Report München


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Sicherheit im Öffentlichen Raum Wie groß ist die Herausforderung?

Deutschland ist nach wie vor im internationalen Vergleich ein sicheres Land. Aber an Brennpunkten gibt es große Probleme mit Kriminalität. report München sprach mit Anwohnern und Behörden. Gibt es Lösungsansätze?

Von: Ulrich Hagmann, Gabriele Knetsch, Clara Westhoff, Marie Grauel

Stand: 11.03.2025

Sicherheit im Öffentlichen Raum: Wie groß ist die Herausforderung?

Momentaufnahmen an einem Montagabend. Ein Park vor dem Bahnhof der bayerischen Universitätsstadt Regensburg.

Momentaufnahme im Park

report München: "Das ist eine unangenehme Situation."

Passantin: "Mit dem Typen gerade, ja der hat mich auch voll gegen den Zaun da geschleudert, der mit de grünen Jacke der."

Obwohl der Park ausgeleuchtet und videoüberwacht ist, werden hier Drogen gehandelt und konsumiert.

Passantin: "Kannst Du bitte weitergehen?"

report München: "Jetzt ist gut, jetzt ist gut."

Passantin: "Also ich habe gesehen, vorhin da war irgendwie eine Security, aber der hat auch nicht die Polizei gerufen. Versteh ich nicht."

Nach einer gefühlten Ewigkeit kommt die Polizei - solche Szenen beeinträchtigen das Sicherheitsgefühl der Menschen. In den letzten Jahren hat das Sichergefühl in Deutschland stark abgenommen.

Deutschland gehört zu den 20 sichersten Ländern der Welt

Dabei gehört Deutschland zu den 20 sichersten Ländern der Welt. In Hamburg sank die Zahl der Straftaten letztes Jahr um 4%. Im Stadtteil St. Georg merken sie davon nichts. Seit die Stadt die Sicherheitsmaßnahmen am Hauptbahnhof verstärkt hat, verlagert sich das Problem hierher. Schon früh am Morgen sind Suchtkranke zu sehen.

Die Kita um die Ecke schützt sich mittlerweile mit Natodraht und zwei Väter haben im Januar eine Bürgerinitiative gegründet, um die Politik aufzurütteln.

"Das ist das, wie wir uns schützen müssen. So schützen wir unsere Kinder."

Stefan Wiedemeyer, Bürgerinitiative St. Georg

"Man muss sich einfach vorstellen, wir wohnen in den Wohnungen und wollen zur Kita gehen und der Weg dorthin, das ist ein Sicherheitsrisiko."

Tobias Stempien, Bürgerinitiative St. Georg

"Meine kleine Tochter ist viereinhalb Jahre alt und ich habe was gemacht, was man als Vater so macht. Also ich habe ihr den Fahrradsattel hochgestellt, saß vor meiner eigenen Haustüre, als eine suchtkranke Person unter Einfluss von Betäubungsmitteln relativ unvermittelt versucht hat, sie zu ergreifen. Ich konnte das verhindern mit Gewalt."

Stefan Wiedemeyer, Bürgerinitiative St. Georg

Seit Januar gehen sie an die Öffentlichkeit. Sie wollen zeigen, was hier los ist, schon früh am Morgen kurz nach Sieben, wenn die Menschen zur Arbeit, Kinder zur Schule oder in den Kindergarten gehen.

"Hier wird morgens in aller Öffentlichkeit schon gedealt, von der organisierten Kriminalität, die Drogen direkt im Wohngebiet, hier mitten unter uns. Wenn der Suchtdruck da ist, es gibt dann immer so Wellen, im Tag, es gibt so verschiedene Tageszeiten, wo verkauft wird und das ist momentan morgens, wenn alle Leute zur Arbeit gehen, ist das unser täglich Brot."

Stefan Wiedemeyer, Bürgerinitiative St. Georg

Ihre Erfahrungen decken sich mit der Statistik: Zwischen 2019 und 2024 ist die Zahl der Raubüberfälle auf Straßen und Plätzen in St. Georg nach unseren Berechnungen um über 200 % angestiegen.

Wie es hier zugeht, zeigt dieser Wirt. Eine Überwachungskamera hat den Angriff einer Person auf sein Restaurant aufgezeichnet.

"Was es mit mir macht, also uns vergeht die Lust, wenn da auch noch die Umsatzeinbußen sind, dann macht das überhaupt keinen Spaß mehr, Du kämpfst jeden Tag auf's Neue mit solchen Sachen, wir haben ja viele Facetten hier. Wir haben das eine ist das Drogengeschäft, aggressive Bettelei und und, und das hört nicht auf."

