Der Herrhausen-Mord und die RAF Eine Spurensuche
Im November 1989 ermordete die RAF den Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen. Ein ARD-Spielfilm zeichnet die Karriere und den Tod des Spitzenmanagers nach. Doch vieles ist noch im Unklaren. Eine Spurensuche von report München.
"Hier ist das erste Deutsche Fernsehen mit der Tagesschau. Guten Abend meine Damen und Herren. Der Chef der Deutschen Bank, Alfred von Herrhausen ist heute von Terroristen ermordet worden. Er wurde am Morgen in Bad Homburg Opfer eines Bombenanschlags."
(Tagesschau vom 30.11.1989)
Deutschland unter Schock
Ein Sprengsatz am Straßenrand tötet Deutschlands wohl einflussreichsten Banker - trotz höchster Sicherheitsmaßnahmen.
"Es gibt noch einen Restsprengsatz vermutlich, der erst entschärft werden muss."
Polizist (Archiv 1989)
Bundeskanzler Kohl - erschüttert. Er nannte Herrhausen "einen Freund".
Nach dem Anschlag taucht ein Bekennerschreiben auf. Es stammt von der RAF. Die Terroristen schreiben: "Am 30.11.1989 haben wir Alfred Herrhausen hingerichtet".
"Verheerend, dass man eine so prominente Person nicht schützen konnte. Das war bei uns immer das Dauerthema: Eine Person bekommt alles, was sie braucht, Begleitschutz, und trotzdem schafft es die RAF wieder, eine prominente Person zu ermorden."
Klaus Pflieger, damals Mitarbeiter bei der Bundesanwaltschaft
Als Staatsanwalt hat Klaus Pflieger jahrzehntelang gegen die RAF ermittelt. Das Thema lässt ihn nicht los. Heute hat ihn die Polizei Heilbronn als Referenten eingeladen.
"Die RAF gibt es nicht mehr - sie ist tot, aber juristisch ist die RAF weiterhin Geschichte und sie wird es wohl ewig bleiben, weil strafrechtlich nicht alle ihre Morde aufgeklärt sind. Mord verjährt ja nicht."
Klaus Pflieger, damals Mitarbeiter bei der Bundesanwaltschaft
34 Menschen tötete die RAF. Bei fast allen Ermittlungsverfahren war Klaus Pflieger beteiligt: Wie lief die Arbeit damals ab? Und wie geht man als Ermittler mit Rückschlägen um? Die jungen Beamten sollen mit Veranstaltungen wie dieser ihr Wissen erweitern.
Umfrage unter jungen Beamten:
"Ich gehöre zur Generation Polizei, die die RAF nicht persönlich kennt."
"Es war äußerst interessant, ich hatte bis auf die Schule weniger mit der RAF zu tun gehabt."
Mit dem ungelösten Mord an Deutsche Bank Chef Alfred Herrhausen befasst sich aktuell auch ein ARD-Spielfilm. Der Film zeigt den Aufstieg Alfred Herrhausens an die Spitze der Deutschen Bank in Frankfurt - und wie er ins Visier der RAF gerät.
Spurensuche in Frankfurt
Unweit des Bankenviertels stellt sich Anfang der 80er Jahre die RAF neu auf.
Die Ermittler stoßen eher zufällig auf die Terroristen. 1984 kommt es hier zu einem Vorfall. In einer konspirativen Wohnung hantieren Personen mit Waffen. Plötzlich löst sich ein Schuss, die Kugel durchschlägt den Boden in die darunterliegende Wohnung.
"Man hatte eine der Frauen beauftragt, hinunterzugehen, zu diesem Mitbewohner, ein Stock tiefer, und das zu klären. Und sie hat dann vorgegeben, die Katze habe einen Eimer mit Wasser umgestoßen. Und er habe jetzt die Sorge, dass jetzt vielleicht das Wasser in der Wohnung unten ankommt. Und sie hat dann mit dem Bewohner dieser Wohnung das angeschaut. An der Decke war nichts zu erkennen. Als sie wieder weggeht, hat dieser Mann seine Wohnung dann noch einmal genauer angeschaut und hat im Boden ein Projektil gefunden, dass durch die Decke ging und bei ihm im Boden eingeschlagen hat. Und dann hat er ein vergleichbares Loch oben in der Decke entdeckt. Und er ist dann so eine Telefonzelle gegangen und hat von dort aus die Polizei alarmiert."
Klaus Pflieger, damals Mitarbeiter bei der Bundesanwaltschaft
Die Polizei stürmt die Wohnung. Sie entdeckt sechs RAF-Mitglieder, Anschlagspläne, Waffen und Bargeld.
