Reisen, aber langsam bitte Wie zwei Bayern mit dem Moped nach Las Vegas fuhren
Julian und Thomas Wittmann aus Lengdorf wollten einfach mal raus aus Bayern. Deshalb sind die Brüder auf zwei alte 60er-Jahre-Mopeds gestiegen und haben sich nach Las Vegas aufgemacht. Auf ihrer Reise haben sie nicht nur viele Pannen überstanden, sondern auch den Ausläufern eines Hurricanes getrotzt und die Manhattan-Bridge lahmgelegt.
Von: Uli Knapp, Robin Köhler
Stand: 05.12.2018
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Knapp drei Monate waren Julian und Thomas Wittman auf ihren alten Zündapp-Mopeds unterwegs. Mit rund 40 km/h haben sie über 11.000 Kilometer hinter sich gebracht. Ein Kamerateam hat sie auf ihrer Reise begleitet, aus den Aufnahmen soll jetzt eine Kino-Dokumentation entstehen.
PULS: Wie kommt man auf die Idee, mit dem Moped nach Las Vegas zu fahren?
Julian: Das war vor ungefähr einem Jahr im Biergarten. Wir sind beide reisebegeistert und filmaffin, diese Leidenschaften wollten wir verbinden. Also entstand die Idee einer verrückten Reise, die wir gleich dokumentieren. Der Zielort sollte Amerika sein, weil uns das Land fasziniert. Dann wurde es Las Vegas. Uns gefiel der Gedanke: Von der kleinen Dorfwirtschaft raus in die Welt bis zur großen Dekadenzmetropole.
Thomas: Und mit dem Moped weil wir etwas Langsames zum fahren wollten, also raus aus der immer hektischer werdenden Welt. Am Anfang sollte es ein Bulldog werden. War aber schwierig und so kamen wir aufs Moped.
Ihr seid aber nicht in Lederhosen gefahren die ganze Zeit?
Julian: Doch, natürlich. Wir haben die komplette Reise in Tracht gemacht. Beziehungsweise, was jetzt noch davon übrig ist. Die Leute haben uns auf viel darauf angesprochen: Warum wir hier sind, während doch in Bayern gerade das Oktoberfest ist.
Thomas: Wir haben uns leicht verfahren, haben sie gemeint. (lacht)
Julian: Wir sind auch direkt in der Zeit dort gewesen, wo der Hurricane Michael an der Ostküste gewütet hat. Wir waren nicht direkt drin, haben aber Ausläufer davon mitbekommen. Und dann fährst du halt in deiner kurzen Lederhose in einem Hurricane-Ausläufer rum. Mit einem Moped…
In Erding seid Ihr gestartet. Aber dann musstet Ihr ja erst mal über den Atlantik rüber.
Thomas: Genau, wir sind nach Antwerpen gefahren, weil wir dort die Möglichkeit hatten, auf ein Containerschiff zu gehen. Dann waren mir mit den Mopeds zwei Wochen lang auf See, ohne Handy, ohne alles. Ich musste die ganze Zeit mit Julian reden, weil keiner da war… (lacht) Nein, aber es war verdammt spannend, mal zwei Wochen ohne alles. Da findet man schon irgendwie zu sich selbst.
Dann seid Ihr in New York angekommen. Wie ging es mit den Mopeds im krassen Straßenverkehr von Manhattan?
Thomas: Na, es hat gleich schön angefangen in New York. Wir haben nämlich die komplette Manhattan-Bridge lahmgelegt, weil unser Anhänger mit den Schlafsäcken und Benzinkanistern nicht mehr fahren konnte. Ich bin damit in so Straßenlöcher reingefahren und die Reifen waren komplett - ja wie sagt man – zerschleudert. Die hatten beide eine Acht drin und konnten nicht mehr fahren. Und dann haben wir mit vereinten Kräften Anhänger samt Mopeds von der Manhattan-Bridge geschoben. Hinter uns ein megamäßiger Stau. Am Ende hat dann schon die Polizei auf uns gewartet, weil sich Leute beschwert hatten.
Ihr hattet Schlafsäcke dabei. Heißt das, Ihr habt immer gezeltet?
Thomas: Das war am Anfang mal der Plan. Bis Arkansas oder so ging das auch, aber dann wurde es richtig kalt. Unsere Schlafsäcke haben eine Komfortzone bis sieben Grad. Bei der ersten Nacht mit -4 Grad wussten wir, wir müssen uns was überlegen.
Julian: Es ging aber auch nicht mehr wegen der wilden Viecher. Irgendwann kam eine Bäuerin zu unserem Lager, wir hatten schon unser Zelt aufgeschlagen. Sie hat gesagt, es sei gefährlich hier zu übernachten, weil es Braunbären und Wildkatzen gibt. Da haben wir uns dann doch ein Hotel gesucht.
Irgendwann seid Ihr dann in Las Vegas angekommen, also am Ziel. Was war das für ein Gefühl?
Thomas: Das war ein unglaubliches Gefühl. Kurz vorher sind wir über eine der letzten Bergketten gefahren. Da gab es einen Sonnenuntergang, sowas habe ich in meinem Leben noch nie gesehen. Dann hat jeder die Reise nochmal Revue passieren lassen, die ganzen Erlebnisse und Begegnungen. Und als wir dann schließlich das Las-Vegas-Schild sahen, habe ich wirklich Gänsehaut gehabt. Wir hatten so lange auf diesen Moment gewartet. Das war unbeschreiblich und es ist auch die eine oder andere Träne geflossen.
Wie ging’s Euren Mopeds am Ende?
Julian: Frag nicht. (lacht)
Thomas: Also meins ist am Ende noch halbwegs in Schuss gewesen. Aber Julians ist zum Schluss wirklich auseinandergefallen. In den letzten Tagen habe ich ihn jedes Mal in der Früh anschieben müssen oder irgendwas ist abgefallen.
Julian: Aber es hat durchgehalten. Zur Not hätte ich es auch in die Stadt geschoben.
Jetzt soll aus Eurer Geschichte ein Film entstehen. Wann gibt es den zu sehen?
Julian: Das wird jetzt nochmal ein langer Prozess mit der ganzen Postproduktion. Ungefähr im Herbst 2019 wollen wir den Film in die bayerischen Kinos bringen.
Was wollt ihr mit dem Film rüberbringen?
Julian: Es geht um das Ausbrechen aus dem alltäglichen Hamsterrad. Wir leben in so einer schnelllebigen Zeit, in der man es kaum noch schafft, das Leben zu genießen. Alles ist vorgegeben, vom Kindergarten über die Schule bis zur Ausbildung, dann Job und immer weiter Arbeiten bis zur Rente. Deshalb wollten wir jeden, der Bock hat, mitnehmen auf so eine Reise und den Mut geben, auch mal auszubrechen. Ob jetzt mit dem Moped nach Las Vegas oder etwas anderes. So verrückt das auch ist.
Für Euch persönlich: War es ein richtiges Ausreißen? Hattet Ihr nicht auch auf der Reise einen Alltag?
Thomas: Für mich war es das schon. Einfach mal nicht in der Früh aufzustehen und stattdessen machen, was man mag. Wir haben immer wieder die Entscheidung gehabt, fahren wir jetzt links oder rechts. Das war einfach schön. Und das habe ich von dem ganzen Trip mitgenommen: Dass man sich einfach trauen sollte.
Sendung: Filter am 04.12.2018 ab 15 Uhr