IJ4EU Impact Award Preis für "Xinjiang Police Files"-Recherche
Die "Xinjiang Police Files" haben im Mai 2022 eine internationale Debatte über die Lage der muslimischen Minderheit der Uiguren in China ausgelöst. BR Recherche/BR Data und das ARD-Politikmagazin report München hatten als Teil eines Teams internationaler Journalisten erstmals Fotos aus dem Inneren von Internierungslagern verifiziert und veröffentlicht. Jetzt wurde die Recherche mit dem IJ4EU Impact Award ausgezeichnet.
Die "Xinjiang Police Files" hätten die internationale Aufmerksamkeit auf die Verfolgung der Uiguren gelenkt und das Thema auf die internationale Agenda gesetzt, sagte Laudatorin Iliana Papangeli bei der Verleihung des Preises in Leipzig. Das sei die Art von unabhängigem und kritischem Journalismus, die es brauche, um Menschenrechte und Demokratie zu schützen, so die Geschäftsführerin des griechischen Recherchekollektivs Solomon.
Mit dem IJ4EU Impact Award werden nach Angaben der Jury die besten länderübergreifenden, investigativen Recherchen ausgezeichnet, an denen Journalistinnen und Journalisten aus EU-Mitgliedsländern beteiligt waren. Der Preis wurde in diesem Jahr zum dritten Mal vergeben.
Veröffentlichungen in zahlreichen ARD-Formaten
Die beteiligten BR-Redaktionen veröffentlichten zu den "Xinjiang Police Files" eine 15 Minuten lange TV-Dokumentation im ARD-Politikmagazin report München und in der ARD Mediathek (Autoren: Philipp Grüll, Fabian Mader, Hakan Tanriverdi) und einen interaktiven Longread bei BR24. Hinzu kamen rund 60 Veröffentlichungen in unterschiedlichen Formaten der ARD.
Herausfordernd wurde es für Autoren und Redaktion (Stefan Meining, Verena Nierle, Pia Dangelmayer, Lisa Wreschniok), als in der Nacht vor dem Veröffentlichungsdatum unerwartet eine Antwort der chinesischen Botschaft in Washington eintraf. Onlineformate, Radiominuten, die bereits für sechs Uhr vorproduziert waren, mussten in der Nacht noch um die Stellungnahme ergänzt werden.
Aufwändige gemeinsame Recherchen und Auswertungen
Vorausgegangen waren wochenlange, gemeinsame Recherchen des BR-Teams mit insgesamt 13 weiteren Medienhäusern – darunter Der SPIEGEL, BBC News, Le Monde und Aftenposten. Neben europäischen Partnern hatten sich USA Today und NHK World und The Mainichi aus Japan beteiligt. Alle Journalisten tauschten sich in gemeinsamen Online-Konferenzen aus und trugen ihre Rechercheergebnisse zusammen. SPIEGEL und BR setzten auf ein gemeinsames Motion Design (BR: Anna Hunger) für alle Veröffentlichungen im Rahmen der "Xinjiang Police Files".
Die Journalistinnen und Journalisten werteten gemeinsam ein Leak von über zehn Gigabyte an Daten aus, die unter anderem Reden hoher Parteifunktionäre, Anweisungen an Sicherheitspersonal und hunderte Fotos enthielten und erstmals einen Blick in das Innere von Lagern im Nordwesten Chinas erlaubten. Mehr als eine Million Menschen soll der chinesische Staat in solche Lager gesperrt haben, darunter viele Mitglieder der muslimischen Minderheit der Uiguren.
Überprüfung mit Unterstützung des AI Automation Labs
Gemeinsam mit dem internationalen Team überprüften die BR-Journalisten die Echtheit der Fotos beispielsweise anhand von Merkmalen von Gebäuden, die auf ihnen zu sehen waren. Waren diese auch in aktuellen Satellitenbildern zu erkennen? So konnten einige der Fotos den vermuteten Standorten der Lager zugeordnet werden. Auch ein Gemälde an einer Zimmerwand gab Hinweise – es fand sich in einem Online-Artikel über einen Malwettbewerb in der Region Xinjiang wieder.
Neben der klassischen investigativen Recherche waren auch digitale Recherchemethoden gefragt. Mit Unterstützung des AI Automation Lab schrieben die Autoren ein Computerprogramm, um automatisiert Metadaten aus den im Leak enthaltenen Fotos zu ziehen. So ließen sich die Bilder in eine Reihenfolge bringen und Abläufe im Lager rekonstruieren. Die Recherche war Detektivarbeit. Den Journalisten gelang es, einzelne Personen auf den Fotos zu identifizieren – und Angehörige zu interviewen.
Reaktionen von hochrangigen Politikerinnen
Die Veröffentlichung erfolgte weltweit in enger Abstimmung der internationalen Partner und löste zahlreiche Reaktionen aus. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock forderte transparente Aufklärung, ihre damalige britische Kollegin Liz Truss, China "zur Rechenschaft" zu ziehen.
Freude über die Auszeichnung, Preisgeld wird gespendet
Beim ARD-Politikmagazin report München und BR Recherche/BR Data ist die Freude über den IJ4EU Impact Award nun groß. Er wird vom European Centre for Press and Media Freedom verliehen, finanziert wird der Preis unter anderem von der Europäischen Kommission. Das Preisgeld in Höhe von 5.000 Euro wird die Recherche-Kooperation an das International Consortium of Investigative Journalists spenden.
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