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Die Deutschen und das E-Auto Ein schwieriges Verhältnis

Während Länder wie China ganz auf das E-Auto setzten, sind die CO2-neutralen Flitzer in Deutschland oft Ladenhüter. Der Anteil der E-Autos an den insgesamt verkauften PKW lag 2023 bei 25% und liegt 2024 (Jan-Aug) bei nur noch 19%. Tendenz weiter fallend. Tausende Arbeitsplätze sind deshalb in Gefahr. Warum verschmähen die Deutschen das E-Auto? Sind es die fehlenden Ladestationen, der mitunter teure Strompreis oder die Wankelmütigkeit der Politik? report München sprach mit Experten, Autoverkäufern und -Herstellern.

Von: Oliver Mayer-Rüth

Stand: 22.10.2024

Die Deutschen und das E-Auto: Ein schwieriges Verhältnis

Miese Stimmung in Sachsen bei VW-Mitarbeitern. Die Angst geht um, das Elektro-Auto-Werk in Zwickau könnte geschlossen werden.  

"Sorgen, die haben wir - denke ich - alle, egal um wen es geht. Weil es betrifft nicht nur uns als Mitarbeiter. Es betrifft die ganze Region. Insgesamt sind es ja ungefähr 60.000 Mann, die dann indirekt auch mit betroffen sind und wir hoffen ganz sehr, dass es unser Werk nicht betrifft."

Christian Hölig, VW-Mitarbeiter

Deutschlands Automobilindustrie geht es schlecht. Die IG-Metall hat VW-Mitarbeiter aller Werke Ende September nach Hannover eingeladen, um zu demonstrieren. Weil Zwickau seit 2019 voll auf Elektroautos umgestellt hat und der Verkauf in diesem Jahr deutlich zurückgegangen ist, sind die Sachsen besonders laut. Was läuft in Deutschland schief beim Thema Elektromobilität?

Warum kaufen die Deutschen keine E-Autos?  

Der grüne Wirtschaftsminister Habeck hat vergangen Dezember die deutsche Elektromobilität massiv unter Druck gesetzt, als er die staatliche Förderung von mehreren Tausend Euro beim Kauf von Elektro-Autos stoppte.   

"Wir werden die Umweltprämie, also die Förderung für E-Mobile, auslaufen lassen."

 Robert Habeck, Bundeswirtschaftsminister

Vor Habecks Entscheidung lag der Anteil der E-Autos bei allen verkauften PKW in Deutschland bei 25%. In diesem Jahr ist der Verkauf um 6% gefallen.  

Das Nürnberg Institut für Marktentscheidungen hat eine Umfrage zu Elektroautos durchgeführt, die report München exklusiv vorliegt. Demnach sagen 41% der E-Auto-Besitzer, eine staatliche Förderung sei der wichtigste Grund für die Anschaffung gewesen. 

Prof. Ferdinand Dudenhöffer sieht die Verantwortung für den Kaufrückgang vor allem beim grünen Vizekanzler.  

"Habeck hat eigentlich alles vermasselt. Und was ist passiert, was alle erwartet haben, das Elektroauto ist in den Graben gefahren in Deutschland. Wir brauchen einen Neuansatz, um die Bevölkerung, die Menschen vom Elektroauto zu überzeugen."

 Prof. Ferdinand Dudenhöffer, Wirtschaftswissenschaftler

Sind nur politische Entscheidungen Schuld an der Krise?

Zwickau in Sachsen. 125 Jahre Automobilgeschichte. Hier wurde der erste Audi und auch dessen Vorgängermodell "Horch" gebaut. Später dann der Trabant. Die Zwickauer sind stolz auf ihre Historie. Sie nennen ihre Stadt in Anlehnung an einen großen Autobauer im Südwesten: das Stuttgart des Ostens. In Zwickau steht das erste deutsche hundertprozentige Elektroautowerk der Volkswagengruppe.   

Christian Sommer ist Pressesprecher des VW-Konzerns in Sachsen. Er fährt mit uns durch Zwickau im zurzeit kleinsten VW-Elektroauto. Die Politik der Bundesregierung habe dazu geführt, dass die Nachfrage weniger wurde, sagt Sommer.   

"Wir haben als Standort sofort gemerkt, als die Förderprämie wegfiel, dass die Bestelleingänge zurückgegangen sind."

