Union und SPD im Koalitionsfeuer Die Chancen und Risiken
Die Situation einer künftigen schwarz-roten Koalition ist mehr als verzwickt. Gilt es doch, nicht nur die eigene Zusammenarbeit auf den Weg zu bringen, sondern auch noch Mehrheiten für Sondervermögen mit den Grünen zu bilden.
Berlin, heute morgen. Unterwegs mit Johannes Winkel, dem Chef der jungen Union und ganz frischgewählten Abgeordneten.
"Es ist ein unglaublich intensive Zeiten, und es gibt keine Eingewöhnungsphase in dieser aufgewühlten Lage und auch in dieser zeitlichen Dringlichkeit. Und deswegen geht es direkt mit hundert Prozent los."
Johannes Winkel, CDU, Vorsitzender Junge Union
Johannes Winkel sieht sich als Anwalt der jungen Generation - die nun geplanten Mega-Schulden für Verteidigung seien nötig, aber alles andere findet er problematisch:
"Denn diese Politik, Geschenke für alle und die Rechnung müssen dann die zukünftigen Generationen zahlen, dies zutiefst ungerecht. Und da werden wir sicherlich auch unsere Stimme dagegen erheben."
Johannes Winkel, CDU, Vorsitzender Junge Union
Bereits am Donnerstag soll über die neuen Schulden erstmals abgestimmt werden - Johannes Winkel wäre da noch nicht dabei. Denn Union und SPD wollen ihre Pläne mit dem "alten" Bundestag durchbringen. Milliardenschulden für Bundeswehr und Infrastruktur. Zwei Pakete für die das Grundgesetz mit 2/3-Mehrheit geändert werden muss. Dafür braucht es die Grünen. Doch die sagen erstmal: NEIN. Gestern, 12.00 Uhr Mittag:
Den Grünen fehlt das Thema Klimaschutz
"Dann erschaffen CDU und SPD sich mit diesem Vorschlag, mit dieser Änderung des Grundgesetzes am Ende eine Schatzkiste und wollen von uns die Zustimmung für Spielgeld, das sie dann ausgeben können, um es beispielsweise in Steuersenkungen zu stecken."
Katharina Dröge, B'90/Grüne, Fraktionsvorsitzende
Den Grünen fehlt das Thema Klimaschutz und der Respekt der Union. Warum bloß?
"Diese ganze Grüne Ideologie, Benjamin Blümchen für Arme, Bussibär für Gestrige, das ist vorbei!"
Markus Söder, CSU, Parteivorsitzender
Politischer Aschermittwoch in Passau. Die CSU weiß zu diesem Zeitpunkt ganz genau, dass sie jetzt Partner braucht. Sie schont deshalb die SPD, aber keineswegs die Grünen.
"Die Grünen sind ein Auslaufmodell! Sie sind Ramschware!"
Martin Huber, CSU, Generalsekretär
"Die Grünen waren gegen uns, sie waren gegen Bayern und sie haben die Quittung bekommen, es ist vorbei."
Markus Söder, CSU, Parteivorsitzender
Gewinnt man so Partner? Eher nicht, denkt der Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke.
"Die Grünen sind raus! Triumphalistisch verkündet das Markus Söder .. aber sie werden gebraucht! Und solange für die Grünen nicht klare Veränderungen im Bereich der Klimapolitik in diesen Maßnahmen enthalten sind, werden Sie nicht zustimmen."
Albrecht von Lucke, Blätter für deutsche und internationale Politik
Für die SPD wackeln Verhandlungserfolge
Unmittelbar nachdem die Grünen die Absage erteilt haben, übt sich SPD-Chef Klingbeil noch in Optimismus.
"Ich gebe die Zuversicht nicht auf, dass es gelingen kann."
Lars Klingbeil, SPD, Parteivorsitzender
Immerhin wackeln für die SPD einige Verhandlungserfolge. Tarfitreuegesetz, höherer Mindestlohn und natürlich die 180Grad Wende der Union in Sachen Schuldenpolitik. Schon beim Politischen Aschermittwoch der SPD gab es deshalb so gut wie keine Häme gegen die Union.
"Wir sollten nicht den Fehler machen und der Union jetzt vorwerfen, dass sie sich dort bewegt hat. Die Union hat sich in der Sache in die richtige Richtung bewegt."
Karl Lauterbach, SPD, Bundesgesundheitsminister
Nur eines bemerkte die bayerische SPD-Landesvorsitzende dann doch:
"Ist schon faszinierend: Angela Merkel hat 16 Jahre gebraucht, um Sozialdemokratin zu werden - bei Friedrich Merz wars nur eine Woche."
Ronja Endres, SPD, Landesvorsitzende Bayern
Das findet übrigens auch Horst Seehofer, immerhin der CSU-Ehrenvorsitzende. Am Sonntag schimpft er:
"Offenbar mussten SPD und Grüne die Wahl verlieren, um am Ende das zu bekommen, was sie schon immer haben wollten."
