiben und dem Titelhelden dieser Serie Gelegenheiten für heldenhafte Taten zu bieten. Die Serie heißt schließlich "Tom Clancy’s Jack Ryan" und nicht "Hanin Abdullah" und deshalb ist ihre Geschichte auch zu Ende erzählt, als Jack Ryan ihren Weg kreuzt. Denn der vermeintliche Schreibtischtäter verhört dann doch die jemenitischen Terroristen, muss sein Kriegstrauma überwinden und Suleimann, Hanins Mann und Kopf der gesuchten Terrorgruppe, von Syrien aus quer durch die Welt jagen.

Tom Clancy, Schöpfer des Helden, veröffentlichte schon Mitte der 80er Jahre den ersten "Jack Ryan"-Roman. Er wurde ein riesiger Erfolg, auf den 20 weitere Bücher, eine Handvoll Filme und Computerspiele folgten. Jack Ryan ist ein Held von mythischem Ausmaß, eine Art amerikanischer James Bond, der aber eigentlich ein ganz normaler Typ von nebenan ist. Und den nur sein unbedingter Glaube an das Gute in den Dienst der Gesellschaft - und an der Waffe - zwingt.

Ähnlich wie bei James Bond tauchen auch in Jack Ryan Frauenfiguren nur dann auf, wenn sie dem Helden irgendwie helfen können: die Frau des Terroristen liefert Infos, seine Freundin zeigt Verständnis und die französische Polizistin unterrichtet ihn in Sachen Terrorfahndung. Wenn sie nicht mehr gebraucht werden, enden ihre Geschichten einfach. Das maskuline Heldenpathos klingt in der schweren Orchestermusik mit und trieft aus Dialogen wie diesen hier:

"Es ist nicht möglich, diesen Beruf auszuüben, ohne Kompromisse zu machen. Nicht, wenn man etwas tun will, das etwas bedeutet. – Das glaube ich nicht. Ich glaube, dass man etwas bewirken kann, ohne diese Art von Kompromissen einzugehen."

(Aus Tom Clancy's Jack Ryan)

Keine Zeit für die wirklich spannenden Stories

"Tom Clancy's Jack Ryan" ist ein Michael-Bay-Actionfilm ausgewalzt auf acht Stunden. Die Serie versucht uns weiß zu machen, dass sie sich für die Mechanismen der Radikalisierung interessiert, aber sie bleibt dabei oberflächlich. "Jack Ryan" zeigt uns einen Jungen aus einer liberalen libanesischen Familie, der Anfang der 80er noch zu amerikanischer Popmusik auf seinem Bett getanzt hat, knapp einen Bombenangriff überlebt, in Frankreich aufwächst, studiert und dann als junger Mann plötzlich im Gefängnis radikalisiert wird. Für diese Hintergrundstory nimmt die Serie sich eine geschlagene Viertelfolge Zeit und danach ist auch nicht klar, wieso der gebildete und sanfte Suleiman, der so sehr an den Westen glaubte, zum gefährlichen Terrormastermind wird.

Aber darum geht es in "Jack Ryan" ja auch nicht. Im Zentrum steht das Katz und Maus Spiel, der große Triumph. Das ist nicht nur total altbacken, die Serie hat auch gar nichts neues zu erzählen – auch wenn sie sich betont nuanciert gibt: Nein, Muslime sind nicht per se gefährlich (Ryans Chef ist konvertierter Muslim – und Afroamerikaner); Nein, die Amerikaner sind nicht immer die Weltretter; und Ja, auch Drohnenpiloten haben Gewissensbisse, wenn Zivilisten bei ihren Angriffen sterben.

Das Bewusstsein dafür, dass viele Actionfilme und Serien mit ähnlicher Thematik diese Sensibilität lange nicht hatten, macht aber 2018 noch lange keinen guten Polit-Thriller. In "Tom Clancy’s Jack Ryan" wirkt es eher wie ein Alibi, hinter dem dann doch wieder dieselbe testosterongeladene, amerikanische Heldengeschichte erzählt wird. Immerhin ist die so spannend und actionreich, dass die Serie als Feierabend-Hirnausschalter ganz gut funktioniert. Die Schauplätze auf der ganzen Welt und die vielen verschiedenen Sprachen, die in der Serie gesprochen werden, deuten an, dass die Serienmacher sich wirklich bemüht haben, "Jack Ryan" ein Update zu verpassen. Vielleicht klappt das in der zweiten Staffel ja noch ein bisschen besser - die wird nämlich bereits gedreht.

Die erste Staffel von "Tom Clancy's Jack Ryan" gibt’s bei Prime Video. Eine zweite Staffel ist bereits geplant. Die Autorin hat alle acht Folgen gesehen.

Sendung: Filter, 5.9.2018 - ab 15 Uhr