Extrembergsteigerin Tamara Lunger "Je mehr ich leide, desto zufriedener bin ich"
2014 hat Tamara Lunger den K2 bestiegen, jetzt steht der Nanga Parbat im Winter an. Wir waren mit Tamara in Südtirol wandern und haben mit ihr darüber gesprochen, wieso sie so gerne leidet und was ihr die Berge bedeuten.
PULS Playground: Wann hattest du zum ersten Mal den Wunsch, die höchsten Gipfel zu besteigen?
Tamara Lunger: Ungefähr mit 15. Mich hat damals fasziniert, dass man nach einem Tag am Berg abends total kaputt ins Bett fällt und das war ein gutes Gefühl. Und weil ich die Berge liebe und erkannt habe, dass das der Sport ist, der zähsten und am schwierigsten ist, hab ich mir gedacht, dass ich genau das irgendwann machen will.
Du hast also eine Herausforderung gesucht?
Genau. Ich muss ständig meine Limits pushen, will sehen, was ich schaffen kann und was mein Körper noch alles packt.
Und warum wolltest du ausgerechnet auf den K2, einen der schwierigsten Berge?
Um ehrlich zu sein: das war aus Liebeskummer.
Verstehe, deswegen wolltest du dich so richtig auspowern?
So ungefähr. Ich hab' was gebraucht, das meine komplette Aufmerksamkeit fordert und da erschien mir der K2 gerade richtig.
Wie lange hast du dich darauf vorbereitet?
Naja, ich bereite mich ja ständig vor. Ich mache Expeditionen in dieser Größenordnung zwei bis drei Mal im Jahr und deswegen bin ich ständig am Trainieren, das ist ganz normal für mich. Deswegen habe ich keine spezielle Vorbereitungsphase gebraucht.
Ok. Aber die Route planen, packen und so Zeug musstest du ja schon machen?
Klar, das natürlich schon. Außerdem musst du erst mal den ganzen bürokratischen Quatsch erledigen und das ist das, was am aufwändigsten ist. Aber dabei bekommt man zum Glück meistens von einer Agentur vor Ort, in dem Fall in Pakistan, Unterstützung.
Du hast den K2 ohne Sauerstoff aus der Flasche und ohne Sherpas bestiegen. Das schaffen nicht viele und noch seltener Frauen. War das auch ein Ansporn?
Nein, das war überhaupt kein Ansporn. Ich sehe mich persönlich auf diesen hohen Bergen als Bergsteiger und nicht primär als Frau. Mit der Zeit nähert man sich den Männern immer mehr an. Sie erzählen einem auf den Expeditionen zum Beispiel ihre Frauengeschichten und dann ist man "einer" von ihnen.
Über deine Expedition auf den K2 gibt's auch einen Film, der genau wie du heißt: "TAMARA". Man sieht darin auch, dass es dir ziemlich schlecht geht. Wie hast du dich motiviert, trotzdem weiterzugehen?
Die Berge sind zur Zeit alles für mich. Das klingt zwar echt schrecklich, wenn ich das so ausspreche, aber nichts kann mir so viel geben, wie die Berge. Sie können mich nicht enttäuschen und wenn sie mich doch enttäuschen, dann hab' ich wahrscheinlich einen Fehler gemacht, weil ich mich falsch verhalten oder das Wetter nicht richtig eingeschätzt habe. Und wenn ich dann bei einer Expedition allein schon den Berg sehe und ein gutes Gefühl habe, dann hilft mir das weiterzugehen und ich denk ich mir: "Komm, das geht schon!".
Klingt so, als hättest du ziemlich gelitten bei der K2-Besteigung.
Ja, hab' ich am Anfang auch. Aber je mehr ich leide, desto zufriedener werde ich. Ich weiß, ich bin da ein bisschen speziell… Aber wenn du am Ende oben stehst, und um dich rum sind nur Bergsteiger mit Sauerstoffflaschen und du hast es ohne geschafft, dann ist das schon geil.
Den schwierigsten Berg der Welt hast du geschafft. Was kommt jetzt?
Naja, es gibt ja noch mehrere 6000er oder 7000er, die noch unbestiegen sind und auch technisch noch anspruchsvoller sind.
Hast du dir schon einen konkreten Berg vorgenommen?
Den Nanga Parbat im Winter und zwar auf einer Route, die Reinhold Messner in 2000 schon versucht hat. Der Nanga Parbat ist noch einer von zwei 8000ern, die im Winter noch unbestiegen sind. Seit 30 Jahren versuchen das diverse Bergsteiger, und eh klar, jetzt will ich das natürlich auch versuchen.
Ganz viel Erfolg dabei!
Den Film "TAMARA"
gibt's bei der European Outdoor Film Tour 2015/2016 zu sehen. Hier findet ihr alle Tourstopps und eine Übersicht über aller Filme und Dokus der E.O.F.T.