TV & Serie // "Who Is America?" Borats neue Pranks könnten US-Wahlen beeinflussen
Sacha Baron Cohen ist zurück. Für seine neue Serie schlüpft er wieder in verschiedene Rollen und stellt das konservative Amerika und die Waffenlobby bloß. Das ist nicht immer lustig, macht aber gerade reale Politik.
Es sind Momente, die wohl nur ein Sacha Baron Cohen erzeugen kann: Ein US-Waffenrechtler stimmt ein Lied an. Ein Kinderlied. Aber der Text lautet: "Zielt auf Kopf, Schulter, nicht auf Zehen, nicht auf Zehen." Kurz davor hatte er sich allen Ernstes für die Bewaffnung dreijähriger Kinder ausgesprochen. Als Zuschauer zweifelt man nicht nur an dessen gesundem Menschenverstand, sondern auch an seinem eigenen. Ist das grad wirklich passiert?
Das ist nur eine von vielen Absurditäten, die Cohen alias "Borat" oder "Ali G" in seiner neuen TV-Show "Who Is America?" auspackt. Ob als israelischer Anti-Terror-Experte, rechtsextremer Verschwörungstheoretiker oder Dozent für Gender Studies: Cohen spielt seine Rollen in realen Interviews und Situation. Mal erklärt er einem konservativen Ehepaar, dass er seine Tochter auf die amerikanische Flagge menstruieren lässt. Dann beschreibt er Bernie Sanders, wie Obamacare ihn krankgemacht habe.
Seine Rollen spielt er dabei so gut, dass seine Interview-Partner nicht merken, dass sie Teil seiner Show werden. Und weil seine Rollen selbst antisemitisch, sexistisch oder einfach politisch unkorrekt sind, schafft es Cohen oft, diese Seite auch bei seinem Gegenüber bloßzustellen. In vier neue Rollen schlüpft er für seine neue Show. Das ist manchmal mehr, manchmal weniger lustig. Auf jeden Fall zeigt es, dass solche Pranks auch heute noch funktionieren. Trotz Cohens Bekanntheit und den Millionen Smartphone-Kameras, die Aktionen dieser Art entlarven könnten.
Ohne Fremdscham geht es nicht
Dazu gehören immer auch Fremdscham und Ekel. Wenn Cohen als ehemaliger Häftling Rick Sherman einer Galerie-Besitzerin Kunstwerke aus Sperma und Fäkalien präsentiert, entscheidet sich schnell, wer darüber lachen kann und wer nicht. Doch auch hier: Wenn der Zuschauer denkt, es kann nicht mehr absurder werden, bietet die Kunstliebhaberin Cohen ihre eigenen Schamhaare für dessen nächstes Kunstwerk an. Im nächsten Moment sehen wir, wie sie mit der Schere zur Tat schreitet.
Was das über das Amerika in Zeiten von Trump aussagen soll, sei mal dahingestellt. Wer "Who Is America?" anschaut, wird lachen, entsetzt und wütend sein, sich ekeln und fremdschämen. Nicht jede Szene hat eine Pointe, aber einige Glanzmomente helfen über die schwächeren Parts hinweg. Nach nur einer Folge lässt sich sagen, dass Cohen wohl nicht der große Wurf gelingt. Aber er hält die Zuschauer am Ball: Man fragt sich, welche wahnsinnige Idee er als nächstes unter reale Menschen bringt und wer noch auf ihn reinfällt.
Zwischen Satire und Realpolitik
Einer dieser Höhepunkte ist sicherlich Cohens Coup als israelischer Anti-Terror-Experte Erran Morad. Für sein Kinderguardians-Programm zur Bewaffnung von Kindergarten-Kindern konnte er sich die - wohlgemerkt reale - Unterstützung zahlreicher berühmter Politiker und Waffenrechtsaktivisten sichern. Natürlich nur bis die erste Folge der Show auf dem US-Sender Showtime erschien. Jetzt sehen sich die Fans der Kinderguardians heftiger Kritik ausgesetzt und das so kurz vor den Kongresswahlen. So schnell wird aus Satire reale Politik.
Gerade in den USA muss Cohen viel Kritik einstecken. Sein Prank-Humor sei überholt und gerade in Zeiten von Fake News behindere er Kommunikation in der gespaltenen Gesellschaft. Aber wieso soll sich gerade Satire in diesen Zeiten zurückhalten? "Who Is America?" wird keinesfalls zur Versöhnung der amerikanischen Gesellschaft beitragen. Aber wenn nur wenige Monate nach dem Schulamoklauf von Parkland mit 17 Toten, die amerikanische Waffenlobby NRA zeigt, wie wenig sie dazugelernt hat, dann erfüllt die Show genau den Zweck von Satire. Hoffentlich ist in den weiteren sechs Folgen mehr davon zu sehen - und weniger Sperma- und Menstruations-Gags.
In jedem Fall bleibt spannend, wer dem Satiriker noch ins Netz gegangen ist. In einer Vorschau ist bereits der ehemalige US-Vizepräsident Dick Cheney zu sehen, wie er einen Waterboarding-Behälter signiert. Der heftig kritisierte Politiker wird unter anderem für die Folter im Gefangenenlager Guantanamo verantwortlich gemacht. Auch die Republikanerin Sarah Palin hat sich schon gemeldet. Noch vor Ausstrahlung schrieb sie auf Facebook: "Ich reihe mich ein in eine lange Liste amerikanischer Persönlichkeiten, die dem bösen, ausbeuterischen, kranken Humor des britischen Komikers Sacha Baron Cohen zum Opfer gefallen sind." Schlecht für sie. Hoffentlich gut für den Zuschauer.
Seit 17. Juli gibt es auf Sky jeden Dienstag eine neue Folge von „Who Is America?“. Die Sendung wird eigentlich vom US-Sender Showtime produziert.
Sendung: Hochfahren am 25.07.2018 - ab 7 Uhr