Landwirt als Beruf Wieso ich den Hof meiner Eltern nicht übernommen habe
"Wow, das hätte ich ja nie gedacht!" Den Satz hört Kadda van Eisbär öfter - wenn sie nämlich erzählt, dass sie vom Bauernhof kommt. Hier erzählt sie, warum sie sich gegen eine Zukunft als Landwirtin entschieden hat.
Wenn ich von meiner Kindheit erzähle, dann fühlt es sich an, als würde ich aus einem Märchenbuch vorlesen. Allerdings ohne böse Hexe. Ich bin mit meinen Eltern und meinen drei großen Brüdern auf unserem wunderschönen Bauernhof in Mittelfranken aufgewachsen.
Ich hatte so viele Haustiere, dass die dafür vorgesehene Zeile in den Poesiealben meiner Freundinnen nie ausgereicht hat: zwei Ponys, Katzen, Hühner, Goldfische und natürlich unsere vielen Ferkel. Mit Schweinen verdient meine Familie neben dem Ackerbau ihr Geld.
Wenn ich an meine Kindheit denke, dann sehe ich die ganze Familie gemeinsam beim Unkraut hacken auf dem Acker, beim gemeinsamen Abendessen am Vesper-Tisch, ich rieche den goldgelben Raps, der im Frühsommer vor dem Dorf blüht.
Bis dass der Tod euch scheidet
Ich erzähle gerne von meiner Kindheit auf dem Bauernhof. Und wenn ich so davon schwärme, dann könnte man sich fragen, wieso ich bei so viel Liebe dafür nicht auf dem Hof geblieben bin und ihn übernommen habe. Dafür gibt es einige Gründe.
Das Bauernhofleben besteht zum einen nicht nur aus Tiere streicheln und Landluft schnuppern. Als Landwirt ist man quasi Firmenchef und Angestellter gleichzeitig. Man muss voll und ganz hinter dem stehen, was man tut. Man muss wirtschaftlich und innovativ denken, aber auch jede handwerkliche Arbeit selbst erledigen. Da reicht also nicht ein Talent, man muss sich in allem auskennen. Deswegen beschließt man auch nicht mal irgendwann einfach so, dass man doch den Hof der Eltern übernehmen könnte – da wächst man rein. Das habe ich gewissermaßen verpasst. Ich habe mich zwar gerne um meine Ponys gekümmert, bin dagegen aber ungern mit in den Stall gegangen. Für mich war die Landwirtschaft eher ein Hobby – für meinen Bruder Michi schon immer Berufsziel. Als ich mit 16 für ein Jahr an eine High School in die USA gegangen bin, um Auslandserfahrung zu sammeln, ist er zuhause geblieben und hat die Ausbildung zum Landwirt gemacht. Als ich nach dem Feiern lange ausschlafen wollte, ist er aufgestanden und hat mit angepackt.
Deshalb ist Michi der Hofnachfolger - und eben nicht ich. Das soll jetzt übrigens überhaupt nicht so klingen, als würde ich es bereuen, dass ich mich nicht um den Bauernhof bemüht habe. Ich habe schon als Kind viel gemalt, gesungen, in meinem Kopf gelebt. Ich danke meinen Eltern dafür, dass sie mich nicht einfach in die handwerkliche Richtung geschubst haben, sondern mich haben sein lassen, wie ich bin. Meine Talente lagen augenscheinlich eher im kreativen Bereich – und in dem bin ich dadurch auch gelandet. Ich könnte aber noch immer den Beruf wechseln. Ich habe viele Optionen. Die hat man mit einem Bauernhof nicht. Einen Bauernhof zu führen, ist ein bisschen wie verheiratet sein - nur ohne Scheidungsoption. Bis dass der Tod euch scheidet.
Respekt und Liebe für die Landwirtschaft
In unserem Bauernhof steckt so viel Tradition und Geschichte, so viel Arbeit und Liebe, den verkauft man nicht einfach. Deshalb bin ich bin so froh, dass mein Bruder den Hof weiterführt. Wir alle wissen: Das ist nicht selbstverständlich. Viele Höfe stehen kurz vor dem Aus, haben keinen Nachfolger oder sind schon längst stillgelegt. Meine Kindheit auf dem Bauernhof war perfekt. Und tatsächlich macht es mich ein bisschen traurig, dass meine Kinder nicht so aufwachsen. Den Respekt vor der Landwirtschaft werde ich ihnen aber so oder so mitgeben.
Sendung: Filter vom 02.10.2018 ab 15 Uhr