  Christian Sommer, Pressesprecher VW Sachsen

Doch sind es nur politische Fehlentscheidungen, die dazu führen, dass Verbraucher wenig Interesse am Elektro-Auto haben? 

Sommer bringt uns zu einem Händler in Zwickau. In den Ausstellungsräumen stehen bis auf ein Elektromodell nur Verbrenner. Das Erlebnis Elektromobilität findet beim Händler so gut wie überhaupt nicht statt.  

Gespräch beim Händler

report München: "Warum haben Sie hier vorne nicht lauter Elektroautos stehen? Erklären Sie es noch einmal." 

Katja Knorr, VW-Autohaus Kießling: "Weil der Kunde Beides wünscht, und deswegen gehen wir auf den Kunden ein und bieten beides an." 

report München:"Wenn der beides wünschen würde, dann würden doch hier halbehalbe Elektroautos und Verbrenner stehen." 

Katja Knorr, VW-Autohaus Kießling: "Wenn wir das mal von der Produktpalette sehen, so viele haben wir da nicht. Hälfte/Hälfte ist es noch nicht." 

report München:"Naja, aber es gibt ja den ID-3, ID-4." 

Katja Knorr, VW-Autohaus Kießling: "Da steht der ID-7 Touran, das ist unser neuestes Modell und das haben wir jetzt hier ausgestellt." 

report München:"Ich versuche einfach nur zu verstehen, warum das so vom Verhältnis her ist." 

Katja Knorr, VW-Autohaus Kießling: "Weil die Nachfrage auch dazu noch nicht auf dem Niveau ist, dass das ausschließlich - ich habe Ihnen ja vorhin gesagt, ungefähr 10% E-Mobilität, der Rest Verbrenner, und das muss ich auch hier abbilden. Aber wir sind offen für alles." 

Verbraucher, die kein E-Auto kaufen wollen, nennen laut exklusiver Umfrage vor allem folgende Gründe:  

  • Unzureichende Reichweite 
  • Schlechte Ladeinfrastruktur 
  • Hohe Anschaffungskosten 

Was ist dran an den Vorbehalten der Verbraucher?   

"Das Auto hier hat eine Reichweite von durchschnittlich - hängt ja auch immer von der Fahrweise ab - 450 km. Wenn man sehr sparsam fährt, kommt man auch an die 600."

 Christian Sommer, Pressesprecher VW-Sachsen

Das Auto koste abhängig von der Ausstattung zwischen knapp 30.000 und knapp 60.000 Euro. Was sagt der Zwickauer?   

"Wenn ich meinen jetzt vergleiche, wo ich im Frühjahr beim Reifenwechsel war, beim VW-Händler, stand der ID-3 drinnen für 53.000. Für meinen jetzigen habe ich bloß 24 bezahlt. Das ist schon..."

 Autofahrer

Warum weiß er nicht, dass es das Auto unter 30.000 gibt?

"Gut, die Kampagne ist erst neu. Er wird es erfahren."

 Christian Sommer, Pressesprecher VW-Sachsen

Auch der Konzern muss also noch Hausaufgaben machen. In Zwickau war man immer der Meinung, die Elektromobilität sei die Zukunft. So auch Christian Hölig, den wir im Bus nach Hannover kennengelernt haben.  

"Die Situation ist natürlich für uns alle sehr bedrückend, so möchte ich es ausdrücken, weil, viele sind schon viele, viele Jahre da. Und haben sich schon immer hierdurch eine Zukunft aufbauen wollen und können. Und die sehen wir halt jetzt langsam etwas gefährdet."

 Christian Hölig, VW-Mitarbeiter

"Wir haben jetzt im August die Schicht reduziert, von 3-Schicht-Betrieb auf 2-Schicht, in beiden Fertigungshallen und damit reduziert sich unsere Ausbringung um entsprechend 500 Einheiten pro Tag."

 Christian Sommer, Pressesprecher VW-Sachsen 

Vorher haben sie 1500 E-Autos am Tag ausgeliefert. Stückzahlen, über die man im Fernen Osten nur milde lächeln kann. In China sind Elektroautos günstiger als in Deutschland.  

Ständig gibt es Innovationen. Ein Problem für deutsche Autobauer: China ist einer der wichtigsten Absatzmärkte. Doch Elektroautos aus Deutschland sind im Vergleich zu teuer. Wenn die deutsche Automobilindustrie weiterhin nach Fernost exportieren will, gehe dennoch an der Elektromobilität kein Weg vorbei. 

