TV & Serie // Bruder - Schwarze Macht Ein brisantes Thema weichgespült
Was bringt einen jungen Mann dazu sich zu radikalisieren? Diese Frage versucht die Miniserie "Bruder - Schwarze Macht" zu beantworten. Mit dabei: "Game of Thrones"-Star Sibel Kekilli und die erfolgreiche Regisseurin Randa Chahoud.
"Als Türke bist du immer der Nigger, verstehst du?“, sagt Melih gleich zu Beginn der neuen Miniserie "Bruder - Schwarze Macht“. Ein Türsteher, selbst Türke, lässt Melih wegen seines Aussehens nicht in den Club rein. Ausgegrenzt, sogar in der eigenen Community, so fühlt sich Melih ziemlich oft.
Melih ist ein Kleinkrimineller deutschtürkischer Abstammung und hat trotz bürgerlicher Familie und zwei Pässen das, was man Integrationsprobleme nennt. Mit seiner Schwester Sibel, die bei der Hamburger Polizei arbeitet, kommt Melih auch nicht klar. Es dauert nicht lange, bis er in die salafistische Szene abdriftet. Dort sucht er Beistand. Und Sibel riskiert alles, um ihren Bruder von dieser Szene fernzuhalten.
Eine starke weibliche Figur - leider nicht glaubhaft
Sibel, gespielt von Sibel Kekilli, ist eine Superwoman und eine universelle Soldatin, die an mehreren Fronten gleichzeitig kämpft: Sie ist Mutter und Schwester, eine gute Polizistin und eine emanzipierte Frau - trotz konservativer Erziehung. Man könnte sich eigentlich über diese starke weibliche Heldin freuen.
Doch Sibel ist vor allem eins, nämlich arg konstruiert. Genauso wie die Figur ihres Bruders, wie überhaupt alle Figuren in dieser Serie. Melih ist an sich ein guter Typ mit starken Prinzipien, das versucht die Serie uns Zuschauern immer wieder mit auf den Weg zu geben. Melih radikalisiert sich, weil er ausgegrenzt wird - und wegen seines Konflikts mit seiner Schwester Sibel. Richtig glaubwürdig wirkt das nicht.
Tiefere Einblicke in seine Gedanken gewinnt man auch nicht wirklich. Vielleicht weil viele Dialoge eher wie eine Einleitung zum großen Lexikon der Verschwörungstheorien klingen. Aber auch der "Diggah“-Counter bleibt dabei auf Rekordlevel - für mehr Street Creds. Denn damit wir auch ja nicht vergessen, dass wir hier auf den Straßen von Hamburg sind, darf ein in den Satz geworfenes "Diggah“ natürlich nicht fehlen.
Eine Serie mit wichtiger Aussage…
Eigentlich hat die Serie ein ambitioniertes Ziel. Sie soll zeigen, wie verlockend radikale politische Gruppierungen für Jungs wie Melih sein können. Und es stehen wichtige Fragen im Raum: Ab wann gilt eine Person als gut integriert? Wie entsteht Terrorismus und wer hat Schuld daran?
Allein schon die Macher von "Bruder – Schwarze Macht“ sind spannend. Am Drehbuch haben gleich drei Autoren mitgearbeitet: Andreas Dirr, Deutsch-Türkin Ipek Zübert und der Deutsch-Palästinenser Raid Sabbah. Regie führte die Deutsch-Syrerin Randa Chahoud, die für ihre Science-Fiction-Serie "Ijon Tichy: Raumpilot" mehrmals ausgezeichnet wurde.
…aber ist sie eine politisch brisante Fernsehproduktion?
Aber statt in die radikale Szene gebeamt zu werden, sehen wir Bilder, die total austauschbar sind. Melihs Einstieg in den Salafismus wird mit Küchenphilosophie erklärt und das auch nur oberflächlich. Die Serie ist eigentlich nur dazu da, die altbekannten Weisheiten zu predigen: Man wird nicht als Terrorist geboren, sondern zum Terroristen gemacht. Wir alle tragen Verantwortung, mit dem Islam hat es nichts zu tun.
An sich keine schlechte Sache, das immer wieder zu thematisieren. Aber kommt die Message überhaupt an? Vor allem wenn realistische Szenerie und glaubwürdige Figuren dabei auf der Strecke bleiben? So ist "Bruder - Schwarze Macht“ leider ein gutes Beispiel dafür, wie ein brisantes Thema weichgespült wird und eine schlecht produzierte Abendunterhaltung für die ganze Familie dabei herauskommt.
"Bruder – Schwarze Macht" läuft seit dem 29.10. immer sonntags um 21:15 Uhr auf ZDF neo. Bereits gesendete Folgen könnt ihr euch in der ZDF Mediathek anschauen.
Sendung: Filter, 02. November 2017 - ab 15 Uhr