Die unsichtbare Mafia - Kreditkartenkriminalität im Cyberspace
Die Internetkriminalität nimmt weiter zu warnen das Bundeskriminalamt (BKA) und der Bundesverband für Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. BITKOM am 30. Juni 2011 in Berlin bei der Vorstellung ihres Lagebildes "Cybercrime 2010. report MÜNCHEN zeigt, wie die Internetgangster ganz gezielt Arbeitslose ins Visier nehmen, die ihnen beim "cash out", dem "Zu Geld machen" der erbeuteten Daten helfen sollen.
report MÜNCHEN berichtete am 26.4.2010:
Hartmut T. hat Angst vor der Russenmafia. Schuld ist diese Stellenanzeige. Er hat sich auf das Jobangebot dieser Logistik-Firma als Paketumverpackungs-Assistent beworben. Obwohl der Vertrag in fehlerhaftem Deutsch verfasst war, hat er keinen
Verdacht geschöpft.
Hartmut T.:
"Mein Job wäre gewesen Pakete zu empfangen und weiter zu versenden. Ich bin arbeitslos, 20 Euro pro Paket … Habe ich mir gedacht."
Heute steht fest: Hartmut T. ist der Russenmafia auf den Leim gegangen. Die neue Masche: Teure Elektrogeräte aus Onlineshops zahlt sie mit geklauten EC- und Kredit- Kartenkartendaten. Ein Riesengeschäft. Bei den illegalen Anbietern im Netz gibt es die Daten Millionenfach zu kaufen. Ein Riesengeschäft. Doch das funktioniert nur, wenn die Waren später wieder zu Geld gemacht und die Spuren verwischt werden.
100 Kreditkarten kosteten vergangenen Freitag gerade mal 650 Dollar. Zum schnellen Einsatz der frisch geklauten Daten und verschieben der Waren aber braucht die Mafia Personal!
Recherche in Tel Aviv. Wie eine Krake hat sich die Mafia im Internet breit gemacht. Das beobachtet man bei der High Tech Firma RSA, die weltweit die Netze von Banken und Firmen schützt. Hier hat man die ganze Betrugskette aufgedeckt:
Uri Rivner, RSA, The Security Division of EMC:
"Nachdem die Kriminellen die Daten stehlen, geht es ja erstmal nicht mehr weiter. Sie müssen die Daten jetzt zu Geld machen."
Dem sind die Mitarbeiter hier den auf der Spur. Für ihre Einkäufe aus dem Onlineshop, die sie mit den geklauten Kreditkarten zahlen, brauchen die Kriminellen unverdächtige Adressaten. Und die beschaffen sie sich so:
Uri Rivner, RSA, The Security Division of EMC:
"Kennen Sie die Firma Airparcel Express? Ich habe hier eine Anzeige. Hier ist alles Betrug! Die Firma gibt es gar nicht. Es ist nur ein Trick um Paketagenten anzustellen. In dieser schlechten wirtschaftlichen Lage werden sich viele bewerben. Man kann von zu Hause arbeiten und kriegt Geld, einfach indem man Pakete hin und her schickt."
Eine vermeintlich legale Versand-Tätigkeit, das gaukeln die Anzeigen alle vor. Hartmut T. zeigt uns, wie die Aufträge laufen. Er bekommt die Anweisung zum Paketversand per Mail. Sein Kontakt: Lisa Baker:
Hartmut T.:
"Die Lisa war mein Manager."
Am 22 März schreibt sie ihm: "Bitte versenden Sie heute: Ich verlasse mich auf Sie."
Ein Päckchen mit einer Digitalkamera sei an ihn unterwegs, schreibt Lisa. Sie schickt einen Versandaufkleber, Hartmut T. soll das Päckchen umetikettieren und weiterschicken.
Doch statt den Auftrag auszuführen gibt er uns den Aufkleber. Eine heiße Spur. Sie führt nach Prag. Ein gewisser Ruslan K. ist der Adressat. Ihn wollen wir aufspüren.
Hier soll er wohnen, in einem Studentenwohnheim mitten in der Stadt. An die Tausend Einwohner hat dieser Block. Die Taktik der Kriminellen, so heißt es in der Szene: Spuren verschleiern. Das macht polizeiliche Ermittlungen schwieriger. Die Hintermänner sind schwer oder nie zu fassen. Doch einer wohnt hier und - das verrät der Aufkleber an der Tür - mit Kurierdiensten hat er wohl zu tun.
Unser Klopfen hat den Freund von Ruslan geweckt. Ruslan selbst will nicht aufstehen. Also fragen wir ihn, ob Pakete aus Deutschland für Ruslan hier eingehen? Ja, sagt der, oft. Ist das Ruslans Job? Nein, ist die Antwort, nur ein Nebenjob, sein Freund sei Student.
Ob diese Tarnadresse in Prag jetzt durch unseren Besuch verbrannt ist? Für die Kriminellen spielt das keine Rolle. Sie haben Zugriff auf zig-Tausend weitere Adressen.
In einem Internetcafé treffen wir einen Informanten. Er zeigt uns: DHL Packstationen, die 24 h Briefkästen vieler Deutscher, sind jetzt im Visier der Russenmafia. Um den Weg der Hehlerware noch besser zu tarnen, besorgen sie sich illegale Zugänge zu Packstationen und verkaufen sie zu den Kredit- und EC-Kartendaten gleich dazu.
Die Post erklärt gegenüber report MÜNCHEN dazu:
"Durch …Phishing Mails oder eindeutige Kaufangebote in Online-Blogs versuchen Internet-Kriminelle…, die Daten von DHL Packstationsnutzern abzugreifen."
Ein High Tech-Krimi. Hartmut T. hat sich unterdessen bei der Polizei gemeldet. Denn er hat gemerkt, dass da bei seinem Job etwas falsch läuft. Selbst wer gutgläubig umetikettiert, ist vor Strafverfolgung nicht geschützt, erklärt Cyber Crime Experte Benno Jahn von der Münchner Polizei:
Benno Jahn, Polizei München:
"Wenn der Warenagent Pakete entgegen nimmt und in das osteuropäische Ausland weiterleitet, dann kann er hier wegen Geldwäsche bzw. wegen Verschleierung unrechtmäßig erlangter Vermögenswerte belangt werden. D.h. also bis zu 5 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe oder, in schweren Fällen sogar bis zu 10 Jahre."
Der Paketagent ist also dran. Doch wer aussteigen will, wie Hartmut T., muss noch Schlimmeres fürchten:
Hartmut T.: "Ich habe einen Anruf bekommen, wo ich massiv bedroht wurde, eine massive unmittelbare Bedrohung. Die wollen erreichen, dass man weiter macht, dass man zum Hehler wird, dass man zum Verbrecher wird."
Millionen von Kredit- und EC-Kartennummern werden online gehandelt. Milliarden damit verdient. Die Mafia operiert aus sicherer Distanz.