Eigentümer in Sorge Das merkwürdige Verhalten der Consigma Hausverwaltung
Recherchen von report München deckten auf: Hausverwaltungen der Consigma Gruppe legten Rücklagen von Eigentümergemeinschaften in fragwürdige Anleihen an. Etliche Hausgemeinschaften bangen jetzt um ihr Geld.
Ratlos stehen Johannes und Christian im staubigen Heizungskeller - inmitten von Rohren, Kabeln und Dämmmaterial. Beide sind seit Jahren Beiräte ihrer Wohungseigentümergemeinschaft (WEG), also die gewählten Vertreter. Ihre Nachnamen wollen sie nicht veröffentlicht sehen. Sie haben es mit mehr als einer Baustelle zu tun: Einer der beiden betagten Boiler ist seit Monaten kaputt, fällt der andere aus, haben 80 Wohnungen kein warmes Wasser mehr.
Für solche Fälle haben die Eigentümer des Wohnblocks seit Jahren gespart, insgesamt rund 240 000 Euro. Aber auf die sogenannten Instandhaltungsrücklagen können sie derzeit nicht zugreifen. Ihr früherer Hausverwalter hat einen Großteil in eine Anleihe der DR Deutsche Rücklagen GmbH investiert. Seit Monaten versucht die WEG per Anwalt, an das dringend benötigte Geld zu kommen. Christian ist fassungslos: "Wir haben die Anleihe nicht gezeichnet, sondern die hat jemand von der Consigma gezeichnet." Beide Beiräte haben Angst, dass ihre WEG ihr erspartes Geld womöglich nicht wieder bekommt.
Viele WEG melden sich bei BR und hr
Bereits im November hatten BR und hr über fragwürdige Vorgänge rund um Hausverwaltungen der Wiesbadener Consigma-Gruppe berichtet. Seitdem haben sich rund 40 WEG aus Hessen, Baden-Württemberg und Bayern bei BR und hr gemeldet. Einige haben ihr Geld inzwischen zurück, andere nur zum Teil. Eine WEG in Böblingen etwa erhielt ihre 460 000 Euro inzwischen in Raten zurück.
Eigentümer, deren Ersparnisse nach wie vor in Anleihen der Deutsche Rücklagen investiert sind, sind besorgt. Etliche haben sich Anwälte genommen. Den Reportern liegen außerdem mehrere Strafanzeigen vor, die sich gegen Verantwortliche in Hausverwaltungen der Consigma-Gruppe und der Deutsche Rücklagen richten. Die Eigentümer sind der Ansicht, dass ohne ihre explizite Zustimmung das Geld nicht in die Anleihen fließen durfte.
Von der Consigma-Gruppe heißt es auf Anfrage, man verhalte sich gemäß den gesetzlichen Vorgaben und lege die Rücklagen sicher und gut verzinst an. Unregelmäßigkeiten seien der Consigma nicht bekannt. Der Vorstandsvorsitzende der Consigma Holding AG hält auch eine Zustimmung der WEG zum Jahresabschluss für eine Genehmigung. Die Rechtsanwältin der Consigma-Gruppe schreibt zudem, man habe sich an bestehende Verwalterverträge gehalten.
Experte: "Vorgehen verstößt gegen WEG-Recht"
Der Münchner Fachanwalt Burkhard Rüscher vertritt derzeit drei WEG, die ihre Rücklagen vermissen. In einem Fall geht es um eine halbe Million Euro. Bei seinen Mandanten seien quasi die gesamten Ersparnisse zur Deutsche Rücklagen geflossen, so der WEG-Rechtsexperte, dabei müsse es immer eine eiserne Reserve geben. Mit ordnungsgemäßer Hausverwaltung hat ein solches Vorgehen für Burkhard Rüscher nichts zu tun. Einen weiteren Rechtsverstoß sieht der Anwalt in der Art und Weise, wie die Gelder zur Deutsche Rücklagen kamen: "Wenn ein Verwalter die Erhaltungsrücklage irgendwo anlegen will - nicht mündelsicher oder spekulativ - bedarf es hierfür eines Eigentümerbeschlusses und dafür ist die Eigentümerversammlung zuständig und sonst niemand. Der Verwalter von sich aus ist hierzu nicht ermächtigt." Das bewertet die Consigma anders.
Mündelsicher bedeute, so der Fachanwalt, dass es sich um eine sichere Anlage handeln müsse, die schnell und frei verfügbar sei. "Sicher ist es nach meiner Einschätzung nicht und frei verfügbar ist es schon dreimal nicht. Aus meiner Sicht erfüllt diese Form der Anlage nicht das Tatbestandsmerkmal mündelsicher."
