Mehr Parteieintritte in Bayern "Das Fukushima des Rechtspopulismus"
Donald Trump ist Präsident. Die Welt ist (noch) nicht untergegangen, aber die Auswirkungen merkt man schon: Seit der US-Wahl sind mehr Leute einer Partei beigetreten. Ist nur die Frage, ob der Trump-Effekt lange anhalten wird.
Als Sebastian Carter erfahren hat, dass Donald Trump gewählt wurde, hat er eine Woche lang keine Nachrichten mehr geschaut. "Ich hatte keine Lust mehr auf schlechte Neuigkeiten", erzählt der 29-Jährige. Er ist US-amerikanischer Staatsbürger und hat für Hillary Clinton gestimmt.
Aber dann hat er überlegt: "Wie kann ich verhindern, dass in Deutschland so jemand wie Trump an die Macht kommt?" Protestieren hilft nichts - bleibt noch die Partei. Die SPD fand er schon immer gut, Sigmar Gabriel war ihm sympathisch. Sebastian war überrascht, wie einfach es ist, online einer Partei beizutreten. "Wenn jemand im Internet ein T-Shirt bestellen kann, dann kann er auch innerhalb von drei Minuten einer Partei beitreten. Und dann dachte ich, das probiere ich jetzt einfach aus."
Sebastian ist da nicht der Einzige. Normalerweise gewinnt die bayerische SPD so um die 90 neue Mitglieder im Monat. Vom 9. November bis Ende des Jahres waren es plötzlich 325. Bei den Linken sind 418 neue Mitglieder dazugekommen - davon 118 allein nach der US-Wahl. Auch die Grünen und die FDP haben vom Trump-Effekt profitiert. Bei der CSU sind die Zahlen gleich geblieben.
Der Trump-Effekt ist das Fukushima des Rechtspopulismus
Der Trump-Effekt ist nicht neu: Nach aktuellen Ereignissen interessieren wir uns eher für Politik. So war es zum Beispiel 2011 bei der Reaktorkatastrophe in Fukushima. Plötzlich waren alle gegen Atomkraft. Und die Grünen haben bei den folgenden Landtagswahlen mehr Stimmen abgesahnt, als erwartet.
"Der Trump-Effekt ist sozusagen das Fukushima des Rechtspopulismus", sagt Edgar Grande, Politikwissenschaftler aus München. Aber: Solche Effekte halten meistens nicht lange an. Grande glaubt sogar, dass einige Neumitglieder einen Realitätsschock kriegen, wenn sie merken, dass die konkreten politischen Möglichkeiten in den Parteien eher begrenzt sind. Denn die Organisationsformen sind oft starr und unflexibel - nicht gerade attraktiv für neue Mitglieder. Seit Jahren gehen die Mitgliederzahlen der Parteien zurück.
"Der Trump-Effekt ist nur ein Strohfeuer, wenn die Parteien sich nicht ändern."
Edgar Grande
Einzige Ausnahmen: Die FDP hatte 2016 zum ersten Mal seit langem mehr Eintritte als Austritte. Und die AfD bekommt seit ihrer Gründung jedes Jahr mehr neue Mitglieder.
Probleme wie Rassismus und Rechtsruck gibt es auch hier in Europa
In der Nacht vom 8. auf den 9. November hat Jona Reichenbach nicht geschlafen. Mit seinen Klassenkameraden verfolgte der 18-Jährige die Wahl - und konnte es nicht fassen, als das Ergebnis fest stand. Er wollte sich engagieren. Denn die USA sind gar nicht so weit weg. Rassismus, Rechtsruck, gespaltene Gesellschaft - solche Probleme gibt es auch in Europa.
Noch am selben Tag hat Jona alle Parteiprogramme durchgelesen. Für die Linke hat er sich entschieden, weil er von ihr am ehesten eine Veränderung erwartet. Seine größte Sorge: Dass alles gleich bleibt. Vor allem mit Blick auf die Bundestagswahl: "Es wird wieder darauf hinauslaufen, dass es eine rot-schwarze Koalition gibt. Und davor habe ich Angst. Denn diese Nichtveränderung wird die AfD stärken."
Seit November geht Jona regelmäßig auf Demonstrationen und zu Vorträgen. "Viele sind mit der Wahl in den USA unzufrieden", da ist sich Jona sicher. "Es ist wichtig, dass man sich nicht nur passiv auf Facebook damit beschäftigt, sondern wirklich aktiv wird." Sebastian von der SPD erwartet nichts Großes von seinem Parteieintritt. Aber er glaubt: Jedes Mitglied kann was ändern. "Ich bin zufrieden mit meinem Parteieintritt, wenn ich auf dem Marktplatz stehe, und mit ein paar besorgten Bürgern ins Gespräch über Politik komme."