TV & Serie // O.J. Simpson: Made in America Wenn ihr Amerika besser verstehen wollt, schaut diese Doku!
Der Fall OJ Simpson gehört zu den größten Gerichtsfällen der USA. Jetzt gibt es eine fünfteilige Doku-Serie über den Prozess, die wirklich sehenswert ist. Denn auf der Anklagebank saß nicht nur ein Superstar, sondern Amerika.
Als ich das erste Mal von der O.J. Simpson Doku-Serie gehört hab, dachte ich mir: Wer soll sich das denn ansehen?
Fünf mal 90 Minuten über einen Football-Star, den man hier in Deutschland nur als Mörder seiner Frau kennt. Fünf mal 90 Minuten über einen Mordfall, der in den 90ern ein Riesenthema war, aber heute doch echt niemanden mehr interessiert.
Ich habe mich geirrt.
Es sollte sich einfach jeder diese O.J.-Simpson-Doku ansehen. Denn in diesen fünf mal 90 Minuten erklären die Dokumentarfilmer nicht nur den Fall Simpson, sondern Amerika an sich.
Der tiefe Fall
O.J. Simpson ging als einer der besten Running Backs in die Football-Geschichte ein - die erste Folge behandelt deshalb auch erstmal seine steile Karriere. In der zweiten Folge geht’s dann aber nicht um den tiefen Fall – also, um den Mord an seiner Frau Nicole Brown Simpson und ihrem Geliebten Ron Goldman. Nein, die Doku macht erst einmal einen riesigen Bogen um den Mordfall und erzählt stattdessen von jahrzehntelanger Polizeigewalt in den USA: Wie Schwarze in Los Angeles systematisch verfolgt werden, wie die Polizei nichts tut, wenn schwarze Opfer von Verbrechen werden und munter drauf losknüppeln, wenn sie sich darüber beschweren. Auch wenn die Polizei das heute noch anders sieht.
Weit ausholen, um Amerika zu verstehen
90 Minuten, also eine ganze Folge lang, konzentriert sich die Doku-Serie auf Polizeigewalt. Und warum? Weil man nicht über O.J. Simpson sprechen kann, ohne über die Polizei von Los Angeles zu sprechen. Warum geht es 90 Minuten lang nur um seine Karriereanfänge? Weil man nur so versteht, dass O.J. sich nie als Teil der Black Community gefühlt hat - auf deren Unterstützung war er während seines Verfahrens aber angewiesen.
Spätestens ab der zweiten Folge kann man auch als Deutscher nachvollziehen, warum der O.J.-Simpson-Fall so ein Riesending war damals. Auf der Anklagebank saß nicht nur ein Superstar, sondern Amerika. O.J. war schuldig, die Beweise sprachen klar dafür. Trotzdem wurde er für unschuldig erklärt - aus Rache an dem rassistischen System. Und weil O.J. eben O.J. ist.
Ein Oscar-prämiertes Doku-Monument
Die Recherche, die in dieser Dokumentation steckt, ist beeindruckend. Die Filmemacher haben neun Jahre an diesem Stoff gearbeitet, haben mit allen Wegbegleitern O.J.s gesprochen: Mit allen Freunden aus der Kindheit, mit allen Kollegen, mit O.J.s Verteidigern und mit seinen Anklägern. Einfach mit allen. Und dieses Doku-Monument kommt gerade zum richtigen Zeitpunkt, denn Polizeigewalt gegen Schwarze gibt es heute auch noch. Stichwort #blacklivesmatter. "O.J. Simpson: Made in America" zeigt, wie es nicht laufen sollte, in fünf mal 90 großartigen Minuten. Dafür wurde sie mit einem Oscar ausgezeichnet. Zu Recht - damit wir eine bessere Zukunft gestalten können, müssen wir erstmal die Vergangenheit verstehen, um nicht dieselben Fehler zu machen.
Die Doku-Serie "O.J. Simpson: Made in America" ist aktuell in der Arte-Mediathek abrufbar.
Sendung: Filter, 05.07.2017 - ab 15.00 Uhr