Managerin hinter den Kulissen der SPD Petra Ernstberger verlässt Bundestag

23 Jahre - eine so lange Zeit wie Petra Ernstberger schaffen im Bundestag nur wenige. Die Abgeordnete aus Oberfranken war lange so etwas wie die Managerin der SPD-Fraktion. Eine Karriere, für die sie privat einen hohen Preis zahlte.

Von: Daniel Pokraka

Stand: 07.09.2017 | Archiv

Bild: picture-alliance/dpa|Armin Weige

Petra Ernstberger steht auf der Marschallbrücke im Berliner Regierungsviertel und blickt ein bisschen wehmütig auf das Reichstagsgebäude. So etwas wie "die zweite Heimat" sei Berlin für sie geworden, sagt sie. Für einen kurzen Spaziergang durch das Regierungsviertel humpelt Ernstberger hinunter an die Spree.

Im Rollstuhl zur Abstimmung

Die SPD-Frau aus Hof hat eine Hüftoperation hinter sich. Als der Bundestag im Juli überraschend über die "Ehe für alle" abstimmte, kam sie mit dem Rollstuhl in den Plenarsaal. Das Treppensteigen macht auch zwei Monate später noch Mühe.

Lehrjahre in Bonn

Petra Ernstberger 1995 Bild: picture-alliance/dpa

Als Petra Ernstberger 1994 zum ersten Mal in den Bundestag einzog, da machte sie Spaziergänge noch - wenn überhaupt - am Rhein, nicht an der Spree. Der Kanzler hieß Kohl, Bundestagssitz war Bonn. "Übersichtlicher" sei Bonn gewesen, sagt Petra Ernstberger:

"Wenn du in Bonn irgendwo in die Kneipe gehen wolltest nach der Arbeit, dann hast du gewusst, dass du dort einen Joschka Fischer triffst oder andere Leute."

Petra Ernstberger (SPD), Bundestagsabgeordnete

Rot-grüne Kompromisse verteidigen

In Berlin habe sich das geändert, man müsse sich gezielt verabreden. Als Ernstberger 1999 mit dem Bundestag in die neue Hauptstadt umzieht, ändert sich nicht nur das Flair: Ihre SPD ist nicht mehr in der Opposition sondern an der Regierung. Ein Rollenwechsel. Schwere Jahre, erinnert sich Ernstberger. Viele Genossen hätten hundertprozentig SPD-Politik erwartet - und Ernstberger musste rot-grüne Kompromisse verteidigen, das sei hinreichend schwierig gewesen.

Die frisch gekrönten Könige aus den Wahlkreisen bremsen

2004 wird Ernstberger eine der Parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Fraktion. Ein Job außerhalb des politischen Rampenlichts - aber für den Parlamentsbetrieb ungemein wichtig. Ernstberger ist zuständig für die Gremienbesetzung; sie entscheidet mit, welcher Abgeordnete in welchen Ausschuss kommt.

Ernstberger bei einer Demonstration in ihrer Heimatstadt Hof Bild: picture-alliance/dpa|David Ebener

Eine zuweilen undankbare Aufgabe. Bei der SPD zum Beispiel wollen überdurchschnittlich viele Abgeordnete in den Ausschuss für Arbeit und Soziales - aber naturgemäß ist die Zahl der Sitze begrenzt und die SPD hat auch alle anderen Ausschüsse zu besetzen. Ernstberger muss die Erwartungen der Kollegen dämpfen, "wenn sie frisch kommen aus dem Wahlkreis, wo sie die Kings sind".

"Der Ehemann ist keiner mehr"

Dass der Job im Bundestag stressig ist und auf Kosten von Freizeit und Familie geht, ist nichts Ungewöhnliches - aber nicht alle sprechen darüber so offen wie Petra Ernstberger. Was sie vernachlässigt habe in 23 Jahren Bundestag? Die Familie, definitiv. "Der Ehemann, der jetzt keiner mehr ist." Aber auch die Kinder und die Enkelinnen. Die eine sei inzwischen elf Jahre als, fast so groß wie sie, sagt Ernstberger: "Und ich hab es nicht mitgekommen."

Zwei golden Girls

Petra Ernstberger Bild: Petra Ernstberger

Umso mehr freuen sich die Enkelinnen jetzt darauf, mehr Zeit mit ihrer Oma zu haben - wobei Petra Ernstberger neben der Familie noch ein weiteres Großprojekt hat. Mit einer Freundin hat sie ein Haus gekauft, das beide gemeinsam renovieren; es soll eine Wohngemeinschaft werden. Im Prinzip wie bei den Golden Girls - nur eben nicht zu viert, sondern zu zweit.