Bayern 2 Salon Thomas Willmann: "Der eiserne Marquis"
heute, 14.12.2024
14:05
bis 15:00 Uhr
- Als Podcast verfügbar
BAYERN 2
Die Stunde Null einer großen Liebe - und eines tiefen Falls
In seinem großen Roman „Der eiserne Marquis“ erzählt der Münchner Schriftsteller Thomas Willmann von einem Uhrmacher aus dem Zeitalter der Aufklärung - und vom Verrat der Vernunft infolge heftiger Eifersucht.
Lesung mit Udo Rau
"Unwürdig war ich! Unwürdig jedes Blickes, jedes Worts - geschweige denn eines wohlwollenden - dieser Göttin! Und gerade daran hatte ich mich letztlich entflammt - an ihrer Unerreichbarkeit. Daran, dass alles sie in Sphären enthob, welche mir verschlossen, verboten waren …"
Gemessen an den Umständen seines Lebens hat der Mann, der sich eines Tages Jacob Kainer nennt, Glück: Er wächst in vergleichsweise bescheidenen Verhältnissen auf, die Mutter starb bei seiner Geburt, der Vater ist ein strenger Schulmeister, geprägt von pädagogischer Härte. Dem Sohn gelingt es, dieser Welt zu entkommen und - ausgestattet mit einer großen Begabung für feinste mechanische Arbeiten - eine Lehre als Uhrmacher in Wien zu beginnen, in der Werkstatt des Meisters Servasius Weisz. Während eines Besuchs bei einem Kunden, einem eitlen Grafen, begegnet der Lehrling dessen Tochter Amalia - ein Wendepunkt in seinem Leben, einer von mehreren entscheidenden und einschneidenden.
In seinem Roman „Der eiserne Marquis“ erzählt der Schriftsteller Thomas Willmann auf über 900 Seiten eine Geschichte aus dem 18. Jahrhundert, dem Zeitalter der Aufklärung. Seine Hauptfigur, aufgewachsen in der Provinz des Habsburger Reiches, wird weit durch das damalige Europa geschickt: Nach einer Verzweiflungstat flieht er aus Wien, gibt sich den Namen Jacob Kainer und wird Soldat bei der Preußischen Armee. Als er infolge einer Verwundung ins Lazarett in Frankreich muss, lernt er dort einen rätselhaften geheimnisvollen Adeligen kennen. Der Marquis, ein Anhänger der Aufklärung, nimmt ihn mit nach Paris und betraut ihn mit dem Bau mechanischer Apparaturen. Zugleich gerät Jacob dort in eine dunkle Gegenwelt - und muss erleben, wie er der Vernunft, dem großen Leitwort der Epoche, mehr und mehr abschwört. Der tiefe Fall geht weiter.
„Ich hatte schon immer eine große Faszination für mechanische Figuren und Androiden“, erzählt Thomas Willmann im Gespräch. „Diese hatten im 18. Jahrhundert eine große Konjunktur. Es gab Uhrmachermeister, die menschenähnliche Geschöpfe konstruiert haben, die zum Beispiel Musik machen konnten.“ Darüber sei er, ein Fan der Schauerromantik und von Autoren wie Edgar Allen Poe zum Zeitalter der Aufklärung gekommen. „Alles hängt mit allem zusammen“. Thomas Willmann, bekannt geworden mit seinem Roman „Das finstere Tal“, erzählt diese in verschiedener Hinsicht gewaltige Geschichte zudem in einer historisierten Sprache. Für seine epische Vermessung des 18. Jahrhunderts wurde er mit dem Tukan-Preis der Stadt München ausgezeichnet.
Thomas Willmanns Roman „Der eiserne Marquis“ ist im Münchner Liebeskind-Verlag erschienen. Für den SWR hat der Schauspieler Udo Rau - in der Regie von Günter Maurer - die große Geschichte als Hörbuch eingelesen, mit einer Länge von insgesamt 41 Stunden. Das Mammutprojekt ist zu finden in der ARD Audiothek. Im Bayern 2-Podcast „Buchgefühl - reden und lesen“ präsentieren wir an gleicher Stelle einen Auszug aus der Lesung - die schicksalhafte Begegnung mit Amalia - und ein Gespräch mit Thomas Willmann, mit freundlicher Genehmigung von Liebeskind-Verlag und SWR.
Redaktion und Moderation: Niels Beintker