02.03.22: Rohrsysteme in der Gasempfangsstation der Ostseepipeline Nord Stream 2, deren Zertifizierung wegen des Ukraine-Kriegs gestoppt wurde.
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02.03.22: Rohrsysteme in der Gasempfangsstation der Ostseepipeline Nord Stream 2, deren Zertifizierung wegen des Ukraine-Kriegs gestoppt wurde.

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Öl und Gas: Streit über Europas Milliarden für Putins Krieg

Öl und Gas: Streit über Europas Milliarden für Putins Krieg

Aus Europa werden weiter täglich hunderte Millionen Euro für Öl, Gas und Kohle an Russland überwiesen - Sanktionen hin oder her. Die Bundesregierung und die CSU-Spitze lehnen einen Importstopp vorerst ab. CDU-Außenpolitiker Röttgen nennt das zynisch.

Angesichts des brutalen Angriffskriegs in der Ukraine wächst in Deutschland bei vielen Menschen der Unmut darüber, dass weiter jeden Tag hunderte Millionen Euro für Energielieferungen nach Russland fließen - trotz Sanktionen. Abgesehen von einzelnen Forderungen herrscht in der deutschen Politik bisher allerdings große Zurückhaltung zu einem sofortigen Importstopp. Das gilt für die Bundesregierung, aber auch für weite Teile der Union.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte dagegen erneut weitere und schärfere Sanktionen gegen Russland: Nötig seien ein Boykott russischer Exporte und damit auch der Verzicht auf Erdöl und Erdgas aus Russland. "Man kann es Embargo nennen oder auch einfach Moral, wenn man sich weigert, den Terroristen Geld zu geben", sagte Selenskyj.

Bundesregierung verweist auf Abhängigkeit

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) betonte dagegen die "essenzielle Bedeutung" von Energielieferungen aus Russland für das tägliche Leben der Bürger. "Die Versorgung Europas mit Energie für die Wärmeerzeugung, für die Mobilität, die Stromversorgung und für die Industrie kann im Moment nicht anders gesichert werden", sagte er in Berlin. Daher habe Europa Energielieferungen bei den Sanktionen gegen Russland wegen des Ukraine-Kriegs bewusst ausgenommen. Zwar werde an Alternativen zu russischer Energie gearbeitet, das werde aber noch dauern.

Am Sonntagabend hatte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) auf die "wahnsinnig hohe Abhängigkeit" Deutschlands von den Importen hingewiesen. Bei einem Stopp der Importe von Erdöl, Gas und Kohle könnten in Deutschland nach ihren Angaben die Lichter ausgehen. "Wir müssen, obwohl uns diese Bilder von bombardierten Städten das Herz zerreißen, immer auch einen kühlen Kopf bewahren", sagte Baerbock im ZDF. "Wir werden den Krieg nicht stoppen können, dadurch, dass bei uns in Europa komplett das Licht ausgeht."

Import von Erdöl und Erdgas - Bayern führt besonders viel ein

Laut Statistischem Bundesamt importierte Deutschland im vergangenen Jahr aus Russland Erdöl und Erdgas im Wert von 19,4 Milliarden Euro – das machte 59 Prozent aller Einfuhren aus dem Land aus. Den größten Anteil daran hatte Bayern: Mit fast 5,7 Milliarden Euro entfielen etwa 29 Prozent der bundesweiten Summe auf den Freistaat. Mit deutlichem Abstand folgen Brandenburg (3,8 Milliarden Euro) und Hessen (3 Milliarden Euro). Laut IHK München stammen 36 Prozent der Erdöl- und Erdgasimporte Bayerns aus Russland.

Söder: "Kurzfristig sehr kalt und sehr teuer"

CSU-Chef Markus Söder erklärte am Morgen vor einer Sitzung des Parteivorstands, er habe emotional Verständnis für Forderungen, den Bezug von russischem Öl und Gas völlig abzustellen. Ein sofortiger Ausstieg könne aber "zumindest kurzfristig sehr kalt und sehr teuer für Deutschland werden". Söder forderte die Bundesregierung auf, ein Konzept zur Energie-Versorgungssicherheit vorzulegen. Erneut sprach sich der CSU-Politiker dafür aus, die Kernkraftwerke drei bis fünf Jahre länger laufen zu lassen - ein Vorstoß, der seit Tagen auch für Kritik sorgt.

