Der Druck nimmt zu Abgaben und Inflation belasten Mittelschicht
Preissteigerungen und hohe Sozialbeiträge verlangen ihren Tribut: Die Mittelschicht als Stütze der Gesellschaft ächzt unter den Lasten. Für report München gewähren Arbeitnehmer und Selbständige einen Blick ins Portemonnaie.
Wir sind in Bayern bei Sabrina Saller und ihren Kindern. Für die Alleinerziehende wird es immer schwieriger, mit ihrem Einkommen für die Familie zu sorgen.
"Ich kann mir nichts zur Seite sparen. Gar nichts. Es darf eigentlich so nichts passieren. Also keine Waschmaschine kaputt gehen. Also ich kämpfe jeden Tag, oder jeden Monat. Von Monat zu Monat. Rücklagen kann ich überhaupt nicht schaffen. Wie denn?"
Sabrina Saller
Preissteigerungen, CO2-Steuer, Heizen. Die Belastungen werden immer größer. Sabrina Saller führt genau Buch.
"Also unterm Strich habe ich 946 Euro zur Verfügung für Lebenskosten."
Sabrina Saller
Preise und Ausgaben steigen
Davon muss sie nicht nur Lebensmittel und Schulartikel bezahlen - sondern auch das Auto, auf das sie auf dem Land angewiesen ist. Am Ende bleiben:
"46 Euro. Quasi mein monatlicher Puffer. Wenn halt dann etwas zusätzlich kommt, wie die Pellets-Erhöhung 2022, die habe ich dann nicht mehr stemmen können. Da hat meine Mama geholfen. Jetzt war das Auto kaputt - die 1800 Euro, die hat mir mein Vater gezahlt."
Sabrina Saller
Sabrina Saller muss beim Wocheneinkauf ganz genau auf die Preise schauen.
"Wie viele Kosten? Ich schätze mal so um die 40 Euro, hätte ich gesagt, genau. Ich hoffe, dass wir hinkommen damit."
Sabrina Saller
Ob ihr Budget für alles auf der Einkaufsliste reicht?
Jena, sieben Uhr morgens. Friseurmeister Sven Heubel checkt das Auftragsbuch.
"Neuer Tag, neues Glück. Ich sag' jetzt mal so: Im Durchschnitt brauche ich am Tag 55 bis 60 Kunden, um 'ne Kostendeckung zu erreichen. Und das variiert natürlich ein Stück weit, mal ist es einen Tag mehr, mal ein bisschen weniger. Aber grundsätzlich ist das so meine Schallgrenze, die ich erreichen muss."
Sven Heubel, Friseurmeister
Auch er leidet darunter, dass seine Ausgaben steigen.
"Ganz grundsätzlich das Thema Mehrbelastung. Grundsätzlich steht es doch fest, dass wir momentan ärmer werden. Das ist einfach mal so. Wer sich breit damit beschäftigt und dagegen anzustreben und anzukommen, das ist schwierig."
Sven Heubel, Friseurmeister
55 Kunden muss sein Team heute schaffen, sonst lohnt sich das Geschäft nicht. Ob das klappt?
Die Mittelschicht - einst das Symbol für Stabilität und wirtschaftlichen Erfolg der Bundesrepublik. Und heute? Es bleibt immer weniger vom Einkommen. Die Sozialversicherungsbeiträge kletterten seit 1970 von gut 26 auf heute fast 41 Prozent.
Zudem wird das Leben teurer. So kletterte der Preis von Fleisch- und Wurstwaren um 25 Prozent in den vergangenen vier Jahren. Der Brotpreis stieg um 38 Prozent, genauso wie der Preis für Fernwärme.
Wie reagiert die Politik?
Wie reagiert die Politik auf diese Entwicklungen? Die FDP jedenfalls ist überzeugt, dass die Ampel-Regierung die Mittelschicht bereits ausreichend entlastet.
"Wir haben natürlich auch eine ganze Reihe Entlastungs-Maßnahmen ergriffen, Kindergeld erhöht, Kinderfreibeträge erhöht, so dass die Belastung an sich in Summe mit Start 1.1. mindestens gleich ist."
Karsten Klein, FDP, Haushaltsausschuss Bundestag
Aber was bleibt unter dem Strich übrig? Denn: Die Mehrwertsteuer im Restaurant beträgt seit Jahresbeginn wieder 19 Prozent, Strom wird voraussichtlich teurer. Und der C02-Preis treibt die Kosten beim Tanken und Heizen.
Die Wirtschaftsweise Prof. Veronika Grimm mahnt:
"Es ist durchaus so, dass die Menschen sehr stark unter Druck sind. Da wäre es eben wichtig, Tacheles zu reden und den Menschen zu sagen, dass nicht alles so weitergeht wie bisher und dann eben auch faire Angebote zu machen …. Es nützt ja nichts, zu jammern, dass der Wohlstand nicht in gleicher Form aufrechterhalten werden kann, wie wir ihn erlebt haben, sondern wir müssen uns jetzt auf diese neuen Rahmenbedingungen einstellen."
Prof. Veronika Grimm, Wirtschaftsweise
Zurück in Jena im Salon von Sven Heubel. Auch er spürt: Die Zeiten werden härter.
"Man wünscht es sich eigentlich nach 30 Jahren Selbstständigkeit, dass man einfach auch mal Luftholen kann und sich zurücklehnen kann und sagen: Mensch gut, das, was du geschafft hast. Und gut, dass du davon ein Stück weit auch mal zehren kannst. Das hast du im Moment nicht."
Sven Heubel, Friseurmeister
Zwischenbilanz um 13 Uhr. Wie sieht es aus mit dem Tagesziel von 55 Kunden?
"Stand jetzt haben wir 39. Und wenn ich ins Buch reinschaue und das überschlage, komme ich auf 56 für heute. Das hab ich jetzt schon mal so kalkulatorisch durchgezogen. Und damit ist das Ziel für heute erreicht."
Sven Heubel, Friseurmeister
Immerhin. Doch der Kampf beginnt jeden Tag aufs Neue.
Zurück aus dem Supermarkt - haben die rund 40 Euro für den Einkauf gereicht?
"Ja. Wir waren im Budget. Wir haben jetzt kein Shampoo nicht gekriegt, weil das war nicht im Angebot. Und bezahlt habe ich für das alles 37,52."
Sabrina Saller
Doch - wenn Preise und Abgaben weiter steigen, wird es für sie und ihre Kinder immer enger.
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