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Vergoldeter Autoschrott Geschäftemacherei mit Altfahrzeugen

Jedes Jahr verschwinden in Deutschland über 100.000 stillgelegte Fahrzeuge. Werden die Autos illegal "ausgeschlachtet"? Experten warnen: Eine unsachgemäße KfZ-Entsorgung belastet Umwelt und Klima.

Von: Niklas Eckert

Stand: 10.09.2024

Vergoldeter Autoschrott: Geschäftemacherei mit Altfahrzeugen

Wir sind auf der Suche nach Geisterautos. Fahrzeuge, von denen niemand weiß, wo sie geblieben sind. Und davon soll es viele geben in Deutschland. Das Umweltbundesamt schätzt: Allein 2018 sind 360.000 Fahrzeuge verschwunden. Sie tauchen in keiner Statistik mehr auf. Könnte das ein Ort sein, an dem wir sie wiederfinden?

Zu Besuch in Leipzig bei Deutschlands größtem zertifizierten Autoverwerter. Christian Hauff muss heute diesen abgemeldeten Wagen verwerten, also Teile ausbauen, um sie noch weiterzuverkaufen. 

"Wir fangen jetzt an, das Fahrzeug trockenzulegen. Nach genauen gesetzlichen Vorschriften vom Bundesumweltamt und wir fangen an mit der Batterie. Die kommt jetzt zuerst raus, dann holen wir alle Flüssigkeiten runter, Klimagas. Und dann fangen wir an, wenn das Fahrzeug leer ist, von Flüssigkeiten her, fangen wir an die Teile, die wir für unser Lager benötigen, abzubauen. Und da legen wir los jetzt."

Christian Hauff, LRP Autorecycling

Einer der wichtigsten Schritte: Das Gas aus der Klimaanlage entfernen. Denn das ist extrem umweltschädlich. Zertifizierte Betriebe müssen sich an strenge Vorschriften halten. Ein Klimaabsauggerät kostet ungefähr zwischen 5000 und 8000 Euro, je nachdem. Der illegal sowas macht, der wird sich sowas nicht hinstellen. Der wird das Gas wahrscheinlich umweltschädlich in die Atmosphäre ablassen, was verboten ist.

Geisterautos sind ein lukratives Geschäft

Viele tausend Autos zerlegen Betriebe illegal, ohne Lizenz - meint Georg Mehlhart. Er forscht seit Jahren zu Geisterautos. Das sei ein lukratives Geschäft.

"Aktuell schätzt man, dass der Kostenvorteil für einen illegalen Betrieb, eben durch die illegale Entsorgung von Materialien oder auch die nicht ordnungsgemäße Entnahme von Recyclingmaterial, dass der Kostenvorteil für einen illegalen Betrieb, zwischen 300 und 500 Euro pro Fahrzeug ist."

Georg Mehlhardt, Experte für Kreislaufwirtschaft

Betriebe ohne Lizenz saugten etwa das Klimagas nicht mit teuren Maschinen ab. Das Umweltbundesamt schätzt, dass so 2018 167.000 Tonnen CO2-Äquivalente freigesetzt wurden. Ungefähr der gleiche Klimaeffekt, wie wenn 360.000 verschwundene Altautos von München nach Madrid fahren würden.

Wir fahren ins Ruhrgebiet und treffen einen Informanten, der seit Jahrzehnten in der Autoverwertungsbranche arbeitet. Er möchte anonym bleiben. Im Internet sucht er für uns nach Angeboten für gebrauchte Autoteile, die illegal sein könnten. In einem ist von einem Schlachtfest die Rede.

Gespräch mit Informant

Informant:"Also der erklärt ganz klar durch den Begriff Schlachtfest, man kann Teile bei ihm aus einem Auto ausbauen. Wenn er sagt, Versand möglich, dann hat er die Teile schon ausgebaut. Es ist legal, wenn es von einem Altautodemontagebetrieb demontiert ist. Halte ich aber für sehr unwahrscheinlich. Und dann könnte es sein, wenn er es selbst demontiert hat und keine Zertifizierung hat, dann ist es illegal."

report München: "Man kann davon ausgehen, es ist kein Gebrauchtfahrzeug, es ist ein Altfahrzeug?"

