ARCHIV - 17.04.2024, Belgien, Brüssel: Mark Rutte, Ministerpräsident der Niederlande, trifft zu einem EU-Gipfel ein. (zu dpa: «Rumänien gibt auf: Niederländer Rutte kann Nato-Generalsekretär werden») Foto: Virginia Mayo/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Mark Rutte

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Mark Rutte: Was kommt auf den neuen Nato-Generalsekretär zu?

Im Oktober wird der Niederländer Mark Rutte sein Amt als Nato-Generalsekretär antreten. Das Bündnis kennt der lang gediente Regierungschef in- und auswendig. Er weiß, was ihm bevorsteht: Die Allianz durch sicherheitspolitisch schwere See steuern.

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"Es hat sehr lange gedauert", gab der geschäftsführende Regierungschef der Niederlande am Donnerstag in Den Haag zu Protokoll. Es sei ein komplizierter Prozess, zitiert die Tageszeitung "De Telegraaf" den 57-jährigen Mark Rutte. Im September letzten Jahres hatte er signalisiert, für das Amt des Nato-Generalsekretärs zu kandidieren. Einen Monat später gab er seine Ambitionen öffentlich bekannt, wohl wissend, dass er ausgesprochen gute Chancen besaß, das Anforderungsprofil für den Spitzenposten im Bündnis zu erfüllen: langjährige Regierungserfahrung als Premierminister, gute Beziehungen zu den übrigen Nato-Mitgliedsländern, vor allem zu den USA, und entschlossener Unterstützer der Ukraine im Abwehrkrieg gegen die russischen Besatzer.

Rutte wusste, dass innerhalb des Bündnisses schon seit längerem ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin für den Norweger Jens Stoltenberg gesucht wurde. Stoltenberg, seit 2014 Generalsekretär der Allianz, hatte 2022 auf den besonderen Wunsch aller Nato-Partner sein Amt für jeweils ein Jahr verlängert. Im Oktober 2024 sei aber für ihn endgültig Schluss, stellte Stoltenberg daher beizeiten klar. Der Weg für Rutte schien frei zu sein.

Frühe Unterstützung aus Washington, Berlin und Paris

Das entscheidende Wort bei der Nominierung des Nato-Generalsekretärs liegt stets bei den USA. Seit Gründung des transatlantischen Bündnisses 1949 steht der Vergabeschlüssel für die zwei wichtigsten Spitzenposten fest: Die USA stellen immer den jeweiligen Nato-Befehlshaber aus den eigenen Generalsrängen. Die europäischen Partner stellen den Nato-Generalsekretär, der für den politischen Zusammenhalt der mittlerweile 32 Mitgliedsstaaten sowie für die Außenvertretung der Allianz zuständig ist.

US-Präsident Joe Biden, Bundeskanzler Olaf Scholz, Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron, sowie der britische Premierminister Rishi Sunak legten sich im Februar auf Rutte fest. Die Kandidatur des rumänischen Staatspräsidenten Klaus Johannis, dessen Amtszeit in Bukarest im Herbst ausläuft, änderte an den guten Chancen des niederländischen Premierministers nichts.

Widerstand von Ungarn, Slowakei und Türkei

Allerdings erhoben mit Ungarn, der Türkei und der Slowakei drei Nato-Partner ihre Bedenken, die Rutte nacheinander ausräumen musste. Im April flog Rutte nach Istanbul, "auf eigene Kosten", wie der "De Telegraaf" berichtet, und konnte den türkischen Präsidenten Erdogan für seine Kandidatur gewinnen. Die Einwände des ungarischen Premierministers Viktor Orbán überraschten Rutte nicht: Seit Kriegsbeginn verweigert der Nato-Partner Ungarn sowohl Munitions- und Waffentransporte durch sein Land als auch jegliche militärische Unterstützung für der Ukraine. Rutte musste Orbán zusichern, dass sich Ungarn unter keinen Umständen an Nato-Aktivitäten für die Ukraine außerhalb des Bündnisgebiets beteiligen müsse. Der Slowakei musste Rutte zusagen, dass die Nato auch weiterhin den Luftraum des Landes sichern werde.

Am Dienstag dieser Woche gaben Ungarn und die Slowakei ihren Widerstand auf, nachdem Rutte ihren Anliegen entsprochen hatte. Der anschließende Rückzug des rumänischen Präsidenten Klaus Johannis aus dem Kandidatenrennen war nur noch reine Formsache.