Vural Yildiz, Geschäftsleiter Lades Gastronomie

Jochen Kopelke, der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei kennt die Problematik. Seit die Bürgerinitiative die Politik in Hamburg aufgerüttelt hat, patrouilliert die Polizei verstärkt und die Straßenreinigung ist permanent unterwegs.

"Was mich daran total schockiert ist, wenn man mal sieht, wieviel Ressourcen in eine Problembewältigung gehen, wer alles beteiligt ist, und wieviel rauskommt … und es dann Bürgerinitiativen gibt, die sagen, mir reicht das und die Polizei sagt, aber wir sind mit allem dran, die Justiz sagt, wir machen sogar schnellere Verfahren, die Straßenreinigung alles sauber macht und trotzdem sagen die Anwohner, was ist hier eigentlich los. Wir haben ein Wirkungsproblem in der langfristigen Bekämpfung von Kriminalität, im öffentlichen Raum, in den Grünanalgen, an Bahnhöfen."

Jochen Kopelke, Gewerkschaft der Polizei

Warum steigt die Straßenkriminalität an manchen Orten?

In Köln treffen wir am Neumarkt, einem zentralen Platz in der Innenstadt, Michaela Lohhof. Sie wohnt hier und zeigt uns die Wege, die sie früher gerne gegangen ist.

"Da wird halt geklaut, muss man ganz ehrlich sagen, dann wird hier ununterbrochen gebettelt und geschnorrt, egal wo Sie gehen, Sie werden bis zum Dom 20mal angesprochen. Ich finde auch das Elend, was man mit ankucken muss und dann sieht man, wie die immer schlechter dran sind, also ich versuche immer andere Wege dann zu gehen, aber ich wohne so, wenn ich zum Neumarkt will, irgendeine Straße muss ich gehen, und da ist überall irgendwo irgendwas."

Michaela Lauhof, Anwohnerin

Ein Treffen beim Sanitätshaus Storz eine Ecke weiter. Inhaber Walter Schuch hat die Bürgerinitiative "Zukunft Neumarkt" gegründet. Der Eingang seines Geschäftes wird regelmäßig belagert. Direkt unter seinem Bürofenster ist die Substitutionsambulanz der Stadt Köln, gegenüber wurde ein Drogenkonsumraum eingerichtet. Für die Anwohner diese Situation eine Belastung. Ist es schlimmer geworden?

"Ja, eindeutig. Durch das veränderte Konsumverhalten von Heroinspritzen auf Crack-Rauchen hat sich die ganze Szene hier geändert. Der Crack-Raucher, der braucht 20, 25, 30, Konsumvorgängen pro Tag. Der ist nur unterwegs von einem Konsumvorgang, um sich das Geld zu beschaffen. Für den nächsten Konsum."

Walter Schuch, Bürgerinitiative Zukunft Neumarkt

Ihren Eindruck bestätigen auch die Zahlen der Kölner Polizei, Delikte der Straßenkriminalität sind rund um den Neumarkt seit 2019 nach unseren Berechnungen um rund 30% gestiegen.

Die Stadt Köln verweist auf Anfrage auf bereits ergriffene und geplante Maßnahmen, wie verstärkte Beleuchtung, schnellere Straßenreinigung und Einsatz von Streetworkern. Die Polizei spricht von nicht hinnehmbaren Zuständen am Neumarkt und in seinem Umfeld. Die Bürgerinitiative hat es geschafft, eine lebhafte Diskussion in der Stadt anzustoßen.

"Als normaler Bürger möchte ich hier einfach wieder ganz angstfrei durch die Gegend laufen, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Das kann ich aber nicht mehr, weil ich abends das Haus nicht mehr alleine verlasse. Ich traue mich nicht mehr alleine irgendwo hinzugehen oder ich fahre mit dem Taxi, ich fahre auch nicht mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln abends, weil es für eine Frau abends eigentlich unmöglich ist hier."

Michaela Lauhof, Anwohnerin

Das Viertel für die Bewohner lebenswerter machen - das wollen sie auch in Hamburg. Aber so einfach ist die Lösung des Problems nicht.