Informant: "Richtig, es ist ein Altfahrzeug. Also wenn jemand 'Schlachtfest' schreibt, dann geht er davon aus, dass das Auto auseinandergenommen wird."

Bei Gebrauchtwagen Teile auszubauen ist legal - bei Altfahrzeugen nicht

Bei einem Gebrauchtwagen Teile auszubauen und zu verkaufen, ist legal. Soll das Auto aber gar nicht mehr gefahren werden, gilt es als Altfahrzeug. Das darf nur ein zertifizierter Betrieb zerlegen. Die Grenze zwischen Altfahrzeug und Gebrauchtwagen ist oft nicht ganz klar.

Wir wollen den Betrieb, der das Schlachtfest angeboten hat, anschauen. Werden hier wirklich ohne Lizenz Altautos zerlegt? Wir sehen uns auf dem Gelände um. Finden viele demontierte Ersatzteile.

Ein Mitarbeiter spricht mit uns abseits der Kamera. Sie würden die Teile vor Ort ausbauen, er beteuert, alles sei legal. Er gibt uns die Nummer der Chefin. Wir sollen uns telefonisch melden.

Handelt der Betrieb nur mit Teilen von Gebrauchtwagen? Oder verwertet er etwa auch Altfahrzeuge? Das dürfen nur anerkannte Betriebe, die in der sogenannten GESA-Liste stehen. Die GESA, eine Einrichtung der Bundesländer, erfasst alle legalen Autoverwerter. Unter dem Namen des Betriebs aber gibt es keinen Treffer. Ob er auch Altfahrzeuge verwerten darf, ist daher fraglich.

Warum können Autos so einfach spurlos verschwinden?

Aber warum scheint es so einfach zu sein, Altautos zu zerlegen? Das Problem: Ist ein Auto sieben Jahre lang abgemeldet, werden die Fahrzeugdaten automatisch, ohne eine weitere Überprüfung, gelöscht. Was danach mit dem Auto passiert, wissen die Behörden nicht.

Das sieht sogar der Verband der Automobilindustrie kritisch.

"Nach sieben Jahren ist das Auto faktisch weg. Das müssen wir ändern. Das heißt, wir wollen einen Verwertungsnachweis haben, dass wir wissen, wo die Autos sind."

Andreas Rade, Geschäftsführer Verband der Automobilindustrie

Heißt: Wer ein Auto abmeldet, müsste angeben, was damit danach geschieht. Oder beispielsweise weiter KFZ-Steuer bezahlen.

Wir fragen das Bundesverkehrsministerium, was es von dem Vorschlag hält - Die Antwort: Derzeit werde eine "Altfahrzeugeverordnung auf europäischer Ebene diskutiert. Dieser Diskussion wollen wir nicht vorgreifen."

Also erstmal abwarten?

"Bis die Regelungen der EU verbindlich greifen, bis dahin vergehen ja noch weitere fünf Jahre."

Georg Mehlhardt, Experte für Kreislaufwirtschaft

Die Bundesregierung könne stattdessen schnell selbst handeln und neue Regeln beschließen. Wir rufen bei dem Betrieb an, der das Schlachtfest angeboten hatte. Ein Mitarbeiter hatte uns die Nummer der Chefin gegeben:

Telefonat

report München: "Wir haben ja gesehen, dass Sie Teile verkaufen und ausbauen und wir fragen uns halt, wo die herkommen. Also bauen Sie die aus den Autos aus und wenn ja, haben wir Sie nicht auf der GESA-Liste gefunden."

Die Chefin sagt uns, man habe "kein Interesse daran die Fragen zu beantworten.

report München: "Dann weiß ich Bescheid, danke Ihnen. Schönen Tag."

Also kein Kommentar. Das erleben wir bei unseren Recherchen immer wieder. Unser Fazit: Die Entsorgung von Autos gehört auf den Prüfstand. Und zwar sehr dringend.

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