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Olympische Spiele in Sotschi Sind die Deutschen Freestyle-Loser?

Die deutschen Athleten haben in den Freestyle-Disziplinen bei den Olympischen Spielen in Sotschi nichts gerissen. Egal ob Männer oder Frauen, egal ob Snowboard oder Ski, egal ob Halfpipe oder Slopestyle. Woran liegt's?

Von: Claudia Gerauer & Katharina Kestler

Stand: 20.02.2014 | Archiv

Die Gewinner im Ski-Slopestyle: Gus Kenworthy, Joss Christensen und Nick Goepper aus den USA.

Gold: USA. Silber: USA. Bronze: USA. Das war das Siegerpodest der Ski-Slopestyle-Athleten in Sotschi. Der Deutsche Bene Mayr landete auf Platz 20. Bei den Disziplinen Snowboard-Slopestyle oder Ski- und Snowboard-Halfpipe sah es ähnlich aus: kein Deutscher war vorne mit dabei, teilweise ist nicht mal ein Deutscher an den Start gegangen. Doch woran liegt's, dass wir im Slopestyle keinen Felix Neureuther und in der Halfpipe keine Maria Höfl-Riesch haben? Warum holen wir Gold im Rodeln, sind aber Loser im Freestyle?

Keine deutschen Funparks...

Bene Mayr siegessicher. Am Ende hat's nur für Platz 20 im Slopestyle gereicht.

"Da ist definitiv noch Potenzial nach oben", drückt es Jörg Angeli von freeskiers.net, dem Szene-Onlinemagazin, sehr diplomatisch aus. Mehr Potential hätte zum Beispiel auch Bene Mayr: Der einzige deutsche Starter im Ski-Slopestyle in Sotschi ist in der Qualifikation ausgeschieden. Er bedauert, dass es in Deutschland keine Trainingsmöglichkeiten für die Slopestyler gibt. Mit der Meinung ist er nicht allein, sogar der Bundestrainer der Freeskier gibt ihm Recht:

"Es gibt bei uns einfach keine Funparks im großen Stil, wie sie bei den Olympischen Spielen oder Weltcups üblich sind. Fußballplätze gibt es zuhauf, aber sonst nichts."

Thomas Hlawitschka

Thomas Hlawitschka, Bundestrainer der Freeskier

Von anspruchsvollen Parks auf US-Niveau ist Deutschland weit entfernt. Hier werden schwierige Parks sogar entschärft. Bestes Beispiel dafür: der Funpark am Fellhorn. Szenekenner Jörg Angeli sagt, wirtschaftliche Gründe hätten dazu geführt, dass einer der besten Parks in Deutschland zum Spaß-Parcours für Skitouristen umgebaut wurde. Letzteres bringt vielleicht mehr Geld für die Skigebiete, aber keine Goldmedaillen bei Olympischen Spielen. Für die Sportart sei es in jedem Fall das falsche Signal, sagt Angeli. Und auch Bundestrainer Thomas Hlawitschka wünscht sich, dass die Skigebiete die Freeskier wahrnehmen und mit ihnen zusammen arbeiten.

... keine Trainingshallen...

Ein BMXer übt seine Tricks in eine Schnitzelgrube.

Doch nicht nur die Funparks und Halfpipes fehlen, auch an anderen Trainingsmöglichkeiten für Freestyler mangelt es: die Auswahl an Hallen mit Trampolinen oder Schnitzelgruben ist überschaubar. Ski- und Snowboard-Tricks auf olympischem Niveau trainiert man nicht nur im Schnee, sondern mit Sprüngen ins Wasser oder in die Schaumstoff-Schnitzelgrube. In den USA gibt’s dafür fette Trainingsanlagen, wie zum Beispiel Camp Woodward. Hier in Bayern ist das seit Jahren in Planung, eigentlich wollte man vergangenes Jahr mit dem Bau beginnen – passiert ist nicht viel. Laut Verantwortlichen in Lenggries liegen die Pläne aber nicht auf Eis, die Umsetzung würde einfach nur sehr lange dauern. Wer schon jetzt ordentlich trainieren will, muss über den Atlantik fliegen oder mindestens bis Laax in die Freestyle Acadamy. Österreich und die Schweiz sind in punkto Freestyle eindeutig besser aufgestellt als Deutschland – und prompt holt der Schweizer Iouri Podladtchikov olympisches Gold in der Halfpipe.

... und keine Nachwuchsförderung.

Auch bei der Nachwuchsförderung können wir im Ausland spicken. Zum Beispiel bei den Amerikanern: Die haben spezielle Sportschulen mit Freeski-Programmen:

"Bei uns in Deutschland ist das anders. Wenn ein Kind den Sport machen will, dann heißt es erstmal: Das ist ja gar kein Leistungssport, das ist nur ein Funsport – da kriegste keine Freistellung am Freitagnachmittag."

Bene Mayr

Lisa Zimmermann aus Bad Aibling war die einzige Starterin im Slopestyle in Sotschi. Sie schied in der Qualifikation aus.

So ging's auch Lisa Zimmermann, der einzigen deutschen Starterin im Ski-Slopestyle. Ihre Teilnahme an den X Games musste sie abblasen, wegen einer Schulaufgabe. Ob sich jetzt was ändert – nach den ersten olympischen Spielen der Disziplin? Zumindest ist das Ansehen der Freestyle-Disziplinen gestiegen:

"Kurz vor Sotschi hat jeder noch gedacht, dass wir die ganze Zeit nur am Feiern sind und uns ab und zu auf die Ski stellen. Aber es ist ein Leistungssport und wir trainieren nicht weniger hart als andere Sportler."

Bene Mayr

Auch wenn das mittlerweile einige verstanden haben, gibt’s immer noch weniger Fame und weniger Förderung als in anderen Sportarten. Wenn Deutschland in den Freestyle-Disziplinen bei Olympia vorne mit dabei sein will, muss sich das ändern – und das wird es auch, glaubt Freeskier Bene Mayr.

Nicola Thost hat 1998 in Nagano bei den ersten Olympischen Spielen ihrer Disziplin Gold in der Halfpipe geholt.

Wenn das mal nicht zuviel Zuversicht ist. Ein kleiner Rückblick auf 1998: Die deutsche Snowboarderin Nicola Thost holt das erste olympische Gold in der Halfpipe. 2014 gibt's keine Halfpipe in Deutschland. Zwar hat das Nebelhorn im Allgäu nach langen Bemühungen der Szene 2011 aufgerüstet und die nötigen technischen Voraussetzungen geschaffen, gebaut wurde die Pipe diesen Winter allerdings nicht. Der Grund: Schneemangel. Doch auch die Finanzierung ist für die Zukunft noch nicht gesichert.

Ein wenig Hoffnung gibt es trotzdem. Der deutsche Snowboardverband und der Deutsche Olympische Sportbund sind sich einig: Wenn Deutschland für Pyeongchang 2018 wettbewerbsfähig werden will, braucht es angemessene Trainingsmöglichkeiten. Und zwar schnell.  


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