Bayerns neues Digitalministerium Wieso wir Digitalministerin Judith Gerlach nicht wirklich feiern können
Dass mit Judith Gerlach ausgerechnet die jüngste CSU-Abgeordnete das neue Digitalministerium bekommen hat, wird vielerorts gefeiert. Aber ist sie auch die Richtige für den Posten?
So richtig auf dem Schirm hatte Judith Gerlach niemand. Nicht einmal sie selbst. Noch kurz vor ihrer Vereidigung zur ersten Bayerischen Staatsministerin für Digitales erklärte sie gegenüber der Presse: "Damit gerechnet habe ich nicht. Ich freue mich aber umso mehr, dass man mir das zutraut und dass ich in so einem zukunftsweisenden Bereich Verantwortung tragen darf." Judith Gerlach ist gerade mal 33 Jahre alt und plötzlich Ministerin. Das klingt nach einer mutigen Entscheidung. Gerlach ist jung, ambitioniert, weiblich. Nur, hat sie für den Posten auch die nötige Kompetenz?
Wirklich profiliert hat sich die Aschaffenburgerin bisher nicht. Thematisch arbeitet die Rechtsanwältin hauptsächlich im Sozial- und Europaausschuss. Was man sonst noch von ihr weiß? Sie ist junge Mutter und hat zwei kleine Kinder. Ihr Großvater saß für die CSU im Bundestag. Auf ihrer Homepage hat sie einen Fragebogen beantwortet: Da erzählt sie, dass sie Bayernfan ist, eine faule Hündin namens Ayla hat und gerne Mamas Schweinebraten isst. Das klingt authentisch, konservativ, bodenständig. Solche Sätze schreibt man als CSU-Politikerin. Das zeugt von politischem Instinkt. Nur zu digitalen Themen findet man nichts. Auf die Frage, wie sie zum Themenbereich ihres neuen Ministeriums stehe, antwortet sie bezeichnenderweise: "Ja, Digitalisierung ist jetzt sicher nicht mein Spezialbereich, aber ein absolutes Zukunftsthema."
"Twitter? Ich bevorzuge den persönlichen Kontakt"
Solche Äußerungen sollten einen eigentlich stutzen lassen. Trotzdem wird Judith Gerlach erstmal gefeiert. Endlich eine Frau. Sie gilt als sehr ehrgeizig und sie ist jung, noch immer die jüngste CSU-Abgeordnete im Landtag. Nur jung bedeutet nicht automatisch, dass man ein besonderes Faible für die digitale Welt haben muss. "Ich bin auf Facebook und Instagram unterwegs. Auf Twitter nicht", sagt Gerlich, "ich muss aber auch ganz ehrlich sagen, ich bevorzuge den persönlichen Kontakt und unter Leuten zu sein."
Sicher, eine Digitalministerin muss keine Influencerin sein. Sie sollte aber als Digitalministerin eine klare Vorstellung davon haben, welche Aufgaben und Probleme auf sie zukommen. Eine klare Meinung zu brennenden Themen wie Breitbandausbau, Mobilfunkversorgung oder digitale Bildung wäre auch nicht schlecht. Auf die Frage, was auf ihrer Agenda steht, antwortet Gerlach bisher eher ausweichend: "Ich kann's noch nicht wirklich genau sagen. Weil ich in den nächsten Tagen erfahren werde, wie genau der Zuschnitt ist und was das wirklich beinhaltet. Ich kenn das jetzt auch nur vom Zuruf her."
Der Hype um die junge Ministerin kaschiert einen anderen Missstand
Ministerin auf Zuruf. Ohne ausgemachte Fachkenntnis, ohne große politische Erfahrung und bisher ohne Vision für die digitale Zukunft Bayerns. Eine junge Frau unter diesen Umständen ein komplett neues Ministerium aufbauen und leiten zu lassen, ist eine sehr mutige Entscheidung, man könnte auch sagen: eine fahrlässige. Warum also hat sich die CSU für Gerlach entschieden? Klar ist: Mit dem medialen Hype um die jüngste Ministerin Bayerns hebelt Söder die Kritik aus, dass sein Kabinett zu alt und zu männlich sei. Helmut Schuhmacher, Geschäftsführer der CSU-Geschäftsstelle, sagt als Begründung zu ihrer Besetzung: "Judith ist jung, das allein ist schon eine gute Grundlage für diese Aufgabe." Allein das Alter sollte aber keine Rechtfertigung dafür sein, jemanden als Digitalministerin einzustellen.
Sendung: Filter, 14.11.2018 - ab 15.00 Uhr