Umsonstkultur unter Gamern Deswegen sind Indie-Games jeden Cent wert
Ein Fuffi und mehr für GTA, FIFA und Konsorten sind okay - aber bei Indie-Games für einen Zwanni wird gemeckert? Das muss aufhören. Aus mindestens fünf guten Gründen.
Ich kenn’s ja von mir selbst: Ah, ein neues Indie-Game auf Steam - oh, das kostet ja 20 Euro - hm, ich klick’s mir in die Wunschliste und warte, bis es im Sale ist. Die PC-Spieleplattform Steam ist einerseits ein zuverlässiger Kanal für Indie-Entwickler, um ihre Spiele an den Kunden zu bringen. Andererseits: Mit seinen ständigen Rabattaktionen erzieht Steam seine Nutzer konsequent zu Schnäppchenjägern.
Dabei haben sogar Indie-Entwickler wie Johannes Roth, Chef der Münchner Spieleschmiede Mimimi Productions, Verständnis für so ein Käuferverhalten:
"Mach ich genauso, wirklich. Alle Titel, die ich mir holen will, hau ich mir in die Wishlist und dann warte ich, bis die Rabatt-E-Mail kommt. Es gibt halt einfach ein krasses Überangebot an Titeln. Man wird ja jeden Tag erschlagen mit neuen Releases, Spielen, die im Sale sind und so weiter - aber wenn ich sehe, da ist ein Titel, den ich unglaublich cool finde, hol ich mir das halt zum Vollpreis, weil ich den Entwickler privat unterstützen möchte."
Johannes Roth, Mimimi Productions
Trotzdem: Manche Gamer, und damit potenzielle Käufer, wissen den Wert von Indie-Games einfach nicht zu schätzen und meckern im Internet. Das muss aufhören. Aus mindestens fünf guten Gründen.
Grund eins: Vielfalt hat ihren Preis
Die Wunschliste-Rabatt-Kiste ist das eine, manche Spieler gehen aber noch viel weiter. Wie neulich im Steam-Forum. Da regte sich ein User über den Preis für das Indie-Game "Brigador" auf. 20 Dollar waren ihm zu viel - 15 Dollar hingegen seien perfekt und würden vollkommen ausreichen.
Nur: Was soll das Geschachere? Wer so über neue Indie-Spiele herzieht, aber für GTA 6, FIFA 17 und Call of Duty 13 einen Fuffi hinlegt, der hat eins nicht verstanden: Einheitsbrei gibt’s in der Großküche, liebevoll gemachte, innovative Spiele brauchen unabhängige Spielestudios. Wenn Indie-Entwickler weiterhin ihre Titel entweder nicht gut genug verkaufen können oder nur zu einem geringen Preis, dann werden viele von ihnen früher oder später aufgeben müssen.
Grund zwei: Es bleibt eh kaum was hängen
Stellar Jockeys, die Entwickler von "Brigador", haben auf den User-Kommentar oben übrigens reagiert - und zwar sehr ausführlich. Sie ziehen sich quasi nackt aus und legen Zahlen offen: Ja, wir verlangen 20 Dollar für unser neues Spiel "Brigador", aber nach Steuern bleibt gerade mal ein Zehner übrig. Abzüglich Miete, Gehältern und Entwicklungskosten von fünf Jahren - das rechnet sich erst bei 50.000 verkauften Exemplaren, sagt das Studio. Zum Vollpreis, wohlgemerkt. Was Rabatte anrichten, weiß Johannes Roth von Mimimi Productions: "Kann schon mal passieren, dass man für einen 20- bis 25-Euro-Titel als Entwickler zum Schluss vielleicht zwei Euro sieht."
Wer seinen Angestellten und sich selbst dann auch noch Mindestlohn zahlen will, hat nicht viel Spielraum bei der Preisgestaltung. Was für Gamer eine Frage des Taschengelds ist, ist für Indie-Spielemacher eine der Existenz - und der Wertschätzung.
Grund drei: Spielzeit ist mit Geld nicht aufzuwiegen
Über das erst letzte Woche erschienene Indie-Game "Firewatch" schreibt ein User bei Steam:
"Mir hat‘s ja gefallen... aber es hat nur zwei bis drei Stunden gedauert! Soll ich mein Geld zurückverlangen?"
User Undercover Fish im Steam-Forum
Ernsthaft? Versucht das mal mit Konzertkarten - nach dem Gig. Zwischenzeitlich hat sich zwar eine der Spieldesignerinnen von "Firewatch" ebenfalls mit einer emotionalen Antwort zurückgemeldet, der Foren-User seine Meinung revidiert und das Spiel behalten - aber das Problem an sich ist damit nicht aus der Welt. Denn es trifft auch Spiele wie "Everybody’s Gone To The Rapture" (Spielzeit vier bis sechs Stunden, Preis 20 Euro), "That Dragon Cancer" (Spielzeit zwei Stunden, 15 Euro) oder "The Beginner’s Guide" (Spielzeit zwei Stunden, Preis neun Euro). Und es trifft auch Johannes Roth von Mimimi Productions mit seiner letzten Veröffentlichung "The Last Tinker" (Spielzeit acht Stunden, Preis 20 Euro). Aber es gibt noch Hoffnung:
"Viele Spieler sagen mittlerweile, sie haben lieber zwei bis drei richtig geile Spielstunden als ein 80-Stunden-RPG, wo 60 Stunden Füllmaterial drin sind - die Spielzeit macht auch nicht unbedingt die Entwicklungszeit aus und das ist ja letztlich, was die Kosten verursacht."
Johannes Roth, Mimimi Productions
Grund vier: "Indie-Game" ist auch ein Güte-Siegel
Auch wenn viele Indie-Studios das "Indie"-Label gar nicht mögen und lieber "kreativ unabhängig" genannt werden: Zwanzig Euro für ein Indie-Spiel fließen meistens eben nur ins Spiel selbst - und nicht in teure Lizenzen oder eine riesige Marketingkampagne.
Grund fünf: So teuer ist das alles gar nicht
Hand aufs Herz: Für welchen Blödsinn geben wir sonst unser Geld aus? Das vorhin erwähnte Spielestudio Stellar Jockeys hat in seinem langen Foren-Post mal aufgelistet, was alles teurer ist als ein Spiel für 20 Dollar: Markenunterwäsche, ein Mülleimer , ein Nickelback-Poster und ein Toilettenpümpel bei Amazon. Okay.
Es stimmt schon, niemand zwingt Indie-Gamedesigner dazu, ihre Spiele auf den schwer übersättigten Games-Markt zu werfen, auch Investor, Vertrieb oder Kickstarter-Kampagne nicht. Und niemand zwingt uns Gamer und Kunden, diese Spiele zum Vollpreis zu kaufen. Aber ich bitte darum. Sonst ist das Indie-Game bald over.