23

Besiedlung Zentraleuropas Mensch kam früher nach Europa

Der moderne Mensch wanderte anscheinend schon deutlich früher nach Zentraleuropa ein als bisher vermutet. Darauf weisen archäologische Funde in Österreich hin.

Stand: 23.09.2014 | Archiv |Bildnachweis

Forscher des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und der Universität Cambridge vermuten, dass bereits vor 43.500 Jahren moderne Menschen in Zentraleuropa gelebt haben. Das wäre über 3.000 Jahre früher als bisher gedacht.

Mangel an Hinterlassenschaften

Der Homo sapiens breitete sich vor mindestens 40.000 Jahren in Europa aus, vielleicht aber schon viel früher. Allerdings kann man nur mit archäologischen Funden genauer bestimmen, wann der moderne Mensch in Europa erschien. Doch es gibt kaum Skelettreste aus der jüngeren Altsteinzeit. Ein weiteres Indiz für den Homo sapiens sind Werkzeuge aus der archäologischen Kultur des Aurignacien.

Archäologische Kultur

Alles was Menschen erschaffen haben, also ihre Geräte, Werkzeuge, Kleidung und Bauten, wird materielle Kultur genannt. Sie unterscheidet sich je nach Ort und Zeit sehr stark. Die archäologische Kultur ist ein räumlicher und zeitlicher Abschnitt der materiellen Kultur.

Aurignacien ist der Name der ältesten archäologischen Kultur des Jungpaläolithikums, also des jüngeren Abschnitts der eurasischen Altsteinzeit. Diese Kultur war vor 40.000 bis 31.000 Jahren in einem Gebiet beheimatet, das von Spanien bis zur Krim und von Süditalien bis nach Südengland reichte.

"Es sind beispielsweise Überreste des Homo sapiens gefunden worden, die eindeutig der Kultur des Aurignacien zugeordnet werden können. Daher denken wir, dass es sich bei dieser Kultur um einen guten Indikator für die Präsenz des modernen Menschen handelt."

Bence Viola, Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie

Werkzeuge in Willendorf

Berühmter Fund: die Venus von Willendorf (Kopie)

Das internationale Forscherteam untersuchte Steinwerkzeuge und ordnete sie eindeutig der archäologischen Kultur des Aurignacien zu. Allerdings sind die Werkzeuge 43.500 Jahre alt. Also älter als alle bekannten Fundstücke dieser Kultur. Zudem fanden die Ausgrabungen in der Fundstätte der Venus von Willendorf in Österreich statt. Das heißt: Der moderne Mensch bewohnte vermutlich bereits vor 43.500 Jahren die Gegend nördlich der Alpen und kam dabei in Kontakt mit den Neandertalern.

"In Willendorf konnten wir das frühe Aurignacien auf ein Alter von 43.500 Jahren datieren, um einiges früher als anderswo. Darüber hinaus überschneidet sich das mit direkt datierten Überresten von Neandertalern."

Philip Nigst, University of Cambridge

Streit der Forscher

Das internationale Forscherteam entdeckte 43.500 Jahre alte Werkzeuge. Das Aurignacien begann also schon früher als bisher gedacht. | Bild: Willendorf Projekt, Philip R. Nigst und Bence Viola

Ausgrabungsarbeiten des Forscherteams

Wie der Kontakt zwischen modernem Menschen und Neandertaler ausgesehen hat, wird heiß diskutiert. Die Neandertaler waren kulturell ähnlich weit entwickelt wie der Homo sapiens, sagen die einen. Die Ähnlichkeiten traten erst auf, als die zwei Arten aufeinandertrafen, meinen andere Forscher.

"Die neuen Daten aus Willendorf zeigen deutlich, dass moderne Menschen schon im heutigen Österreich lebten, als Teile Europas noch von Neandertalern besiedelt waren. Die beiden Arten trafen also möglicherweise aufeinander, und es kam zu einem Partner- und Ideenaustausch."

Philip Nigst, University of Cambridge

Kühles Klima begrüßt die neuen Europäer

Der Boden, in dem die Steinwerkzeuge gefunden wurden, verrät etwas über das Klima, in dem der moderne Mensch damals lebte. Es handelte sich laut den Forschern um ein kühles, steppenähnliches Klima mit Nadelholzwäldern entlang von Flusstälern.

"Diese frühesten Siedler waren also bereits an verschiedene klimatische Bedingungen angepasst, für die sie verschiedene Überlebensstrategien benötigten."

Philip Nigst, University of Cambridge

Schneckenreise in die Steinzeit

Nicht nur die verschiedenen Gesteinsschichten sagen etwas über das Klima aus, auch bestimmte Schneckenarten (Mollusken) verraten, ob es warm oder kalt war. Die Schnecken reagieren sehr empfindlich auf Veränderungen von Temperatur und Feuchtigkeit. Schon bei kleinsten Klimaunterschieden kommen ganz andere Arten vor.

Studien: Wie der Mensch zum Menschen wurde

Orrorin tugenensis - "Millennium Man" aus Kenia

Orrorin tugenensis ist eine ausgestorbene Menschenaffenart, die vor sechs Millionen Jahren in Kenia vorkam. Das beweist die Untersuchung eines gut erhaltenen Oberschenkelknochens. Aufgrund seiner Entdeckung im Jahr 2000 wird der Menschenaffe auch als "Millennium Man" bezeichnet. Da Orrorin tugenensis bereits aufrecht gehen konnte, wird er in die Reihe der Gattung Hominini gestellt. Forscher gehen davon aus, dass O. tugenensis zwar noch Bäume erklomm, sich am Boden aber auf zwei Beinen fortbewegte. Der moderne Mensch hat sich aber wohl nicht direkt aus ihm entwickelt, wie zunächst angenommen.







23