Report München


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Lauschangriff auf Handys Wie unsicher sind unsere Telefone?

Im report München-Versuch zeigt der IT-Spezialist Marco di Filippo wie leicht es ist, Handy-Telefonate abzuhören: Die notwendigen Programme gibt es frei im Internet. Ansonsten braucht man lediglich einen Computer und ein weiteres Handy, das als Antenne dient. Wenig später kann der Lauschangriff beginnen.

Von: Sabina Wolf

Stand: 05.11.2013

Spähvorwürfe jetzt auch gegen die Briten. Neben den Amerikanern haben wohl auch sie Telefonate belauscht.

Hier auf dem Dach der britischen Botschaft sollen sich die Spionage-Anlagen verbergen. Stimmt das, dann sind all diejenigen Handynutzer betroffen, die sich in dem Gebiet befinden, das die Mobilfunkbetreiber hier als Funkzelle bestimmt haben -  in einem Umkreis von rund 20 Kilometern. Pikant: Keiner merkt, wenn hier einer mitlauscht.

Ein paar Kilometer weiter, am Ku´-Damm haben wir uns mit einem IT-Sicherheitsexperten verabredet. Er will einen Test machen:

Einen Lauschangriff auf das Handy von report MÜNCHEN. Experte Marco di Filippo hat das nötige Zubehör schon aufgebaut. Er will uns zeigen, wie einfach es ist, unser Handy abzuhören.

Dazu braucht er: Dieses Handy. Es dient hier nicht als Telefon, sondern als Empfangsgerät, eher wie ein Radio, es kann die elektromagnetischen Wellen, die während unseres Telefonats entstehen, auffangen und in diesen Computer einspielen. Ein spezielles Programm wird sie dann in Sprache rückübersetzen. Und unser IT-Experte braucht natürlich ein Handy, auf dem wir ihn später anrufen. Das reicht für einen Lauschangriff?

Marco Di Filippo, IT-Experte: „Man braucht ein bisschen technischen Sachverstand, das ist richtig, aber die Software und alle Tools, die kann man letztendlich frei im Internet runterladen.“

Doch der Reihe nach: Zuerst einmal muss Di Filippo das Handy, das er belauschen will, in der Funkzelle suchen: Dazu gibt er zuerst den Ländercode ein… 5462

 „Und jetzt da oben, sehen Sie es…“

Der für Deutschland lautet: 262

Im Nu sehen wir alle Handys, die sich momentan hier, in dieser Funkzelle aufhalten. Unser Handy zu finden ist kein Problem.

Wir rufen an.

 „Guten Tag.“

Report München: „Guten Tag Herr Di Filippo, hier ist report MÜNCHEN. Was genau machen wir hier gerade?“

Marco Di Filippo, IT-Experte: „Wir testen gerade, wie einfach es ist, die Luftschnittstelle abzuhören und wie man hört, funktioniert das auch ganz gut.“

Report München: „Das heißt, Sie können hier nicht nur über Ihr Handy zuhören, sondern Sie können die Kommunikation auch noch hörbar machen und über ihren PC abspielen, habe ich das richtig verstanden?“

Marco Di Filippo, IT-Experte: „Korrekt so ist es ja. Klassisches Abhören.“

Die elektromagnetischen Wellen, die unsere Handys aussenden, werden abgegriffen. Gemerkt haben wir davon während unseres Telefonats nichts.

Unser Telefonat ist klar zu hören mit einer kurzen Zeitverzögerung. Der Grund: Das Gespräch findet statt, wird belauscht, entschlüsselt und ist erst dann über den PC zu hören.

Marco Di Filippo, IT-Experte: „Ich habe hier etwas Hardware im Telefon und damit habe ich eben die Möglichkeit, all das, was hier an elektromagnetischen Wellen vorliegt, aufzuzeichnen und im Nachgang zu dechiffrieren, wobei der Nachgang hier relativ schnell geht, wie man hier hört, weil der Versatz hier relativ schnell geht, drei, drei Sekunden würde ich sagen.“

Report München: „Sie haben heute mein Handy nie in die Hand bekommen, Sie haben das Gerät quasi überhaupt nicht tangiert!

Marco Di Filippo, IT-Experte: „Ja, klar. Also, weil Sie auch die Luftschnittstelle nutzen. Und genau diese Luftschnittstelle haben wir abgehört. Immer wenn Sie irgendwie kommunizieren, ob das jetzt Daten sind, SMS-Nachrichten und natürlich auch Sprache. Sprache ist ja auch eine Form von Daten, die kann ich abhören. Wobei diese Datenübertragung ja in einer gewissen Art und Weise verschlüsselt ist und dieser Verschlüsselungsmechanismus ist heute sehr schwach und man kann ihn mittlerweile dechiffrieren.“

Jeder, der über solche Technik verfügt, kann Gespräche, die mit herkömmlichen Handys geführt werden, belauschen, die Bundekanzlerin und alle anderen, einfach jeden, der sich in der gleichen Funkzelle befindet.

Schon länger arbeiten Mobilfunkfirmen an neuen Kryptohandys. Für die Wirtschaft, aber auch für die Politik. Allerdings boomt die Nachfrage nicht.

Stephan Maihoff, T-Systems International: „Das liegt sicher einerseits daran, dass die Geräte noch gar nicht so verbreitet sind. Sie sind ja auch ein klein wenig teurer als normale Handys. Das liegt aber auch sicher daran, dass man gewisse Komforteinschränkungen in Kauf nehmen muss. Das fängt damit an, dass man eine Pin eingeben sollte und viele sind dazu einfach nicht bereit.“

Report München: „Ist das, angesichts der sensitiven Daten, die über solche Geräte laufen, nicht geradezu absurd, wenn es an einer PIN scheitert?“

Stephan Maihoff, T-Systems International: „Ja, da würde ich sagen auf jeden Fall ja. Das ist absurd, wir geben die PIN ein bei der EC-Karte, wenn es um Geld geht. Wir sollten sie auch eingeben bei diesen Geräten, weil das sind kleine Computer, die wissen ungeheuer viel über uns. Und da sollten wir sie schon schützen.“

Ein Problem haben die neuen Kryptohandys dennoch. Man kann sie orten, also nachvollziehen, wo sich beispielsweise die Kanzlerin gerade aufhält. Höchste Zeit die Kommunikations-Gewohnheiten gründlich zu überdenken.

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