Alexander Dobrindt, CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, erklärte mit Blick auf ein mögliches Embargo von Gas und Öl aus Russland: "Nicht alles, was wir uns wünschen würden, ist auch sofort umsetzbar." Dobrindt verwies auf die aktuelle Ausgangssituation und indirekt auch auf frühere Bundesregierungen mit Beteiligung der Union: "Wir haben mit politischen Entscheidungen der Vergangenheit die Importabhängigkeit Deutschlands bei der Energie erhöht."

Weber: Kompletter Stopp bei zunehmender Brutalität?

CSU-Europapolitiker Manfred Weber sprach sich ebenfalls nicht für einen unmittelbaren Stopp russischer Energieimporte aus. "Wir haben in Europa schon enorme Debatten zu diesem Sachverhalt", sagte Weber. Er verwies auf den weiteren Verlauf des Kriegs in der Ukraine: "Sollten die Bilder, die wir jetzt erleben, sollte die Brutalität in der Ukraine zunehmen, dann steht Kohle und Öl auf der Tagesordnung." Wann dieser Punkt aus seiner Sicht erreicht wäre und an welches Maß Brutalität er dabei denkt, erläuterte der CSU-Politiker nicht.

Weber, der Ende Mai Vorsitzender der Europäischen Volkspartei (EVP) werden will, teilt beim Thema Gas nach eigenen Angaben "ausdrücklich" ein bedächtiges Vorgehen. Er verwies in diesem Zusammenhang genau wie Dobrindt auf die "hohen Abhängigkeiten, die wir in Europa haben". Laut Weber fließen täglich aus europäischen Töpfen 660 Millionen Euro für Energieimporte nach Russland - er nannte Gas, Kohle und Öl. Andere Beobachter sprechen angesichts gestiegener Preise davon, dass es sich aktuell um rund eine Milliarde Euro pro Tag handele.

Ähnlich wie Weber hatte am Wochenende CDU-Chef Friedrich Merz argumentiert. "Wir erwägen im Augenblick eine Verschärfung der Sanktionen Richtung Verzicht unsererseits auf Energielieferungen aus Russland nicht", sagte er. "Aber wir sind offen, wenn sich dieser Krieg fortsetzt, wenn auch die Grausamkeiten an der Zivilbevölkerung sich fortsetzen sollten, dass wir dann auch zu diesem Mittel greifen müssten."

Röttgen: "Wie viele Menschen müssen sterben?"

Ganz anders als Weber und Merz sieht das CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen. "Es ist zynisch, nun zu sagen, die Situation in der Ukraine müsse erst noch schlimmer werden", schrieb Röttgen in einem "Tagesspiegel"-Gastbeitrag. Er forderte erneut einen sofortigen Stopp der Energieimporte aus Russland. "Wir müssen alles, was in unserer Macht steht, tun, um die Ukrainer in ihrem Kampf gegen Putin und für die Freiheit zu unterstützen", erklärte er. Und weiter: "Indem wir die wichtigsten russische Banken - Sberbank und die Gazprombank - vom Swift-Ausschluss ausnehmen, geht Putins Öl- und Gasgeschäft zu Höchstpreisen und auf Rekordniveau weiter."

Wladimir Putin habe Mariupol dem Erdboden gleich gemacht - und das werde nicht die letzte Stadt gewesen sein. "So wie der Angriffskrieg auf die Ukraine als solcher ein Kriegsverbrechen war, ist es nun auch die Kriegsführung, die sich wahllos gegen die Zivilbevölkerung richtet." Röttgen appellierte an die Menschen in Deutschland und an die Bundesregierung: "Der Krieg ist ein Geschäftsmodell für Putin, und wir finanzieren es! Also worauf warten wir noch? Wie viele bombardierte Städte sind genug? Wie viele Menschen müssen sterben, bevor wir beginnen zu handeln?"

