Onkel Wilfried und die Familie an sich
Von Barbara Bogen
Die schlimmsten Besuche bildeten wohl die meines äußerst temperamentvollen inzwischen natürlich längst seligen Onkels Wilfrieds mit seiner Familie, der mit Vorliebe sein Rotweinglas auf der heiligen Couchgarnitur meiner Mutter niederließ, während er leidenschaftlich und voller Elan gestikulierte und dauermonologisch erzählte und das gefürchtete Glas auf dem Sofa neben ihm seinen Bewegungen folgte, wippte, schwankte, schaukelte und meine Cousinen um meinen Onkel herumsprangen und so für zusätzliche Gefährdung der heiligen Couch sorgten.
Da Onkel Wilfried allerdings ein namhafter, äusserst charismatischer, wenngleich auch ein ganz klein wenig zwielichtiger Rechtsanwalt in meiner schönen Heimatstadt Bremen war, traute sich niemand aus meiner Familie vor lauter Ehrfurcht etwas dazu zu sagen, auch meine dabei tausend Qualen erleidende Mutter nicht.