Kommentar zum Alkoholverbot am Nürnberger Hauptbahnhof Ein Verbot, das am eigentlichen Problem vorbei reguliert
Einstimmig hat der Nürnberger Stadtrat sich für ein 24-Stunden Alkoholverbot am Nürnberger Hauptbahnhof ausgesprochen, denn die Gegend gilt als Brennpunkt. Das Verbot sieht aus wie eine Lösung, ist aber keine.
Eigentlich gibt es in Nürnberg schon ein Alkoholverbot. Von 22 bis 6 Uhr ist das Trinken von Alkohol am Hauptbahnhof verboten. Ab diesem Winter soll das Verbot auf 24 Stunden ausgeweitet werden – bisher war das aus rechtlichen Gründen nicht möglich. Im Zuge der Polizeirechtsreform, bei der der bayerische Landtag zum Beispiel das PAG auf den Weg gebracht hat, wurde aber auch das bayerische Sicherheitsgesetz geändert. Und zwar so, dass es Gemeinden jetzt möglich ist, den Konsum und das Mitführen von Alkohol an bestimmten Orten ganz zu verbieten.
Katrin Kurr vom Nürnberger Ordnungsamt begründet die Entscheidung damit, dass es in der Bahnhofsgegend auch tagsüber recht wild zugeht: "Rund um den Hauptbahnhof kommt es immer wieder zu alkoholbedingten Straftaten. Und es wird vor allem auch rund um die Uhr getrunken. Das fängt in der Früh an, und irgendwann steigert sich das, dann sinkt die Hemmschwelle und dann geht’s halt einfach in die alkoholbedingten Straftaten rein."
Kapazitäten für Streetwork reichen nicht aus
Niemand streitet ab, dass das Problem existiert. Und niemand sagt, die Politik solle nicht darauf reagieren. Aber wie sie reagiert ist zielstrebig am Problem vorbei reguliert. Denn es hört ja niemand auf ein Alkoholproblem zu haben, nur weil es jetzt dieses Verbot gibt. Auch Katrin Kurr sagt, dass ein Verbot alleine nicht funktioniert und dass auch in Streetworker und Projekte investiert werden soll. Wann und vor allem wie das passieren soll ist aber nicht klar. Und Katrin Kurr sagt auch: „Nicht jeder ist einer Beratung gegenüber aufgeschlossen, nicht jeder ist noch zu erreichen mit Angeboten der Streetwork. Fakt ist, dass die Kapazitäten, die wir da im Moment haben, von der Qualität und der Quantität nicht ausreichen.“
Sicherheit oder doch eher Stigmatisierung?
Die Leute sollen sich wieder sicherer fühlen am Nürnberger Hauptbahnhof. Das ist ja auch ein löbliches Ziel. Aber ob sich die allgemeine Sicherheit dadurch wirklich verbessert ist fraglich. Und: Führt das nicht auch zu einer weiteren Stigmatisierung von Menschen, die ein Alkoholproblem haben? Klar, man kann darauf verzichten, morgens auf dem Weg über die Kotze vom Vortag zu steigen, die ja auch von Partytrinkern kommen kann. Wenn es aber um die Menschen mit Alkoholproblemen geht, dann ist deren Verstreuung auch für Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen nur noch weniger greifbar.
Aus den Augen aus dem Sinn? Für die Stadt ein Erfolg
Es ist wohl einfach schneller, günstiger und weniger Aufwand für die Stadt das Problem auf diese Art zu lösen. Nach dem Motto: Aus den Augen aus dem Sinn. Niemand wird aufhören zu trinken, nur weil er es am Hauptbahnhof nicht mehr darf. Nein, er hat sein Problem immer noch, nur trägt er es jetzt nach Hause oder woanders hin, wo es nicht mehr so viele Leute sehen können. Für die Stadt sieht das aber nach einem Erfolg aus: Bahnhof sauber, alles richtig gemacht. Da besteht die Gefahr, dass niemand mehr viel Geld in Pädagogen investiert. Aber genau das wäre eigentlich der richtige Weg – nur leider nicht der einfachste.
Sendung: Filter vom 28.09.2018 - ab 15.00 Uhr