Auch der CDU-Europaabgeordnete Dennis Radtke forderte, kein russisches Gas und Öl mehr zu importieren. "Ohne weitere Sanktionen wird Putin nicht gestoppt werden", schrieb er auf Twitter. Zugleich müssten die Steuern auf Benzin und Energie gesenkt werden, um die Folgen für die Menschen erträglich zu halten. Das fordern auch führende CSU-Politiker seit Tagen.

Uneinigkeit auch in der FDP

Aus der FDP macht sich die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, für ein härteres Vorgehen gegen Russland stark. "Wir müssen angesichts dieses Völkermords alle Sanktionsmöglichkeiten ausschöpfen", sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Ihrer Meinung nach wäre ein Importstopp für russisches Öl und Gas "konsequent, um nicht indirekt Putins Krieg zu finanzieren". Strack-Zimmermann kritisierte, dass sich Deutschland über Jahrzehnte von russischer Energie abhängig gemacht habe.

Der Vorsitzende der FDP, Bundesfinanzminister Christian Lindner, lehnt dagegen wie Bundeskanzler Scholz und andere Bundesminister derzeit einen Energie-Lieferstopp aus Russland ab. Zwar liege die Option auf dem Tisch. "Zum jetzigen Zeitpunkt erscheint es für die Durchhaltefähigkeit der Sanktionen gegenüber Wladimir Putin aber ratsam, diesen Schritt nicht selbst zu gehen", sagte Lindner.

"Öl und Gas nicht mit ukrainischem Blut bezahlen"

Laut US-Außenminister Antony Blinken beraten die USA und die EU aktuell über ein Verbot von russischen Ölimporten. Es gebe "sehr aktive Diskussionen" zu dem Thema, sagte er am Sonntag dem US-Sender CNN. "Wir sprechen mit unseren europäischen Partnern und Verbündeten, um auf koordinierte Weise die Idee eines Importverbots für russisches Öl zu erwägen." Dabei gehe es auch darum, "gleichzeitig dafür zu sorgen, dass auf den Weltmärkten noch genügend Ölvorräte vorhanden sind". Blinken wurde nicht nach russischem Erdgas gefragt, von dem Deutschland besonders viel bezieht.

Schild an Tankstelle
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Preisschild an deutscher Tankstelle

Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis rief nach einem Treffen mit Blinken mit eindringlichen Worten dazu auf, Energieimporte aus Russland einzustellen: "Die von uns genutzten Energieressourcen ermöglichen es Russland, seine Militäroperationen zu finanzieren. Wir können Öl und Gas nicht mit dem ukrainischen Blut bezahlen."

Röttgen rechnet mit Öl- und Gasembargo

CDU-Außenpolitiker Röttgen rechnet fest damit, dass es ein Öl- und Gasembargo geben wird. "Wir können die ausbleibenden Gaslieferungen durch unsere Gasvorräte bis zum nächsten Winter ersetzen", erklärte er. "Bis dahin haben wir Zeit und Möglichkeiten, unsere Energiepolitik neu auszurichten." Das werde vorübergehend wahrscheinlich "nur zu Lasten anderer Ziele wie Klimaschutz und dem Ende der Kernenergie gehen".

Offenbar "schrittweise" Unabhängigkeit geplant

Die EU-Staats- und Regierungschefs kommen am Donnerstag zu einem zweitägigen informellen Gipfeltreffen in Versailles zusammen. Dabei werden sie sich voraussichtlich für eine schrittweise Unabhängigkeit der EU von Russland bei der Energieversorgung aussprechen. Die 27 Mitgliedstaaten wollten die "Abhängigkeit von russischen Gas-, Öl- und Kohleimporten schrittweise abbauen", heißt es in einem Entwurf für die gemeinsame Erklärung, der der Nachrichtenagentur AFP vorliegt.

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