Ein Kreuz steht in einer Kirche der evangelisch-lutherischen Marktkirchengemeinde.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Julian Stratenschulte

Nach dem Bekanntwerden von Missbrauchsfällen an evangelischen Kirchen will die Landessynode einiges auf den Prüfstand stellen.

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Nach Missbrauch-Studie: Was die Landessynode prüfen will

Nachdem eine Studie Anfang 2024 auch der Evangelischen Kirche Fälle sexuellen Missbrauchs nachgewiesen hat, setzt sich nun die Landessynode auf ihrer Frühjahrstagung in Coburg mit dem Thema auseinander. Dabei soll einiges auf den Prüfstand kommen.

Über dieses Thema berichtet: Stadt Land Leute am .

Die Aufklärung und der Umgang mit sexuellem Missbrauch in der evangelisch-lutherischen Kirche Bayerns ist für das Kirchenparlament ein belastendes Thema. Eines, dem sich die Kirche aber stellen wolle. Das machte die Regionalbischöfin des Kirchenkreises Bayreuth, Dorothea Greiner, bereits im Eröffnungsgottesdienst der Evangelischen Landessynode am Sonntag deutlich. In ihrer Predigt in der Coburger Stadtkirche St. Moriz sagte sie, die Kirche sei "weitergehender Erneuerung bedürftig, damit Aufarbeitung und Prävention in allen Gemeinden und Einrichtungen aus innerer Überzeugung geschehen".

Aufgedeckte Missbrauchsfälle "nur Spitze des Eisbergs"

Die nächsten Schritte dafür zu tun ist nun Aufgabe der 108 Mitglieder des Kirchenparlaments, die im Coburger Kongresshaus Rosengarten zu ihrer Frühjahrstagung zusammengekommen sind. Den inhaltlichen Ausgangspunkt für ihre bis Donnerstag angesetzten Arbeit bildet die im Januar veröffentlichte Forum-Studie. Diese kommt zu dem Ergebnis, dass es seit den 1950er-Jahren mehr als 2.200 Betroffene von sexuellen Übergriffen in der evangelischen Kirche gibt, begangen von fast 1.300 mutmaßlichen Tätern.

Für diese bundesweite Studie sollen aber bei weitem nicht alle angefragten Kirchenverwaltungen Daten ausgehändigt haben. Somit ist zusätzlich von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. Die bislang nachgewiesenen sexuellen Übergriffe seien vermutlich nur "die Spitze des Eisbergs", schätzen die Verfasser der Studie.

Kirchliches Präventionsgesetz von 2020 soll auf den Prüfstand

Für den Umgang mit den auch so schon alarmierenden Fallzahlen werde das bayerische Kirchenparlament das Präventionsgesetz von 2020 auf den Prüfstand stellen. Das kündigte die Präsidentin der Landessynode, Annekathrin Preidel, im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk an. Die Synode müsse prüfen, ob die Finanzmittel für die Präventionsarbeit gegen sexuellen Missbrauch ausreichen.

Im laufenden Jahr stünden dafür 1,1 Millionen Euro zur Verfügung. Sollte das nicht ausreichen, "müssen wir erhöhen". Auch die Personalausstattung müsse überprüft werden, sagte Preidel. Gehe es nach ihr, soll die Fachstelle für Präventionsarbeit verstetigt werden. Denn bislang sei diese als befristetes Projekt eingerichtet, das Ende 2025 ausläuft.

Preidel sagt "Verantwortungsdiffusion" den Kampf an

Preidel macht auch deutlich, dass an der kirchlichen Struktur der Verantwortlichkeiten gearbeitet werden müsse. Nach Darstellung der Forum-Studie wurden Fälle, die von Betroffenen oder Dritten gemeldet wurden, zwar an einen Verantwortlichen herangetragen, aber offenbar von einem zum nächsten Verantwortungsträger weitergereicht, so dass eine Auseinandersetzung mit den meisten Fällen am Ende gar nicht stattfand.

Die Forum-Studie spricht vom Phänomen der "Verantwortungsdiffusion". Demnach ist die Übernahme von Verantwortung gewissermaßen in kirchlichen Strukturen versickert. Preidel spricht sich dafür aus, "klare Zuständigkeiten, klare Strukturen und eine Vernetzung" zu schaffen. Dazu gehörten ihrer Auffassung nach auch "klare Kommunikationswege". Es seien also notwendige Rahmenbedingungen, für die nun die Landessynode Verantwortung wahrnehmen müsse.

Synodenpräsidentin: "Kirche hat weiterhin Relevanz"

Trotz des Skandals des sexuellen Missbrauchs, der inzwischen also auch der evangelischen Kirche bescheinigt wird, sieht Preidel die gesellschaftliche und religiöse Relevanz der Kirche weiterhin gegeben. Zwar räumt die Synodenpräsidentin ein: "Die Glaubwürdigkeit der Kirche als Institution steht auf dem Prüfstand." Doch für den Glauben, "der uns 2.000 Jahre lang durch die Geschichte getragen hat", gelte das nicht.

Es sei jetzt wichtig, dafür Sorge zu tragen, dass "Defizite der Institution eben nicht mehr vorkommen". Auf die Frage, was sie dafür tun will, lehnt sich Preidel sprachlich an das Bild eines Handwerkskastens an. Es brauche eine "Grundausstattung", sagt sie, "dass wir diese Aufarbeitung, die Prävention und die Intervention als Tools in unserer Landeskirche fest verankern". Denn sexuelle Gewalt solle in der Kirche künftig keinen Raum haben.

Preidel will neue Generation ans Ruder lassen

Die Erlangerin Annekathrin Preidel ist seit mittlerweile zehn Jahren Präsidentin der evangelisch-lutherischen Landessynode in Bayern. Ein Amt, das in ehrenamtlicher Funktion ausgeübt wird. Preidels aktuelle, zweite Amtszeit endet in zwei Jahren. Auf BR-Nachfrage, ob sie für eine dritte Amtszeit als Synodenpräsidentin antreten wolle, zeigt sich die 67-jährige promovierte Biologin entschlossen: Sie werde nicht noch einmal kandidieren, sondern wolle die Landessynode, der sie bereits seit 2008 angehört, verlassen. Mit dieser Entscheidung wolle sie "eine neue Generation ans Ruder lassen".

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