Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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17. Februar 1673 "Der eingebildete Kranke" erleidet einen Schwächeanfall

Der eingebildet Kranke" ist eines der berühmtesten Theaterstücke Molières und zugleich sein letztes. Zentrales Thema: lachen über den Tod, lachen über den Hypochonder und lachen über die Mediziner. Lachen: Deshalb ging Molière auf die Bühne, auch wenn ihm selbst gar nicht gut war. Autorin: Justina Schreiber

Stand: 17.02.2022 | Archiv

17.02.1673: "Der eingebildete Kranke" erleidet einen Schwächeanfall

29 Oktober

Montag, 29. Oktober 2012

Autor(in): Name

Sprecher(in): Name

Illustration: Angela Smets

Redaktion: Thomas Morawetz

War er am Ende wirklich krank, dieser nervige Dauer-Simulant? Kaum zu glauben. Auf jeden Fall toll gespielt, wie er da gegen Ende des Stückes theatralisch zusammenbrach! Oder gab es hier etwa tatsächlich ein Problem, einen medizinischen Notfall, der sich real ereignete und nicht fiktiv beziehungsweise im Sinne der Story nur gespielt war?

Effektvoll, da echt!

Das Publikum soll damals eine Weile herumgerätselt haben, als der Autor, Regisseur und Hauptdarsteller der Komödie "Der eingebildete Kranke", also Molière höchstpersönlich, am 17. Februar 1673 mitten auf der Bühne einen äußerst effektvollen, aber leider echten Schwächeanfall erlitt. Die letzten Stunden des französischen Dramatikers im Rahmen seiner eigenen, perfekt passenden Theaterinszenierung bilden ein in der Bühnengeschichte einzigartiges Ereignis. Wie sich die höhere Gewalt hier geschickt, fast beifallheischend in die Inszenierung fügte! Was wäre bloß gewesen, wenn Molière in der Rolle dieser hypochondrischen Nervensäge namens Argan gleich in der ersten Szene Blut gespuckt hätte, als er dessen horrende Apothekerrechnungen durchging, das Klistier gegen Blähungen für so und so viel Franc, die schmerzstillende Tinktur für so und so viel Franc und so weiter… hust, hust, hust. Der Abbruch der Vorstellung wäre ein Fiasko gewesen für die ganze Truppe. Schließlich hingen 50 Leute von Molière und den Abendeinnahmen ab. Deshalb hatte er sich damals ja auch ins Theater geschleppt, trotz seiner Magenschmerzen, trotz der totalen Erschöpfung. Für die Rolle des eingebildeten Kranken passte das schon. Und was die Ärzte meinten… Pustekuchen!

Anders als sein Held hielt der Vergnügungsunternehmer nämlich die Herren Doctores und Pharmazeuten für Geldabschneider, die sich die Not der Menschen zu Nutze machten. Hätte er mal ein bisschen auf die Warnungen gehört. Aber nachher ist man immer schlauer. Außerdem meinte es das Schicksal ja recht gnädig, als es den irdischen Abgang des rastlosen Theaterchefs erst nach der 23. Szene des dritten Aktes einläutete, kurz vor Schluss gewissermaßen.

Ein Leben fürs Theater

So bekam Molières Ruhm und Nachruhm diesen ganz besonderen Glanz. Unbestreitbar, nämlich coram publico, hatte er sein Leben für das Theater gegeben, nicht nur metaphorisch. Der Lehnstuhl, in dem das vorletzte Stündlein des 51-Jährigen schlug, wird bis heute in Paris, in der Comédie-Française, als heiliges Requisit verehrt. Und zu Recht. Molière hielt sich nicht mit Süßmolke-Kuren und Darmspülungen auf. Er arbeitete nicht an einer guten Work-Life-Balance, sondern transformierte seine Zipperlein vielmehr in gewinnbringende Theaterstücke. Gut nur, dass das Burnout nicht am Hofe Ludwig XIV., sondern erst im 20. Jahrhundert erfunden wurde. Wie stressig Molières Leben unterm Strich wirklich gewesen ist, lässt sich heute nicht mehr ermessen. Aber so viel ist klar: die Wahrscheinlichkeit, dass ihn der Tod in der Schlange an der Käsetheke angetroffen hätte, ging gegen Null. Es war absolut konsequent, dass der Sensenmann hinter der Bühne auf den richtigen Moment seines Auftritts wartete. Molière musste dann nicht einmal aus der Rolle fallen, um die Regie, sprich: die Löffel, für immer abzugeben.


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