"Wir kennen die Mehrfachtäter, wir kennen die Intensivtäter, oftmals eine andere Nationalität, nur eine Duldung oder sogar noch ungeklärter Aufenthaltsstatus, Abschiebungen scheitern und wir sehen, dass die Leute einfach abhauen und sich in Europa oder Deutschland verteilen und dadurch wieder andere Behörden zuständig sind."

Jochen Kopelke, Gewerkschaft der Polizei

Welche Maßnahmen ergreifen die Behörden?

Aber was machen die Behörden in Hamburg? Wird in St. Georg tatsächlich eine offene Szene mit harten Drogen toleriert?

"Die Menschen sind erstmal suchtkrank und Suchtkranke, ob sie alkoholkrank oder drogenkrank sind, die können polizeilich nicht einfach eingesperrt werden und auf ihr Leben lang weggesperrt werden, das funktioniert eben nicht, sondern dafür müssen wir mit anderen sozialpolitischen Maßnahmen ran, wir haben eine Vielzahl von Personen, die gar keinen Aufenthaltsstatus oder vielleicht einen Aufenthaltsstatus, wo wir sagen, da müssen wir aber nochmal genau drauf kucken, weshalb es dann beispielsweise auch gemeinsame Einsätze gibt, von Polizei und Ausländerbehörde, wo wir gezielt nochmal gucken, hat diese Person überhaupt ein Bleiberecht in Deutschland oder setzen wir dann alles daran, um die Person entsprechend dann zurück zu führen."

Daniel Schäfer, Innenbehörde Hamburg

Auch in Regensburg kämpfen sie mit Kriminalität im Umfeld des Parks beim Bahnhof. Hier hat die Staatsanwaltschaft ein Spezialreferat gegründet. Das Ziel: Täter so schnell wie möglich in Haft zu nehmen und Abschiebungen zu erleichtern.

"Wir haben, denke ich schon einen gewissen Erfolg erzielt, seit November 23 gibt es das. Wie gesagt, wir haben seither 130 Personen in Untersuchungshaft gebracht, 120 Anklagen, 102 Urteile erwirkt. Wenn Sie darauf anspielen, welchen Erfolg es hat, was die Kriminalität betrifft, muss ich sagen, Kriminalität hat abgenommen. Vielleicht nicht in dem Maße, wie man sich das vorstellen könnte. Es gibt es weiterhin. Also ich würde mal so sagen wir versuchen, da einen Fluss auszuschöpfen, und was wir tun können, ist, oder was wir getan haben, ist, dass wir das Hochwasser etwas haben zurückgebildet."

Theo Ziegler, Oberstaatsanwalt Regensburg

Immerhin: Im vergangenen Jahr konnte die Zahl der Abschiebungen aus Regenburg enorm gesteigert werden. Das Programm zeigt Wirkung. Und dennoch kommt es hier immer wieder zu Zwischenfällen.

Am Bahnhof - unverständliches Geschrei in Richtung einer jungen Frau. Die Randalierer werden von der Polizei des Platzes verwiesen, sind aber kurz darauf wieder da und belästigen eine Taxifahrerin.

"Geh weiter, geh deinen Weg, geh deinen Weg, komm… Bei uns gibt es die ganzen Leute, die jeden Tag hier sind. Und die machen immer so einen Aufstand, die werfen hier mit Bierflaschen rum, was weiß ich...."

Taxifahrerin

Obwohl Deutschland insgesamt immer noch ein sehr sicheres Land ist, wächst die Unsicherheit der Menschen.

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Wolfgang Köchers, Dienstag, 11.März 2025, 22:11 Uhr

1. Sicherheit im öffentlichen Raum

Das Problem als solches existiert. Es existiert aber nicht wegen der Ausländer/Migranten/Asylanten im Land, sondern wegen unzureichender Ausstattung - personeller und materieller - der Sicherheits- und Justizkräfte. Die Polizei müsste öffentlich mehr und häufiger sichtbar sein und bei Hilferufen in weniger als fünf Minuten am Ort des Geschehens. Nur wenn Straftäter damit rechnen müssen, dass sie für ihr Fehlverhalten auch wirklich zur Rechenschaft gezogen werden und nur wenn Delinquenten ohne günstige Sozialprognose auch nicht zurück in die Freiheit entlassen werden, wird die Sicherheit wieder zunehmen. Und dabei darf die Ethnizität eines/r Straftäter(in) keine Rolle spielen.
Nicht die Migranten sind schuld sondern die Politiker, die dem Sicherheitsapparat über Jahrzehnte hinweg keine ausreichenden Mittel zur Verfügung gestellt haben!

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