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Salafisten in Deutschland Die Strukturen der radikalen Islamisten unter dem Radar der Behörden

Die radikalen Islamisten sind sehr gut in Deutschland organisiert. Einer ihrer Anführer ist Sven Lau, der bekannt wurde durch die so genannte Sharia-Polizei. Jetzt hat Sven Lau auch dazu aufgerufen, auf Flüchtlinge zuzugehen. Doch das ist noch nicht alles. Die Struktur der Salafisten reicht bis zum brutalen Islamischen Staat in Syrien. Dort taucht ein ehemaliger V-Mann des Verfassungsschutzes in einem Propaganda-Video auf, das belegen exklusive Recherchen von report München.

Von: Hendrik Loven, Ahmet Senyurt

Stand: 13.10.2015 | Archiv

Sie sind gerettet, sicher am Bestimmungsort angekommen, eine Registrierungsstelle für Flüchtlingen in Berlin. Hier erhalten sie Essen und medizinische Versorgung.

Die Palästinenserin Safa´a betreut Flüchtlinge und sie beobachtet, wie radikale Salafisten Kontakt zu ihnen aufnehmen.

Safa´a:„Wir waren einmal hier, und einmal, ungefähr um 10 Uhr in der Nacht, kamen eine Gruppe, die sehen eigentlich wie Extreme (…) und dann haben die Leute zusammen mit der Person eng gesprochen. Und dann wenn die Person ja sagte, ich komme mit, mehrere Personen waren in dem Auto und dann Auto ist weg.“

Das was Safa´a beobachtet hat, davor warnt der Verfassungsschutz in NRW. Dabei beruft er sich auf dieses Video. Die radikalen Salafistenprediger Pierre Vogel und Sven Lau fordern dazu auf sich um die Flüchtlinge zu kümmern.

Pierre Vogel (youtube Video): „Ihr müsste euch das vorstellen, viele Missionare sind da draußen, die wollen die Menschen vom Islam wegbringen. Die wollen dir zeigen, wir haben viel mehr Nächstenliebe und wir wollen diese Leute nicht verlieren, wir wollen Herzen gewinnen.“

Provokation oder Anwerbung?  Seven Lau hat das Video auf seine Seite gestellt. Der Verfassungsschutz warnt vor dem einflussreichen Salafistenprediger.

Burkhard Freier, Verfassungsschutzpräsident NRW: „Ich halte Sven Lau für gefährlich, weil er mit seinen Predigten und seinen Taten, Aktionen den Nährboden setzt für einen Salafismus, der nicht nur politisch ist, sondern jihadistisch.“

Harte Vorwürfe. Tatsache ist: Lau polarisiert, wenn er für seine „Scharia-Polizei“ wirbt. Oder für einen „Sprachkurs in Ägypten“ die Trommel rührt. Er wirbt um “Hilfslieferungen für ein Krankenhaus in Syrien“ und immer begleitet ihn eine Kamera. So wurde aus dem unscheinbaren Konvertiten ein Idol für junge Muslime.

Bei unseren Recherchen stoßen wir auf diese Fotos. Sie zeigen Sven Lau in Splitterschutzweste. In der Öffentlichkeit distanziert sich er sich von Gewalt und dem Islamischen Staat, kurz IS. Sven Lau stellt sich unseren Fragen.

Report München: „Es gibt Bilder von Ihnen in der Splitterschutzweste, mit Zielscheibe, Finger nach oben, Glaubensbekenntnis-Käppi, alles Symbole die man dem IS zuordnen kann. Was sagen Sie dazu?“

Sven Lau:„Dieses Foto habe ich auch nicht veröffentlicht, letztendlich hätte man das nicht machen müssen. Ich habe das einfach aus Spaß gemacht und mir nix dabei gedacht und letztendlich wird auch der Spaß bei uns umgedreht.“

Ein Spaß, der Behörden alarmiert.

Burkhard Freier, Verfassungsschutzpräsident NRW:  „Er kennzeichnet sich insbesondere dadurch, dass er in Worten und Taten Aktionen unterstützt, wie diese Lies-Aktion bei der nicht nur rekrutiert wird, was nicht nur Propaganda bedeutet, sondern wo immer auch ein Nährboden entsteht für die Ausreise nach Syrien.“

Bei der Lies-Aktion verteilen Salafisten in Innenstädten kostenlos Korane. Viele, die bei Lies aktive waren, kämpfen nun für den IS in Syrien, so wie Ahmad. Er ist in Solingen geboren, war bei Lies aktive.

Ahmad war auch Schatzmeister des inzwischen verbotenen Islamistenvereins „Millatu Ibrahim“.  Eine brutale Salafisten-Bewegung, die Gewalt nicht scheute und Abgrenzung predigte. Anfang Mai 2012 griffen Millatu Ibrahim Aktivisten Polizisten bei einer Demonstration in Bonn an. Wenig später wurde der Solinger Verein verboten.

Heute kämpft Ahmad für den IS in Syrien, das zeigt dieses neue Propagandavideo. Im selben Film taucht wenig später ein älterer Mann auf. Wer ist das?

Wir versuchen Kontakt mit Ahmad aufzunehmen, schreiben ihn an und fahren zu seiner letzten Adresse nach Solingen.

Wir kommen mit den Nachbarn ins Gespräch.

Nachbar: „Ahmad ist das. Der Vater ist Palästinenser und Mutter ist Polin. Und der ist mit seinem Vater abgehauen.“

Wir zeigen dem Nachbarn ein weiteres Foto. Wer ist dieser Mann?

Nachbar: „Das ist der Vater.“

Report München: „Würden Sie sagen, der Vater ist auch radikal?“

Nachbar: „Der Vater ist richtiger, richtiger Radikaler ist das. Die sind zusammen nach Syrien abgehauen.“

Youses Abu Ghazaleh, der Vater, begrüßt in dem neuen IS-Propagandavideo mit einem Kleinkind seinen Sohn Ahmad. Der IS-Kämpfer kommt von der Front nach Hause. Die IS-Propaganda zeigt drei Generationen einer Familie, die für den Islamischen Staat stehen sollen. Deutsche Familienidylle mit Kalaschnikow. Wie konnte es soweit kommen? Denn Yousef Abu Ghazaleh ist für die Behörden kein Unbekannter. Er hat als V-Mann für den Verfassungsschutz in NRW gearbeitet, das belegen Informationen, die report München exklusiv vorliegen. Aus denen geht hervor:

„Das langjährige Arbeitsverhältnis wurde seitens der Abteilung sechs beendet, weil Abu Ghazaleh längere Zeit keine sinnvollen Informationen mehr gebracht hat und immer neue Geldforderungen stellte.“

Im NRW-Innenministerium heißt es auf Nachfrage: „Dazu äußern wir uns nie.“

Zurück in Berlin. Mohammad floh vor den IS-Kämpfern. Dass ihn vor der Registrierungsstelle ausgerechnet Salafisten bekehren wollen, schockiert ihn.

Mohammad: „Ich hätte natürlich nie erwartet hier auf solche Leute zu stoßen. Ich dachte, solche Personen gibt es in Europa nicht. Dann fand ich heraus, dass diese Kreise schon seit vielen Jahren, mehr als zwanzig Jahren, hier aktiv sind. Das war mir unbekannt, als ich hierher kam. Ich war schon geschockt.“

Flüchtlinge wie Mohammad wissen mit den radikalen Salafisten umzugehen, hoffentlich gilt das auch für deutsche Behörden.

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