BaFin: "Kreditgeschäft ohne die erforderliche Erlaubnis"
Nach Recherchen von BR und hr haben Verantwortliche der Consigma-Gruppe die ihnen anvertrauten Gelder teils in Anleihen der Deutsche Rücklagen investiert. Diese vergab Darlehen - nach eigenen Angaben an Firmen in der Immobilienbranche, zudem seien diese über Einträge in Grundbücher abgesichert. Überprüfen kann das Reporterteam dies nicht. Dieses Kreditgeschäft hat die Finanzaufsicht BaFin im März untersagt. Unter der Rubrik Warnungen & Aktuelles steht auf ihrer Homepage: "Die Finanzaufsicht BaFin hat mit Bescheid vom 12. März 2024 angeordnet, dass die in Tauberbischofsheim ansässige DR Deutsche Rücklagen GmbH ihr Kreditgeschäft einstellen und abwickeln muss. Sie hat dafür keine Erlaubnis."
Darüber hinaus läuft bei der BaFin ein Verwaltungsverfahren gegen die Deutsche Rücklagen. Im Raum steht der Verdacht, dass bei einer Anleihe gegen gesetzliche Vorgaben zum Anlegerschutz verstoßen wurde. Die BaFin prüft, ob die Deutsche Rücklagen vor Ausgabe der Anleihe einen Prospekt mit allen wesentlichen Angaben über sich und zur Anleihe hätte veröffentlichen müssen.
Aufmerksam auf den Fall wurde die BaFin erst durch die Berichte von BR, hr und report München. Von der Deutsche Rücklagen heißt es dazu, man sei zu beiden Angelegenheiten "in enger Kommunikation" mit der BaFin und werde selbstverständlich entsprechend deren Vorgaben handeln. Der Geschäftsführer schreibt auf Anfrage: "Die Deutsche Rücklagen GmbH garantiert selbstverständlich weiterhin die Rückzahlung der Anleihen gemäß der Anleihebedingungen, daran ändert die Mitteilung der BaFin nichts. Kein Anleger muss sich um seine bei der Deutschen Rücklagen angelegten Gelder Sorgen machen oder zu einer vorzeitigen Kündigung veranlasst sehen."
Anlegerschützer: "Fall für die Staatsanwaltschaft?"
Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) sieht das Anleihengeschäft der Deutsche Rücklagen kritisch. Der Verein hatte nach der ersten Berichterstattung die Finanzaufsicht angeschrieben und einen Verstoß der Deutsche Rücklagen gegen das Kreditwesengesetz gemeldet. Der Vorstandsvorsitzende Daniel Bauer begrüßt deshalb die Entscheidung der BaFin: "Unser Ansatzpunkt war, dass wir das ganze System als nicht seriös eingeschätzt haben."
Bauer ist der Ansicht, dass die Staatsanwaltschaft zum Unternehmensnetzwerk ermitteln sollte.
Ein Geschäftsmodell mit Fragezeichen
Bis Mitte April war auf der Homepage der Deutsche Rücklagen von einem Unternehmensnetzwerk die Rede, unter anderem wurde die Consigma-Gruppe genannt sowie weitere Firmen in Deutschland und der Schweiz. Ebenfalls bis Mitte April teilte die Deutsche Rücklagen im Netz mit, man gehöre zu einem Unternehmensnetzwerk, "das maßgeblich von zwei Personen gesteuert wird". Dabei handelt es sich demnach um einen Geschäftsführer der Deutsche Rücklagen und Dr. U. Ihn führt die Deutsche Rücklagen bis zum Umbau des Webauftritts als "Ideengeber und Gründer". Zudem ist Dr. U. wirtschaftlich Berechtigter zweier Firmen, die wiederum Gesellschafter der Deutsche Rücklagen sind. All diese Angaben sind nicht mehr auf der Homepage zu finden.
Laut Handels- und Transparenzregister ist Dr. U. zudem Vorstandsvorsitzender der Consigma Holding AG und Geschäftsführer von Hausverwaltungen der Gruppe. Er rechtfertigt die Nähe zur Deutsche Rücklagen und verteidigt die Anleihen: BR und hr liegen etliche Schreiben vor, in denen Dr. U. auf Fragen besorgter WEG eingeht und erklärt, er werde sich persönlich kümmern.
Drei Staatsanwaltschaften befasst
Inzwischen befassen sich nach Recherchen von BR und hr drei Staatsanwaltschaften mit dem mit dem Fall. Bisher haben die Staatsanwaltschaften in Stuttgart, Darmstadt und Wiesbaden kein Ermittlungsverfahren eröffnet.
Der Münchner WEG-Beirat Christian kann das nicht nachvollziehen: "Die ganzen Rücklagen in Deutschland, das sind Milliarden, die eigentlich Freiwild sind. Da scheint sich keiner drum zu kümmern." Seine WEG wartet immer noch auf mehr als 200 000 Euro. Als BR und hr nachfragen, schreibt Dr. U., für die Münchner WEG werde die Gutschrift laut Anleihebedingungen zum 30. Juni 2024 erfolgen.
Nach wie vor melden sich Wohnungseigentümergemeinschaften bei BR und hr, weil sie entdeckt haben, dass auch ihre Ersparnisse in Anleihen der Deutsche Rücklagen geflossen sind.
Wenn Sie Missstände melden wollen, können Sie sich per Mail an das Investigativteam des Bayerischen Rundfunks wenden: brrecherche@br.de
Manuskript des report-Films zum Druck
Manuskript als PDF:
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