Bayern 2 - Die Welt am Morgen


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Ende der Welt - Die tägliche Glosse Schröder auf Ego-Trip

Gerhard Schröder verlässt das Haus nie ohne ausreichend strapazierfähigen Gesprächsstoff, mit dem er andere zusammenfalten kann. Notfalls dampft er unansehnliche Stellen mit Zigarren auf. Selbstverständlich nur, wenn er nicht gerade im Fernsehen ist. Dann bügelt er lieber auf dem Golfplatz, und zwar alles, sogar nieder, wie derzeit in der ARD-Mediathek zu erleben ist. Die Doku begleitet Schröder sozusagen auf seiner Reise mit dem inneren Rollkoffer, und das wirklich Verblüffende daran: Immer, wenn er ihn über die SPD zieht, macht es genauso viel Lärm wie ein handelsübliches Exemplar auf Kopfsteinpflaster. Eine Glosse von Peter Jungblut.

Von: Peter Jungblut

Stand: 04.04.2024

Das Schönste am Ego-Trip ist ja, dass man dafür nicht extra packen muss, egal, ob es nur ein Wochenende sein soll oder gleich der ganze Sommer. Betroffene haben nämlich grundsätzlich immer alles dabei: Bügelfreies Selbstbewusstsein, atmungsaktiven Narzissmus und für jeden Tag zwei frische Ausreden. Wechsel-Komplimente für feierliche Anlässe halten sie natürlich sowieso stets parat: Bei formellen Auftritten loben sie sich ja erst beruflich, dann privat, was allerdings meist farblich aufeinander abgestimmt ist.

Gerhard Schröder zum Beispiel verlässt das Haus nie ohne ausreichend strapazierfähigen Gesprächsstoff, mit dem er andere zusammenfalten kann. Notfalls dampft er unansehnliche Stellen mit Zigarren auf. Selbstverständlich nur, wenn er nicht gerade im Fernsehen ist. Dann bügelt er lieber auf dem Golfplatz, und zwar alles, sogar nieder, wie derzeit in der ARD-Mediathek zu erleben ist. Die Doku begleitet Schröder sozusagen auf seiner Reise mit dem inneren Rollkoffer, und das wirklich Verblüffende daran: Immer, wenn er ihn über die SPD zieht, macht es genauso viel Lärm wie ein handelsübliches Exemplar auf Kopfsteinpflaster. Aber Schröder war ja bekanntlich noch nie mit Gummireifen unterwegs, sondern eher mit Zahnrädern. Deshalb hat er auch bis heute das Gefühl, dass es mit ihm steil bergauf geht.

Ersatzweise hätte Schröder bis vor kurzem sein Fotoporträt in der Galerie der Parteivorsitzenden bewundern können, aber das wurde angeblich abgehängt

Zurzeit macht er übrigens eine kleine Verschnaufpause auf Höhe seines Lebenswerks und lehnte trotz seiner bald 80 Lebensjahre jegliche Art von Geh-Hilfe ab. Er will die verbleibenden Meter bis zum nächsten Aufsichtsratsgipfel offenbar ganz ohne Moralkrücken schaffen und als erster Mann in die Geschichte eingehen, der den Kreml ohne den Einsatz von Kletterkreide erreicht hat. Erstens gerät Schröder nie ins Schwitzen, zweitens kann er sich bei Überhängen und senkrechten Abschnitten auf sein Gewissen verlassen. Das ist offenbar so rau wie Sandpapier und schmirgelt glatte Oberflächen und rutschige Interviews nahezu mühelos.

Das erklärt übrigens auch, warum die SPD seit Schröder jeglichen Glanz verloren hat. Das ärgert keinen mehr als ihn selbst: Erst neulich wollte er sich in ihr spiegeln und musste feststellen, dass sie komplett blind geworden war. Ersatzweise hätte Schröder bis vor kurzem sein Fotoporträt in der Galerie der Parteivorsitzenden bewundern können, aber das wurde angeblich abgehängt. Seit Kevin Kühnert entscheidet, was im Rahmen bleibt, muss Schröder ganz alte Aufnahmen herauskramen, um sich überhaupt noch als Sozialdemokrat zu erkennen. Aber wenigstens der Rotwein und Oskar Lafontaine sind meist noch gut erkennbar.

Wohin der derzeitige Egotrip Schröder führen wird, weiß niemand so genau. Sein Reise-Necessaire enthält jedenfalls Interview-Clips zum Zurechtstutzen des Bundespräsidenten und der Außenministerin, und sogar ein praktischer Taschenrasierer ist dabei, um die Evangelische Kirche von lästigen Predigt-Stoppeln zu befreien. Wie sagte Schröder auf seiner Pilgerfahrt durch die erwähnte ARD-Doku? „Da waren auch nicht nur Engel am Werk.“ Das ist in Hannover offenbar ganz anders.


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