Landwirte kommen mit Traktoren und demonstrieren (Archivbild)
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Warum es bei den Landwirten weiter brodelt

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Unzufriedene Bauern: Es brodelt trotz Entlastungspaket weiter

Die Ampel-Koalition freut sich über ein "umfangreiches Agrarpaket", mit dem landwirtschaftliche Betriebe entlastet würde. Bauernpräsident Rukwied spricht dagegen von einem "Päckchen" – und schließt weitere Proteste nicht aus.

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Nach der Ankündigung der Ampel-Koalition, mit einem umfangreichen Entlastungspaket die Lage der Landwirte verbessern zu wollen, gibt es weiter Diskussionen. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir betonte im BR, dass er einen Bürokratie-Abbau für die Landwirte zur Chefsache erklärt habe. "Wir schaffen Freiräume", sagte der Grünen-Politiker. Denn der Unmut vieler Landwirte darüber, dass sie sehr viel Zeit am PC statt auf dem Acker verbringen, war ein Hauptkritikpunkt bei den Bauernprotesten im Januar gewesen.  

Landwirt: Gewinnglättung hat "fast nichts gebracht"

Die Ziele des Agrarpakets sind unter anderem steuerliche Erleichterungen und weniger Bürokratie. Geplant sind etwa steuerliche Vorteile im Fall von witterungsbedingten Ertragsschwankungen, die sogenannte Gewinnglättung.

Landwirt Gerhard Langreiter, Schweinehalter und stellvertretender Kreisobmann des Bauernverbands im Landkreis Mühldorf, ist allerdings skeptisch, er verspricht sich wenig von der Gewinnglättung. Langreiter hat in der Vergangenheit schon Erfahrungen damit gesammelt, das System gab es schon mal. Gerade bei den Ferkelpreisen, die stark schwanken, "hat die Gewinnglättung fast nichts gebracht", so Langreiter, der auch Vorsitzender des Fleischerzeugerrings Mühldorf-Traunstein ist.

Weniger Bürokratie: Welche Vorschriften werden gestrichen?

Er rechnet zudem mit Nachteilen und noch mehr Bürokratie durch die von der Ampelkoalition beschlossene Absenkung der Umsatzsteuer-Pauschalierung. Pauschalierung bedeutet, dass landwirtschaftliche Betriebe ihre Waren oder Dienstleistungen nicht mit den üblichen Mehrwertsteuersätzen verkaufen, sondern mit einem pauschalen Mehrwertsteuersatz.

Welche Vorschriften künftig gestrichen werden, ist noch nicht bekannt – er habe dazu noch nichts gefunden, bedauert Schweinehalter Langreiter. Er sieht derweil schon neue Formulare und Vorgaben auf sich zukommen, zum Beispiel durch die Vorgaben aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium zu den fünf Haltungsstufen in der Tierhaltung.

Bauernverband droht mit weiteren Protesten

"Die Ampel hat nicht geliefert", kritisierte Bauernpräsident Joachim Rukwied im Morgenmagazin von ARD und ZDF. "Wir müssen Landwirtschaft neu aufstellen, wissensbasiert auf Innovationen setzen, unserer jungen Generation Perspektiven geben", sagte der Verbandspräsident. Der Frust beim Nachwuchs sei enorm.

Rukwied schließt deshalb auch weitere Proteste gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung nicht aus: "Wir behalten uns weitere Protestaktionen vor". Zur Kritik des Bauernverbands, dem das Agrarpaket zu "klein" ist, sagte Özdemir, das gehöre "ein bisschen zur Jobbeschreibung dazu, dass ein Bauernverbandspräsident das immer kritisiert".  

Lage der Landwirtschaft: Höhere Lebensmittelpreise gefordert

Bereits vor dem Beginn des Deutschen Bauerntags hatte Rukwied um Unterstützung für höhere Lebensmittelpreise geworben. "Wir brauchen einen gesellschaftlichen Konsens, dass Lebensmittel aus Deutschland keine Selbstverständlichkeit sind und auch ihren Wert haben müssen", sagte er den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Das müsse sowohl von der Politik als auch von Verbraucherinnen und Verbrauchern erkannt werden.

Konsumierenden müsse klar sein, dass etwa Fleisch und Wurst hierzulande "zu höheren Standards erzeugt werden als anderswo", fuhr Rukwied fort. Diese Lebensmittel müssten dann auch mehr kosten, so Rukwied. "Wer hochwertige, heimische Lebensmittel will, der muss auch etwas mehr bezahlen." Allerdings: Einen Tierwohl-Cent und eine höhere Mehrwertsteuer für Fleisch lehnt der Bauernverband ab.

Kritik auch am geplanten Tierschutzgesetz

Der Bauernverband kritisiert auch das geplante neue Tierschutzgesetz massiv und warnt vor "weitreichenden Verschärfungen für die Tierhalter". So soll es künftig nicht mehr so einfach Ausnahmen für das Kupieren von Ringelschwänzen von Schweinen geben – eine Praxis, die eigentlich längst verboten, aber immer noch üblich ist.

Beim Tierschutzgesetz hätte er sich eher ein Lob erwartet, so Özdemir. Er verwies auf das geplante Verbot der Anbindehaltung im Rinderstall, das abgemildert werde für die Tierhalter, die ihre Kühe im Sommer auf der Weide bringen und den Tieren im Winter stundenweise einen Auslauf zur Verfügung stellen. Er bringe den Tierschutz und die Interessen der Landwirtschaft zusammen, schaffe einen fairen Ausgleich.

Kritisiert wurde das geplante Gesetz ebenfalls vom Deutschen Tierschutzbund. Das Paket sei ein Anfang, "jedoch fehlen Meilensteine, wie etwa die Aufhebung des Mehrwertsteuerprivilegs für Fleisch und tierische Produkte, um einen Umbau der Tierhaltung zu finanzieren und den Tierhaltern eine Zukunftsperspektive zu eröffnen, wie es die Zukunftskommission Landwirtschaft und die Borchert-Kommission vorgeschlagen hatten." Bisher gilt für Fleisch ein Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent, in der Diskussion sind 19 Prozent, um mit den Mehreinnahmen den Umbau der Tierhaltung zu finanzieren.

Kritik auch von Umweltverbänden

Nach den Bauernprotesten, die es auch in vielen Nachbarländern gab, hat die EU vor allem Umweltauflagen gelockert. So wurde die pauschale Flächenstilllegung von vier Prozent ausgesetzt. Umweltverbände sehen das kritisch. Das Agrarpaket der Ampel enthält nach Einschätzung der Deutschen Umwelthilfe aber "Licht und Schatten". Ein Fortschritt sei die Besserstellung der Landwirtschaft gegenüber marktmächtigen Supermärkten. Das soll mit der Novelle des Agrarorganisationen-und-Lieferketten-Gesetzes (AgrarOLkG) erreicht werden.

Als gut bewertet die Umwelthilfe auch die Förderung für Weidetierhaltung – mit Blick auf den Artenschutz. Die Prämie werde aber nicht den Verlust an biologischer Vielfalt kompensieren, der durch die Abschaffung der verpflichtenden Artenschutzflächen verloren gehe. 

Zum Video: Bauerntag - Kritik am neuen Agrarpaket

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