Was machen, wenn Trump zurückkommt?

Für die größte Unsicherheit im Bündnis sorgt der ungewisse Ausgang der amerikanischen Präsidentschaftswahlen im November, und damit eine mögliche Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus. Seit Wochen und Monaten bereiten sich die europäischen Nato-Staaten bereits auf das Szenario vor, dass Trump zurückkommen könnte. Trump hatte schon in seiner Amtszeit von 2017 bis 2021 den europäischen Bündnispartnern immer wieder massiv gedroht: Wer nicht die zwei Prozent Marke erreicht habe, also mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigungsaufgaben ausgebe, der müsste mit einem Rückzug Amerikas rechnen.

Zusammen mit den übrigen Staats- und Regierungschefs der Nato saß Mark Rutte als holländischer Premier im Juli 2018 mit Trump an einem Tisch, als der US-Präsident ausgiebig über die mangelnden Verteidigungsausgaben der Europäer schimpfte. Es sei allein Mark Rutte gelungen, so berichtet die "Neue Zürcher Zeitung", den Unmut Trumps zu besänftigen, "indem er an Trumps Eitelkeit appellierte". Es sei allein dem US-Präsidenten zu verdanken, dass die Verteidigungsausgaben durchaus schon gestiegen seien. Mark Rutte sei ein "Trump-Flüsterer", titelt die "Neue Zürcher Zeitung". Diese erprobte Kommunikationsfähigkeit dürfte Mark Rutte die Zusammenarbeit mit Washington und den übrigen Verbündeten erleichtern.

Was wird aus der Ukraine-Unterstützung?

Im laufenden Wahlkampf verschärft Trump auch gegenüber der Ukraine die Tonart: Am vergangenen Samstag kündigte er in Detroit an, dass er im Fall seiner Wiederwahl die US-Unterstützung für die Ukraine "sofort regeln" werde. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sei "der größte Verkäufer aller Zeiten". Selenskyj sei "erst vor vier Tagen mit 60 Milliarden Dollar abgereist, kommt nach Hause und verkündet, dass er weitere 60 Milliarden Dollar braucht. Das hört nie auf", so Trump in Detroit. Auch die vorgezogenen Parlamentswahlen in Frankreich in wenigen Wochen werfen Schatten auf das Bündnis.

Marine Le Pen hat ankündigt, Frankreich aus den Nato-Kommandostrukturen abzuziehen. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg konnte daher nur an die französischen Wahlberechtigten appellieren, Frankreich möge weiterhin seinen Anteil dazu leisten, "die Nato stark zu erhalten." Wenn Mark Rutte sein Amt im Oktober antreten wird, dürfte daher eine seiner ersten Aufgaben sein: Weitere Unterstützung für den Abwehrkampf der Ukraine im Bündnis zu mobilisieren. Die gezielte Zerstörung der ukrainischen Energieversorgung durch die russischen Invasionstruppen könnte mit Beginn der kalten Jahreszeit die Ukraine dazu zwingen, erneut massiv um finanzielle Unterstützung sowie mehr Luftabwehrsysteme anzusuchen.

Motive von Mark Rutte

Nach eigenen Angaben hat Rutte ab Sommer 2023 den Spitzenposten in Betracht gezogen. Der russische Angriff auf die Ukraine und die globale Instabilität hätten ihn bewogen, für die Nachfolge des amtierenden Nato-Generalsekretärs Jens Stoltenberg anzutreten. "Und einige Leute, die dachten, ich könnte es tun, dann dachte ich, ja, man kann es auch nicht einfach beiseitelegen", so Rutte am Donnerstag gegenüber "De Telegraaf". Und das sei "ein unglaublich interessanter Job."

Im Sommer 2023, hatte Rutte bereits das Ende seiner innenpolitischen Karriere vollzogen: Seit 2010 war der liberalkonservative Spitzenpolitiker ununterbrochen Premierminister seines Landes - so lange wie kein niederländischer Regierungschef vor ihm. Als im Juli 2023 seine Koalitionsregierung zerbrach, kündigte Rutte seinen Rücktritt als Premier an. Derzeit ist er als geschäftsführender Regierungschef noch im Amt, bis die neugewählte Koalitionsregierung vereidigt wird.

Im Audio: Weg frei – Rutte kann Nato-Generalsekretär werden

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Der Weg für die Ernennung von Mark Rutte zum nächsten Generalsekretär der Nato ist frei.

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