"Nach meiner Einschätzung ist die Zukunft wirklich die Elektromobilität. Wir brauchen das, um die CO2-Werte nach unten zu bringen. In China werden mittlerweile mehr als 50% der Neuwagen als NEV, also new energy vehicles, das sind Plug-In und Elektroautos, verkauft und das wird auch zu uns kommen."

 Prof. Ferdinand Dudenhöffer, Wirtschaftswissenschaftler

Teurer Strom an vielen Ladesäulen

Dafür sind die Preise vieler E-Autos aber noch zu hoch und auch der Strom an Ladesäulen ist oft noch zu teuer, sagen die Hersteller. 

"Der Ladestrompreis an den Ladestationen ist unterschiedlich und das ist genau das Problem. Deswegen fordert die deutsche Industrie, dass wir da eine Vereinheitlichung haben. Es muss für den Kunden einfacher sein und es muss vor allen Dingen für den Kunden bezahlbar sein und spürbar günstiger als das Tanken an der Tankstelle."

 Christian Sommer, Pressesprecher VW-Sachsen

Laut Bundesnetzagentur können E-Autobesitzer an rund 140.000 Ladesäulen in Deutschland Strom laden. Es gibt private Unternehmen, die Strom an Ladesäulen verkaufen; aber oft sind es die Stadtwerke. Das führt zu hohen Preisunterschieden. 

"Es ist richtig, dass diese Differenzen und diese Streuungen in den großen Strompreisen dazu führen, dass man mit Benzinern heute teilweise genauso gut liegt, bei der Tankrechnung wie bei einem Elektroauto und das ist natürlich zusätzlich ein Hinderungsargument, weil das große Argument war immer, mit Strom zu fahren ist preisgünstiger."

 Prof. Ferdinand Dudenhöffer, Wirtschaftswissenschaftler

Das Münchner Unternehmen Qwello ist privater Anbieter von Ladesäulen. Der Geschäftsführer von Qwello Deutschland, Lars Balzer, kritisiert die Vergabeverfahren für den Bau von Ladesäulen. Sein Unternehmen werde in vielen deutschen Städten gegenüber Stadtwerken benachteiligt.    

"Das Ziel muss sein, in den Städten den Wettbewerb zu verstärken, damit E-Mobilität preisgünstiger wird, damit mehr Leute es machen und das funktioniert nicht, wenn ich nur einen Anbieter habe. Deswegen wäre es halt schön, Stadtwerke können gerne mitmachen, aber eben auch andere private Anbieter, wie wir auch."

  Lars Balzer, Geschäftsführer Qwello Deutschland

Das Bundeskartellam bestätigt: "Zahlreiche Städte und Kommunen haben geeignete öffentliche Flächen für Ladesäulen überwiegend oder sogar ausschließlich an das eigene kommunale Stadtwerk oder einzelne Anbieter vergeben. (...) Die Gefahr höherer Ladestrompreise steigt." 

Außerdem sagt das Kartellamt, der Gesetzgeber könnte dieses Problem beheben. Doch was macht der grüne Wirtschaftsminister in diesen Tagen? Er lässt sich von Fernsehkameras beim Besuch eines E-Auto-Werks in Niedersachsen filmen und gibt den Visionär.  

"Das ist die Zukunft und wir müssen an der Zukunft arbeiten und nicht die Vergangenheit konservieren."

 Robert Habeck, Bundeswirtschaftsminister

Von einer Kaufprämie, wie sie Experten fordern, will Habeck nichts wissen. Unsere Interviewanfrage hat er nie beantwortet.  

Zurück bei der Demonstration in Hannover. VW-Mitarbeiter widersprechen Habeck. Sie sagen eine neue Kaufprämie sei nötig und wenn der Konzern die Arbeitnehmer weiter beschneiden will, habe man entsprechende Mittel. Christian Hölig äußert sich auf dem Rückweg nach Zwickau kämpferisch 

"Ja, wenn es halt gar nicht anders geht, dann stehen die Werke still. Wenn sie es nicht anders wollen, dann muss es leider so weit eskalieren."

 Christian Hölig, VW-Mitarbeiter

Für die Mitarbeiter gibt es dann doch noch eine gute Nachricht: Anfang Oktober wird der Preis für eines der E-Autos auf unter 30.000 Euro gesenkt. Seitdem seien die Bestellungen um 25% gestiegen.   

