Der Lotuseffekt Bionik - der Natur abgeschaut
Kennt ihr den Lotuseffekt? Er ist ein Klassiker der Bionik: Wasser und Schmutzpartikel perlen von der Lotusblume einfach ab. Das können wir Menschen nicht nur bewundern, sondern auch nutzen und davon lernen.
Der Bonner Botaniker und Bioniker Wilhelm Barthlott machte in den 1970er-Jahren eine wichtige Entdeckung: Die Blätter der im fernen Osten beheimateten Lotusblume sind immer sauber. Sie haben die Eigenschaft, sich selbst zu reinigen. In jahrzehntelanger Arbeit wurde dieser sogenannte Lotuseffekt genauestens untersucht. Mittlerweile ist er patentiert und im praktischen Einsatz.
Bionik: Sauber dank selbstreinigender Oberfläche
Das Lotusblatt enthüllt erst unter dem Elektronenmikroskop sein Geheimnis: Auf der Blattoberfläche sitzen winzige Wachskristalle, die dem Blatt eine raue, genoppte Struktur verleihen. Die unzähligen mikroskopisch kleinen Noppen bewirken, dass Schmutzpartikel und Wassertropfen nur wenige Kontaktstellen mit dem Blatt haben und daher nicht anhaften können. Wassertropfen perlen kugelförmig ab und nehmen dabei Schmutz- und Staubpartikel mit.
Der Lotuseffekt im Alltag
Forschern ist es gelungen, diese raue Mikrostruktur auf künstlichen Oberflächen nachzubilden. Der Lotuseffekt hat heutzutage viele Einsatzbereiche: Es gibt Fassadenfarbe, die Wasser und Schmutz von Hauswänden einfach abperlen lässt und Silikonwachs, das auf verschiedene Materialien aufgesprüht werden kann, zum Beispiel auf Markisen, Dachziegel oder Sensoren für Mautsysteme. Der Lotuseffekt ist vor allem geeignet für Oberflächen, die ständig Wind und Wetter ausgesetzt sind.
Der Lotuseffekt in der Zukunft
Wissenschaftler sind dabei, weitere Anwendungsgebiete für den Lotuseffekt zu erschließen. Denkbar sind beispielsweise selbstreinigende Autolacke und Fensterscheiben. Damit würde ihr Säubern entfallen. Doch diese visionäre Idee ist noch nicht Wirklichkeit geworden, was auch daran liegt, dass Lotuseffekt-Oberflächen automatisch matt werden. Kein gutes Argument in der Autobranche.
Es wird auch daran geforscht, Flugzeuge mit einer Lotuseffekt-Oberfläche zu versiegeln. Dann könnten sich Wassertropfen und Eiskristalle nicht mehr auf Tragflächen und Flugzeugrumpf halten. Das lästige Enteisen im Winter würde wegfallen. Doch die beschichtete Oberfläche ist für hohe Geschwindigkeiten noch nicht stabil genug. Die Oberflächenstruktur würde sofort zerstört werden.
Die Natur als Lehrmeister
Entspiegelter Schmetterlingsflügel
Schmetterlingsflügel liefern Ideen zum Entspiegeln von Handydisplays, Laptopbildschirmen und Brillengläsern: Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie haben entdeckt, dass die Flügel des Glasflügel-Schmetterlings (auch: "Waldgeist", lat. Greta oto) kaum Licht reflektieren und dadurch größtenteils durchsichtig sind. Verantwortlich dafür sind unregelmäßige Nanostrukturen auf den Flügeln. Je nach Blickwinkel werden vom Schmetterlingsflügel zwei bis fünf Prozent des Lichts reflektiert. Bei einer Glasscheibe sind es acht bis hundert Prozent. Das Institut will erste Anwendungen nach dem tierischen Vorbild entwickeln.