Homophobe Gewalt Wie LGBTQI-feindlich ist Bayern?
Deutschland rutscht im internationalen Vergleich der LGBTQI-freundlichen Reiseländer nach unten ab. Ein Grund ist die zunehmende Gewalt gegen Lesben und Schwule. Die Bundesländer versuchen gegenzusteuern – nur Bayern hinkt hinterher.
Eigentlich kann sich glücklich schätzen, wer den deutschen Reisepass besitzt. Mit kaum einem anderen Pass kann man so problemlos durch die Welt reisen. Aber es gibt Ausnahmen: Ist man schwul, lesbisch, transgender, queer oder intersexuell, kann man trotzdem nicht unbesorgt reisen, wohin man möchte. In einigen Ländern kann es ziemlich gefährlich werden. Welche Reiseländer für LGBTQI-Menschen sicher sind und welche nicht, das erfasst jedes Jahr der Gay Travel Index des Berliner Magazins "Spartacus". Und in diesem Ranking sieht es für Deutschland gerade nicht gut aus: Von Platz 3 im letzten Jahr ist Deutschland dieses Jahr auf Platz 23 zurückgeworfen worden. Am LGBTQI-freundlichsten sind die Länder Kanada, Portugal und Schweden.
Deutschland war im europäischen Vergleich noch nie besonders gut
Knapp 200 Länder werden in dem Index nach verschiedenen Kategorien ausgewertet. Kriterien dafür sind zum Beispiel die rechtliche Diskriminierung und die Zahl der Gewaltangriffe und Anfeindungen. Der Index zeigt vor allem die Entwicklung der Länder. Dass Deutschland dieses Jahr so weit zurückgeworfen wurde, hört sich erstmal nach einer dramatischen Verschlechterung an. Tatsächlich war Deutschland im europäischen Vergleich aber noch nie besonders gut aufgestellt. 2017 belegte Deutschland lediglich Platz 22. Der Erfolg des letzten Jahres liegt vor allem an der Einführung der Ehe für alle. Die sorgte im internationalen Ranking für ein Hoch, Deutschland schoss auf Platz 3. Seitdem hat sich in Deutschland jedoch politisch nicht mehr viel in Sachen Gleichstellung getan, andere Länder haben politisch viel mehr in Gang gesetzt und Deutschland überholt.
Das gesellschaftliche Klima ändert sich
Ein anderer Grund für die erneute schlechte Platzierung ist laut "Spartacus" der Anstieg von trans- und homophoben Gewalttaten in Deutschland. Das kann auch Markus Apel vom Lesben- und Schwulenverband in Bayern bestätigen: "Die bayerischen Beratungsstellen vor Ort und die Menschen, mit denen wir in Kontakt stehen, sprechen immer häufiger von offener Gewalt und Diskriminierung." Laut Apel kann ein Grund dafür kann sein, dass Betroffene solcher Gewalttaten mehr Gehör finden und offener über Gewalt sprechen als früher. Aber auch das gesellschaftliche Klima habe sich verändert: "In den letzten Monaten und Jahren haben wir gemerkt, dass mit dem Erstarken der AfD und anderer Rechtspopulisten die Scham gesunken ist, sich verbal mit LGBTQI-Menschen auseinanderzusetzen, sie anzugreifen. Und das führt in den meisten Fällen zu ganz offener Diskriminierung, zu offener Gewalt – verbal oder körperlich."
Bayern hinkt hinterher
Solche Gewalttaten statistisch zu erfassen, ist jedoch nicht ganz einfach. Der Gay Travel Index stützt sich bei seinen Berechnungen auf Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen, denn in Deutschland erfassen nur die Bundesländer Berlin und Hamburg trans- und homophob motivierte Gewalttaten extra. Verlässliche Zahlen für ganz Deutschland gibt es also nicht, aber eine kleine Orientierung: Aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage des Grünen-Politikers Volker Beck aus dem Jahr 2017 geht hervor, dass die gemeldeten Angriffe der Kategorie "Sexuelle Orientierung" im Vergleich zum Vorjahr um circa 30 Prozent gestiegen sind.
In Berlin werden Gewalttaten mit homo- oder transphobem Hintergrund zwar polizeilich erfasst, aber auch dort ist die Problematik der Erfassung damit nicht vom Tisch: Die Polizei rechnet mit einer Dunkelziffer von bis zu 90 Prozent. Trotzdem steigen die Zahlen seit 2014 kontinuierlich und lagen für 2017 bei 324 Angriffen. Die aktuelle Zahl dürfte noch höher sein. In Bayern lässt sich die Zahl solcher Gewalttaten überhaupt nicht nachprüfen, es gibt keine Zahlen. Dabei wäre es eigentlich extrem wichtig, solche Gewalttaten gesondert aufzunehmen. Markus Apel vom LSVD sagt dazu: "Solche Zahlen aus der polizeilichen Statistik wären enorm wichtig, um sie als Argument nutzen zu können, der Gewalt entgegenzuwirken."
Generell ist die Situation in Bayern nicht besonders gut, was den Schutz der LGBTQI-Gemeinschaft angeht. Alle anderen Bundesländer haben bereits einen Aktionsplan für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt - nur Bayern nicht. Der wäre aber sehr wichtig, betont der LSVD, denn mithilfe so eines Aktionsplans könnte man die Bekämpfung von Gewalt zum politischen Ziel erklären.
Sendung: Filter vom 26.02.2019 ab 15 Uhr