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Wolfgang Lauerer, Mittwoch, 23.Oktober 2024, 09:19 Uhr

8. Ladezeiten

In ihrem Bericht wurden die Ladezeiten übersehen. Das heißt es dauert ca. 30 Minuten bis das Auto von 20% auf 80% geladen ist. Bei einem Verbrenner geht das viel schneller.

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Häfner , Mittwoch, 23.Oktober 2024, 08:51 Uhr

7. Reportage zu E-Auto

S.g.D. und H,

meiner Meinung nach war der Bericht unvollständig. Viele in meinem Umfeld und ich selber natürlich lehnen den Kauf eines E-Autos ab, da nicht gesichert ist, wie die Umweltverschmutzungen und Arbeitsbedingungen in den Ländern gelöst werden, die für unser Sauberimage Silicium und Kobalt abbauen. Es gab dazu mal super Reportagen in der ARD. Warum wird so etwas nicht weiter verfolgt oder zumindest bei neuen Lobeshymnen über das E-Autos in Betracht gezogen. Hauptsache Germany ist sauber. Das E-Auto wird sich durchsetzen. Aber zu welchen Bedingungen?

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W.K., Dienstag, 22.Oktober 2024, 23:06 Uhr

6. Das günstige E-Auto hätte es geben können

Beinahe hätte es ein zahlbares E-Auto gegeben, so eine Art Elektro-Touran für 25500 (später 29500) Euro: den Sion. Prototypen gab es (bin selber drin gesessen). Leider fehlten rund 100 Mio Euro für den Start der Serienfertigung. Öffentliche Förderung /Garantien soweit mit bekannt Fehlanzeige. VW etc. hätten sich über ein solches Fahrzeug vielleicht weniger gefreut. Für die deutsche Volkswirtschaft wäre es sicher gut gewesen. An Fernsehberichte über den Sion kann ich ich übrigens nicht erinnern.

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R.M., Dienstag, 22.Oktober 2024, 22:49 Uhr

5. Irreführende und tendenziöse Berichterstattung

Guten Tag. Wurde das Redaktionsteam vom VW PR Apparat völlig eingelullt? Drastische Preissenkungen als Verzweiflungstat machen ein schlechtes, nicht wettbewerbsfähiges E-Fahrzeug auch nicht besser. Die Mitarbeiter*innen im VW Werk Zwickau tun mir leid, denn sie sind das Opfer frustrierter VW-Kunden und einer falschen Unternehmensstrategie, die nicht auf diese disruptive Technologie der Elektromobilität vorbereitet und in der Lage war, effiziente Antriebssysteme und die entscheidende Softwaretechnologie dafür zu entwickeln. Also ist VW (und Audi) definitiv eines der schlechtesten Beispiele, e-Mobilität zu promoten und in ein objektiv gutes Licht zu stellen. Und das in einer zurückgebliebenen Gesellschaft, die noch nicht begriffen hat, an Bahnschranken den Verbrenner abzustellen, um einen Beitrag für den Klimaschutz zu leisten. Es gibt kein Reichweiten- und Ladeproblem bei den Technologieführern und ja, E-Mobile sind oft teurer. Transformation hat ihren Preis, den wir alle tragen müssen.

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Jochen Seidel, Dienstag, 22.Oktober 2024, 22:22 Uhr

4. Habeck ist nicht am Stopp der E-Auto-Prämie schuld

Statt „ehrlicher und investigativer Journalismus“ (Eigenwerbung Monitor München) wird wieder einmal unwahres und populistisches Grünen-Bashing betrieben. Ein Schelm, wer daran denkt, dass diese Sendung aus der CSU-Hauptstadt gesendet wird.
Im Beitrag wird mehrmals wörtlich „Herr Habeck hat die Kaufprämie für E-Autos Ende 2023 kurzfristig auslaufen lassen.“
Richtig ist: Zum Glück leben wir in einer Demokratie, in der eine Regierung Entscheidungen trifft und nicht in einer Diktatur, wo Einzelpersonen das Sagen haben. Die Entscheidung wurde also von allen 3 Parteien der Koalition gemeinsam getroffen, unter der inhaltlichen „Führung“ des Kanzlers. Weiterhin wurde die Entscheidung durch einen Gerichtsbeschluss notwendig (Quelle: Bundesregierung.de). Darüber wurde kein Wort verlassen. SO funktioniert „ehrlicher“ Journalismus NICHT, liebe Monitorianten. Schade eigentlich. Ich dachte, ihr seid besser.

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