Bergferien statt Cluburlaub Warum es doch gut war, dass ich immer wandern musste
Strand, Meer und Cluburlaub inklusive mit Animateur und Pommes ohne Ende? Das gab’s in meiner Familie nie. Nur Südtirol oder Gardasee. Als Kind fand ich’s unfair, jetzt bin ich froh – denn die Berge haben mir viel mitgegeben.
"Voll super, wir fliegen in den Sommerferien ins Magic Life Hotel in die Türkei! Und du, Claudia?"
"Ähm... Wir fahren nach Südtirol, in eine Ferienwohnung und gehen Wandern."
"Aber das habt ihr doch letztes Jahr schon gemacht?!"
"Ja…"
So oder so ähnlich liefen die Gespräche immer ab – Mitte der 90er, draußen auf dem Pausenhof, ein paar Wochen vor den großen Ferien. Das Einzige was immer wechselte, waren die Reiseziele meiner Freundinnen: Türkei, Spanien, Teneriffa, Ägypten. Genau wie in den Gesprächen entwickelte ich auch gegenüber dem Wandern eine gewisse Gleichgültigkeit. War halt so. Und es blieb mir lang unerklärlich, wie man in den Ferien, der schönsten Zeit des Jahres, freiwillig so etwas Anstrengendes tun konnte: die ganze Zeit bergauf gehen. Erträglich war ich für meine Eltern nur, wenn’s einigermaßen flach entlang ging, wir auf Anhieb die richtigen Abzweigungen erwischten und die Route nicht spontan doppelt so lang wurde. Das Highlight – und auch das einzige Erlebnis, das mein Urlaub und der meiner Freundinnen gemeinsam hatten – war ein großes Eis am Ende jeder Wanderung, als Belohnung.
Jetzt, mit genügend Abstand, nach ein paar Jahren pubertärer Berg-Abstinenz und der "einmal-und-nie-wieder"-Cluburlaub-Erfahrung kurz nach dem Abi weiß ich: So schlimm war’s gar nicht! Denn das Wandern in Südtirol, der Urlaub am Gardasee und die gefühlt endlosen Radtouren durch Österreich haben mir mehr gegeben und mich mehr geprägt als es jeder Cluburlaub in der Türkei gekonnt hätte.
So viel wie möglich, alles auf einmal und am besten immer? Nö.
Unmengen futtern for free, den ganzen Tag Dauerbeschallung mit Macarena und 24-Stunden-Bespaßung durch Animateure? Das mag vielleicht ganz schön sein als Kind, aber nicht die Art von Erlebnis, die dir die Tür zu einem bewussten Lebensstil aufmacht. Die Berge schon mehr. Da hab ich gelernt: Fleiß wird belohnt, wenn man was durchzieht, dann lohnt sich das meistens, und auch grenzenlose Ruhe kann man als überdrehtes Kind aushalten und später sogar genießen lernen. Die erste Lektion in bewusstem Konsum und Nachhaltigkeit gab's bei meinem Bergurlaub also schon mit dazu. Und die Erkenntnis: Das Eis, das man sich "erwandern" muss, schmeckt sicher tausend Mal besser als das dritte gratis Softeis im All Inclusive Urlaub.
Mainstream ist bequem, bringt dich aber nicht weiter
Wer als einziges Kind in der Klasse nicht über die Ferien wegfliegt und nicht mal ans Meer fährt, ist schon erst mal geknickt. Gar nicht nur wegen der fehlenden Meer-Experience, sondern viel mehr, weil ich damit meistens die Einzige war und ein bisschen zur Außenseiterin wurde. Wer weiß, vielleicht hätte ich den Cluburlaub sogar Panne gefunden, aber das war nun mal das, was alle erlebt haben – und ich hätte immerhin mitreden können. Mit der Zeit war das aber ok und ich hab' gemerkt, dass es erträglich und manchmal auch ganz normal ist, wenn man was ganz anders macht als die Masse. Und genau diese Erfahrung hat mir oft geholfen, wenn's drum ging eine Entscheidung zu treffen und Dinge nicht nur zu tun, weil sie alle machen. Denn ich wusste ja, dass den Urlaubserzählungen auch nie länger als zwei, drei Tagen gebannt gelauscht wurde.
Die Alpen sind geiler als Strände der Welt zusammen – und näher
Als ich nicht mehr Wandern musste, ging's ab an den Strand – nicht nur für die "einmal-und-nie-wieder"-Cluburlaub-Erfahrung kurz nach dem Abi. Auch während meines Studiums bin viel gereist, viel mit Meer, viel am Strand: Mexiko, Indien, Portugal und und und. Aber selbst der schönste, feinste Karibik-Sandstrand zaubert mir nicht so ein Grinsen ins Gesicht wie der Blick auf ein Bergpanorama. Dieses besondere Gefühl, diese Tiefenentspannung bekomm' ich nur in den Bergen – und deswegen sind die Alpen für mich geiler als alle Traumstrände dieser Erde zusammen. Und auch noch viel näher: Für meine Auszeit muss ich mich nur zwei Stunden in den Zug setzen und schon ist alles gut.
Und deswegen bin ich verdammt froh, dass ich wandern musste – denn sonst hätte ich meinen liebsten Ort für jegliche Freizeit erst viel später gefunden.
Sendung: PULS Spezial, 07.05.2016 - ab 18 Uhr