Festgenommen wird auch der bis dahin unbekannte Ernst-Volker Staub. Nach seiner Freilassung taucht er unter. Später wird er noch eine tragende Rolle in der Geschichte der sogenannten Dritten Generation der RAF spielen. Kurz nach der Frankfurter Razzia wird klar - es gibt noch weitere Terrorzellen, denn das Morden der RAF geht weiter:
Bei Anschlägen sterben Manager und ein Chauffeur. Ein Anschlag im Jahr 1986 sorgt damals auch unter RAF-Unterstützern für einen Aufschrei: Der Diplomat Gerold von Braunmühl, ein enger Mitarbeiter des damaligen Außenministers Genscher wird vor seinem Haus erschossen: Ein Liberaler, der so gar nicht in das Feindbild der RAF passt.
Seinen Sohn Patrick von Braunmühl treibt bis heute die Frage um: Wieso tötete die RAF ausgerechnet seinen Vater?
"Ich glaube, es war für alle überraschend, dass da ein Abteilungsleiter aus einem Ministerium getroffen wird, der in der Öffentlichkeit eigentlich nicht bekannt war. Das war ein Strategiewechsel der RAF. Und dementsprechend waren wir natürlich völlig überrascht und schockiert. Ich bin mir ziemlich sicher, dass auch mein Vater nichts darüber wusste, dass er bedroht war."
Patrick von Braunmühl
Wer plante den Anschlag?
Nach dem Mord an Braunmühl gerät Deutsche Bank-Chef Herrhausen ins Visier der RAF - er bewegt sich in Kreisen, in denen höchste Sicherheitsstufen gelten. So trifft er noch am Tag vor seinem Tod eine sowjetische Regierungsdelegation. Und dennoch können die Terroristen eine Sprengfalle aufstellen:
"Da gezielt diese Bombe so zu platzieren, dass trotz Panzerung des Fahrzeugs gezielt eher umgebracht werden kann. Das hatten wir bei der RAF bis dahin nichts erlebt. Was auch sofort die Vermutung aufkommen hat, lassen, dass dort auch andere Hilfe in Anspruch genommen worden war."
Klaus Pflieger, damals Mitarbeiter bei der Bundesanwaltschaft
Wer plante den Anschlag auf den Chef der Deutschen Bank? Wer half den Terroristen?
Sie könnten Antworten geben: Sie sind seit Jahrzehnten auf der Flucht: Ernst Volker Staub - mit seinen Komplizen Daniela Klette und Burkhard Garweg. 1993 sollen sie am letzten Anschlag der RAF beteiligt gewesen sein: Der Sprengung der JVA Weiterstadt.
1998 taucht eine Auflösungserklärung der RAF auf. Ermittler vermuten, dass Ernst Volker Staub einer der Verfasser ist.
Letzte Chance, die Geheimnisse zu lüften?
Das Leben des Trios im Untergrund geht weiter - mutmaßlich finanziert mit Raubüberfällen, so die Ermittler. Dieses Jahr im Februar der Erfolg: Daniela Klette wird gefasst. Ist das die vielleicht letzte Chance, die Geheimnisse der RAF zu lüften? Was weiss Daniela Klette?
"Man kann nicht genau sagen, wann Daniela Klette zur RAF in den Untergrund gegangen ist. Da ist die Rede von 1989 oder 1990, so dass sie vielleicht etwas zu früheren Anschlägen sagen könnte. Da hat man in der RAF keine Geheimnisse gemacht. Sie könnte im Ergebnis die gesamte dritte Generation aufarbeiten."
Klaus Pflieger, damals Mitarbeiter bei der Bundesanwaltschaft
Fest steht: Viele Fragen bleiben offen zur dritten Generation der RAF. Offenbar hatte sie fachkundige Helfer, hinterließ kaum Spuren. Bis jetzt.
Hier in Berlin Kreuzberg, in der Wohnung der festgenommen Terroristin Daniela Klette wird die Polizei fündig: Waffen, offenbar aus alten Überfällen, Aufnahmen eines mutmaßlichen Mittäters, Bargeld und Gold.
Für die Angehörigen der Opfer ein Hoffnungsschimmer.
"Ich würde mir wünschen, dass über den Prozess und die Unterlagen, die dort offenbar gefunden wurden, die Anstrengungen der Ermittlung noch einmal intensiviert werden und dass es den Behörden gelingt, Licht ins Dunkel zu bekommen. Aus Sicht der Angehörigen ist es schon ein sehr ungutes Gefühl, dass diese Morde größtenteils unaufgeklärt geblieben sind und dass man die Umstände im Grunde genommen nicht kennt und die gesamte dritte Generation der RAF einfach in Nebulösen geblieben ist."
Patrick von Braunmühl
Und vielleicht können dann auch die Verantwortlichen des Herrhausen Mordes zur Rechenschaft gezogen werden.
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