Hip-Hop in Ägypten Wie Rap-Artists in Ägypten die Klassenfrage überwinden wollen
In Ägypten ist Hip-Hop eher nicht die Musik der Ausgegrenzten, sondern der Mittel- und Oberschicht. Doch das könnte sich jetzt ändern – durch neue Kollaborationen zwischen Stars und den Künstler*innen der Straße.
Von: Nabila Abdel Aziz
Stand: 25.08.2023
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Einer der erfolgreichsten Rapper Afrikas und des arabisch-sprachigen Raums ist in Deutschland fast völlig unbekannt: Marwan Moussa ist 28 Jahre alt, halb deutsch, halb ägyptisch. Bei den „All Africa Music Awards“ in Dakar, Senegal, räumte er dieses Jahr gleich drei Titel ab: bester afrikanischer Rapper, bester Breakthrough-Künstler und bester Künstler im afrikanischem Hip-Hop.
Ägypten war lange Zeit das kulturelle Powerhouse der Region – in Sachen Hip-Hop ist es das noch immer und von Dakar bis Maskat hören Menschen ägyptischen Hip-Hop.
Die Revolution brachte den Rap in die Musikszene
Lange dominierten in Ägypten vor allem romantische Schnulzen die Musik. Die einzige Form von Underground waren Rock und Metal. Das verändert sich um die Zeit der Revolution 2011: In diesen Jahren platzt Hip-Hop in die ägyptische Musikszene. Doch anders als in den USA, Frankreich oder Deutschland. Dort ist Hip-Hop die Musik der Straße, oft ein Sprachrohr der von der Gesellschaft Ausgegrenzten. In Ägypten dagegen: Fehlanzeige.
Hip-Hop kommt hier aus der Mittelschicht und Oberschicht: Abyusif, Marwan Pablo, Marwan Moussa, Afroto – von Menschen, die ähnlich gut Englisch sprechen wie Arabisch, in wohlhabenden Vierteln wie Maadi oder Zamalek großgeworden sind und ihre kulturellen Referenzen aus US-amerikanischen Songs und Filmen haben.
Mahraganat: Die Musik der Straße
Gleichzeitig ist in der ägyptischen Hip-Hop-Community verbreitet, die Musik abzulehnen, die wirklich von den Straßen Ägyptens kommt, aus den Slums Kairos: Mahraganat, ein am Computer gemixter Misch-Masch von Auto-Tune-Rap, lokalen Rhythmen und provozierenden Texten.
Es ist Musik aus den ärmsten Vierteln Kairos, am Anfang ohne Profi-Produzent*innen oder Profi-Equipment. Die jungen Menschen aus den prekären Bezirken Kairos haben sich damit ihren eigenen Sound erfunden. Oft profan, manchmal politisch, immer hart an der Grenze zum gesellschaftlich Akzeptierten.
Deswegen ist bei vielen Mitgliedern der reicheren sozialen Schichten Mahraganat verpönt. In den meisten Songs geht es vor allem darum, high zu sein, sich gehen zu lassen. Immer wieder wiederholen Mahraganat-Musiker den Satz: „walaha, hanikhribha“; ganz wortwörtlich: Wir zünden es an“.
Musik als Ventil für überschüssige Energie
“Es ist wirklich rau und es drückt die Existenz-Angst aus, die wir über Jahrhunderte aufgebaut haben, weil wir so oft kolonialisiert worden sind. Und weil wir mit dem Ausgang der Revolution nicht wirklich zufrieden sind”, erklärt Felukah, eine der wenigen Rapperinnen, die es in dem noch sehr dominierten Männer-Genre Hip-Hop in Ägypten geschafft haben.
"Die Menschen haben einfach so viel überschüssige Energie. Das ist der Grund, warum auf den Mahraganat-Parties vor allem Männer zwischen 17 und 25 sind. Und diese Typen springen wie verrückt herum, flippen komplett aus."
Rapperin Felukah
Felukah ist fasziniert von Mahraganat und möchte mit ihrer Musik ähnliche Räume des sich Gehen-Lassens für Frauen schaffen.
Neue Kollaborationen bringen beide Welten zusammen
Bleibt Hip-Hop also eine Musik der Ober- und Mittelschicht? Nicht ganz. Der neueste Trend ist ein Mix aus beiden Richtungen Hip-Hop und Mahraganat – denn Rapper*innen haben gemerkt: Nur so ist ihre Musik in Ägypten wirklich anschlussfähig. Hip-Hop-Superstar Wegz nimmt zum Beispiel die Mahraganat-Band El-Sawareekh mit auf seine Welttour. Und er geht noch einen Schritt weiter und vermischt seinen Rap mit Afro-Beats – um seine Musik wirklich auf ägyptischem, afrikanischen Boden zu verankern.