TV & Serie // Please Like Me Weil glasierter Schinken manchmal schöner ist als Sex
Eine Serie über Twens, wer braucht die noch? Alle! Zumindest wenn es "Please Like Me" ist. Mit der macht sich Australier Josh Thomas grade weltweit auf den Bildschirmen bekannt. Und die brauchen ihn und sein Charisma. Dringend.
Meine Fresse. Da sitzt Josh mit seiner festen Freundin Claire und redet und redet und redet. Darüber, dass er nie so richtig im Moment sein kann, dass er fast 21 ist und sein Gesicht echt nicht hübsch, aber rein physisch ist das ja nun schon der Höhepunkt seines Lebens. Autsch. Ab jetzt geht's nur noch abwärts mit seinem Monolog: Früher sah Claire ja so merkwürdig aus, aber hey, die Pubertät hat ihr echt gut getan. Und dann sagt Claire die Worte: "Wir sollten reden. Wir sollten Schluss machen. Du bist schwul." Und auf einmal ist alles, was Josh rausbekommt: "N-nein?"
Jung, planlos, noch was?
Doch. Josh ist schwul. Außerdem ist er auf eine sehr irritierende Art selbstgerecht, intelligent, faul und verdammt gemein – und dabei ziemlich on point. Sein gesamtes Umfeld ist ihm ausgeliefert: seine manisch-depressive Mutter, sein unsicherer Vater und sein winziger Freundeskreis, bestehend aus Ex-Freundin Claire und Mitbewohner Tom. Obendrauf hat Josh ein echtes Problem mit sich selbst. Sogar eine subtile Anmache von einem ziemlich heißen Typen verdreht er lieber in eine Beleidigung gegenüber Tom, statt sich mit seinen eigenen Erwartungen und Gefühlen auseinanderzusetzen.
Bis hierhin scheint "Please Like Me" eine Serie über verzogene Langweiler Anfang 20 zu sein, die - oh Gott, oh Gott – mitunter homosexuell sind und sich - oh Gott, oh Gott - in der Welt beweisen müssen. Aber "Please Like Me" wird einfach wundervoll. Die Serie hat nämlich weder Zeit noch Lust, sich schnöde auf ein Coming-Out einzuschießen.
Schon in der allerersten Folge wird ein Zeigefinger-Thema wunderschön heruntergebrochen: Josh ist kurz vor seinem ersten Mal mit einem Mann und ist, gelinde ausgedrückt, recht passiv. Als dann der andere alles in Gang bringt, was man so in Gang bringen muss, fragt er kurz: "Ist das okay?" Und ja: ist es. Danach geht's einfach weiter. So simpel und unpeinlich ging es im Fernsehen noch nie um selbstverständlichen Sex.
Aber "Please Like Me" tut noch viel mehr. Die Serie bricht mit Klischees, beschreibt den vielleicht realistischsten Umgang mit Selbstmordversuchen der Fernsehgeschichte und streift ohne langwierige Konstruktionen Themen wie Belästigung am Arbeitsplatz, Ignoranz, Abtreibung, Trauer, Eitelkeit und, natürlich, die Angst, nicht liebenswert zu sein.
Josh Thomas, legt ihm die Welt zu Füßen
Die Hauptfigur Josh wird gespielt von Comedian Josh Thomas. Der hat die Serie auch geschrieben und steckt eine Menge aus seinem Stand-Up-Programm und viel Persönliches in die Folgen. Der Hund von Serien-Josh ist sein echter Hund, er hat dasselbe studiert, in ähnlichem Alter festgestellt, dass er schwul ist und er kocht irre gerne. In Australien hat Josh Thomas bei so etwas wie dem Promi-Dinner teilgenommen und in "Please Like Me" wird auch in der Küche gezaubert ohne Ende. Nicht umsonst ist jede einzelne Folge der drei Staffeln nach Essen oder Getränken benannt.
Im Endeffekt ist Josh Thomas als Serienmacher-Phänomen so etwas wie ein männliche, australische und schwule Version von Lena Dunham, die die Serie "Girls" erfunden hat.
Aber wo die Charaktere in "Girls" es nicht herausschaffen aus ihrem Kosmos der Selbstgefälligkeit, genau da ist "Please Like Me" universell und entwaffnend witzig. Und hat obendrauf noch ordentlich Charme. Immer wieder blitzt nämlich durch, dass die Serie aus Australien kommt. Manchmal wegen dem Slang. Oder beim Retrosound-Titelsong "I'll Be Fine" von der australischen Band Clairy Browne & The Bangin' Rackettes. Oder wenn Josh sagt, er hätte doch den Preis als "Young Australian Of The Year" verdient. Den gibt’s nämlich echt, auch wenn sich das ziemlich lächerlich anhört.
Lebensweisheiten ohne Carpe Diem
Obwohl Josh nicht der klassische Seriendarling ist und so mancher Zuschauer sicher gerne auf den Bildschirm einschlagen möchte, wenn Josh mal wieder einen seiner selbstgenügsamen Monologe hält: Manchmal hat Josh einfach recht. Und ganz selten meint er nicht nur sich selbst, sondern uns alle. In diesen wundervollen Momenten werden Juwelen der Weisheit geboren. Zum Beispiel die hier:
Ich wünschte, er wäre glasierter Schinken. Und anstatt mit ihm rumzumachen, könnte ich glasierten Schinken essen. Wow. "Please Like Me" ist wahre Serien-Poesie. Und auf eine sehr verquere Art das Warmherzigste, was ihr derzeit streamen könnt.
"Please Like Me" kann über Netflix gestreamt werden. Derzeit sind die ersten drei Staffeln im Programm.