Horst Seehofer, CSU
"Friedrich Merz hat das ja auch gleich begründet. Er hat die Schwäche der SPD als ein Argument in seiner eigenen Fraktion vertreten, um zu sagen, wir mussten dieser Partei in ihrer tiefen Krise sehr viel geben. Es könnte aber tatsächlich so mancher CDU-Mann mit geballter Faust in der Tasche sagen, gerade die, die nicht mehr in den Bundestag kommen. Warum soll ich hier einem Paket zustimmen, dass ich im Bundestagswahlkampf nie vertreten habe?"
Albrecht von Lucke, Blätter für deutsche und internationale Politik
Zumal das schlechte Wahlergebebnis der SPD große Zugeständnisse eigentlich nicht hergibt. Besonders schmerzhaft waren die Verluste bei den Arbeitern.
Bei der Bundestagswahl 2021 wählten immerhin 26% der Arbeiter SPD, bei dieser Wahl gaben nur noch 12% den Genossen ihre Stimme. An der Basis hier am Aschermittwoch löst das Ratlosigkeit aus. Und zwar nicht erst seit dieser Wahl.
SPD-Mitglieder:
"Das ist ein sehr langer Prozess gewesen, so wie ich das erlebt habe."
"Ich glaube, die SPD hat viel, viel getan in den letzten Jahren für die Arbeiterschaft. Aber die anderen können das besser verkaufen."
Das Land umsteuern bei Wirtschaft und illegaler Zuwanderung?
Doch auch die CDU blieb im Wahlergebnis hinter den Erwartungen zurück.
Politischer Aschermittwoch in Apolda in Thüringen. Friedrich Merz sagte ab. Er verhandelt in Berlin. Die CDU-Kreisvorsitzende und Landrätin Christiane Schmidt-Rose bittet um Verständnis:
"Er hat jetzt in meinen Augen durchaus Wichtigeres zu tun."
Christiane Schmidt-Rose, CDU, Landrätin Weimarer Land
Das Land umsteuern - das soll Merz bei der Wirtschaft und bei der illegalen Zuwanderung.
"Ich glaube, da ist tatsächlich wieder wichtig, dass wir uns Regeln geben, wer kommen darf, und dass wir diese Regeln einhalten. Und ich glaube, dann ist es schon ein eindeutiger Wechsel von dem, wo man so ein bisschen resigniert gesagt hat, na ja, dann sollen sie halt kommen."
Christiane Schmidt-Rose, CDU, Landrätin Weimarer Land
Tatsächlich sieht die Union ihre bisherigen Verhandlungserfolge vor allem beim Thema Asyl. Da steht sie unter Druck. In Ostdeutschland gewann die AfD fast alle Direktmandate. Auch hier ein großes Thema: die Migrationspolitik.
Auf die Frage kurz vor der Wahl: Wer ist vor allem verantwortlich dafür, dass in den letzten Jahren so viele Flüchtlinge und Asylbewerber nach Deutschland gekommen sind, antworten noch immer 54% der Bundesbürger: Die Unionsparteien.
"Merz musste natürlich darauf setzen, dass er im Bereich der Migration vieles durchsetzt, was er versprochen hat. Aber er hat es nicht in Gänze geschafft. Weil die SPD darauf gedrungen hat, dass es im völkerrechtlichen Rahmen bleibt. Das heißt also, die absoluten Grenzschließungen, die Merz ja versprochen hat vom ersten Tage an, die hat er nicht bekommen."
Albrecht von Lucke, Blätter für deutsche und internationale Politik
Wie sieht das Christiane Schmidt-Rose, die Landrätin aus Thüringen? Auch für sie steht Friedrich Merz unter großem Erfolgsdruck.
"Wir haben jetzt mittlerweile eine Erwartungshaltung an einen Kanzler Merz, was der alles innerhalb kürzester Zeit wieder richten soll. Da kann man ja nur scheitern. Also wenn diese Erwartungshaltung ständig aufgebaut wird, ist das unerfüllbar."
Christiane Schmidt-Rose, CDU, Landrätin Weimarer Land
Erst mal muss Merz jetzt die Erwartungen der Grünen erfüllen. Gestern Abend Diplomatie-Versuche: Die Spitzen der Grünen treffen sich mit Union und SPD. Für die beiden womöglichen Regierungsparteien steht unendlich viel auf dem Spiel.
"Also Neuwahlen müssen Rote, und vor allem die Schwarzen müssen sie fürchten wie der Teufel das Weihwasser, Denn andernfalls würden sie mit Sicherheit von einem erheblichen Teil ihrer alten Wählerschaft abgestraft werden."
Albrecht von Lucke, Blätter für deutsche und internationale Politik
Deshalb muss es jetzt klappen, sagt Johannes Winkel von der Jungen Union. Auch wenn ihm einiges im Finanzpaket nicht passt.
"Mir fällt ehrlicherweise nur keine Alternative ein, um in diesen Zeiten schnell handlungsfähig zu werden."
Johannes Winkel, CDU, Vorsitzender Junge Union
Bis Ostern soll die schwarz-rote Koalition stehen. Doch vieles liegt heute noch im Nebel, im Ungewissen.
Kommentieren