Report München


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Nach der Vance-Rede Deutschland und der Krieg gegen die Ukraine

Die neue US-Administration unter Donald Trump erhöht immer stärker den Druck auf Deutschland und Europa. Gleichzeitig nähern sich die USA und Russland an; auch zum Entsetzen der Ukraine. Wie abwehrbereit ist Deutschland? Was muss getan werden? report München sprach mit Top-Experten auf der Münchner Sicherheitskonferenz und begleitete Exil-Ukrainer, die sich große Sorgen um ihre Zukunft machen.

Von: Lisa Wreschniok, Fabian Mader

Stand: 18.02.2025

Nach der Vance-Rede: Deutschland und der Krieg gegen die Ukraine

Die Ukrainerin Daria Onyshchenko lebt seit vielen Jahren in Deutschland. Am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz organisiert sie eine große Demo. Freunde schicken ihr regelmäßig Nachrichten von der Front.

"Da hat er mir geschrieben, dass sie sind umkreist von Russen, und er weiß nicht, ob er lebendig rauskommt. Und dass ich seiner Freundin schreiben soll, falls er stirbt, dass er sie liebt."

Daria Onyshchenko

"Solche Messages zu kriegen ist natürlich sehr, sehr emotional. Ich habe dann auch geweint, weil ich die ganze Zeit gewartet, bis sie sich wieder meldet."

Daria Onyshchenko

Mehrere Freunde sind bereits gefallen.

"Zum Glück, Sie sind rausgekommen. Das hat mir auch so kurze Video geschickt aus dem Auto, wo sie zum Glück überlebt haben."

Daria Onyshchenko

Wie viele hier macht sich Daria große Sorgen. Wenige Schritte entfernt; die Münchner Sicherheitskonferenz.

Höhepunkt einer dramatischen Woche. Schlag auf Schlag verkündet die neue US-Regierung eine 180Grad-Wende ihrer Ukraine-Politik:

"Wir geben hunderte von Milliarden Dollar aus. Sie könnten einen Deal machen, oder nicht - sie könnten eines Tages russisch werden, oder nicht."

Donald Trump, US-Präsident, 11.02.2025

"Um es klar zu sagen: Im Rahmen einer Sicherheitsgarantie werden keine US-Truppen in der Ukraine stationiert werden."

Pete Hegseth, Republikaner, US-Verteidigungsminister, 12.02.2025

"In Washington ist ein neuer Sherriff in der Stadt."

J.D. Vance, Republikaner, US-Vizepräsident, 14.02.2025

Was bedeutet das für Deutschland? Ulrike Franke ist Expertin für Sicherheitspolitik.

"Wenn Putin clever ist, dann nutzt er jetzt die nächsten drei vier Jahre der Trump Administration, um die NATO anzugreifen. Dann versucht er ihn im Baltikum oder anderswo entweder mit den sogenannten kleinen grünen Männchen oder mit Panzern einzumarschieren und guckt einfach mal, wie die NATO reagiert. Und aktuell wenn wir uns die jetzt die Diskussion der letzten Tage ansieht, dann ist wirklich die Gefahr, dass die Amerikaner sagen, es ist nicht unser Problem und die Europäer sagen können wir nicht wirklich was gegen tun, weil wir nicht die Fähigkeit haben. Und dann ist die NATO de facto tot."

Ulrike Franke, European Council on Foreign Relations

Deutschland muss handeln - und das sehr schnell. Vor allem bei Rüstungsprojekten:

"Wir müssen wegkommen von den großen, teuren Lösungen, die über Jahre Entwicklung brauchen, Jahre an Produktion und die dann veraltet sind, wenn sie auf den Markt kommen. Wir müssen schneller werden, mehr state of the art, mehr up to date, damit wir wirklich die Mengen auch haben und die Schlagkraft, die wir brauchen."

Boris Pistorius, SPD, Verteidigungsminister

Musterbeispiel: Bewaffnete Drohnen.

In der Ukraine kommen pro Jahr hunderttausende zum Einsatz. Viele moderne Typen sind klein und flink, wie dieser Hersteller in einem Werbevideo zeigt. Manche werfen Bomben ab, andere stürzen sich selbst ins Ziel.

Die Bundeswehr hat bisher eine Handvoll israelischer Drohnen dieses Typs geleast, die bewaffnet werden können. Bis heute sind sie es nicht.

"Das ist natürlich im Vergleich zu dem, was wir in der Ukraine sehen, absolut lachhaft. Also, um das zu vergleichen: Die Ukraine hat zwischen 70 und 100 verschiedene Drohnen-Systeme im Einsatz. Und wir reden jetzt über Millionen, die pro Jahr hergestellt und verwendet werden. Es gibt ja auch im Verteidigungsministerium die Taskforce Drohne - die schien irgendwie im Juni Ergebnisse zu haben. Seitdem hat man nicht mehr so viel von ihnen gehört. Es ist einfach alles langsam."

Ulrike Franke,(Expertin für Sicherheitspolitik,) European Council on Foreign Relations

Der CDU-Abgeordnete Roderich Kiesewetter war Berufsoffizier - er kämpft seit Jahren für mehr Tempo. Auch bei bewaffneten Drohnen.  

"Teilweise werden diese Drohnen auch mit künstlicher Intelligenz gesteuert und sie zerstören Material. Sie greifen Menschen an, ohne dass man sich unmittelbar wehren kann, weil diese relativ klein sind. Es ist also weg von dem, was wir als klassisches Kriegsbild haben, hin zu einer neuen, schnellen Bedrohung. Und dagegen haben wir weder Abwehrmittel, noch hat die Bundeswehr nur eine einzige bewaffnete Drohne."

Roderich Kiesewetter, CDU, Verteidigungsexperte

Kampfdrohnen sind in einer modernen Kriegsführung nicht mehr wegzudenken.

Am Rande der Sicherheitskonferenz. Ein Exklusivinterview des Bayerischen Rundfunks mit dem NATO-Generalsekretär. Was hält er von bewaffneten Drohnen?

"Sie spielen inzwischen eine Schlüsselrolle im Konflikt in der Ukraine, wir sehen, dass die Ukrainer so enorm innovativ sind, so dass die Russen immer zwei oder drei Wochen hinterherhinken. Wir lernen alle davon. Die Situation sei ernst - die Regierungen müssten mehr für die Rüstung tun. Die Regierungen müssen kaufen, damit ihre Lager voll sind, falls - was wir natürlich nicht hoffen - ein Krieg mit Russland ausbricht."

Mark Rutte, Nato-Generalsekretär

Sind die Europäer in Zukunft auf sich alleine gestellt? Seit der Münchner Sicherheitskonferenz scheint dies mehr als vorstellbar.

Gestern in Paris - ein eilig einberufenes Treffen. Wären die Europäer bereit, Truppen in die Ukraine zu schicken? Eine einheitliche Linie gibt es bislang nicht. Die USA drücken derweil aufs Tempo.

Heute Mittag in Saudi-Arabien: Der US-amerikanische und der russische Außenminister besprechen die Zukunft der Ukraine.

"Donald Trump ist der einzige Staatschef der Welt, der diesen Prozess anstoßen konnte. Um einen Konflikt zu beenden, braucht es immer Zugeständnisse von allen Seiten."

Marco Rubio, Republikaner, US-Außenminister

Zugeständnisse? Die Folgen einer russisch-amerikanischen Einigung könnten auch für Deutschland dramatisch sein.

"Die Politik, die die jetzige Trump Administration verfolgt, ist quasi eine Preisgabe der Ukraine. Dort leben noch etwa 30 Millionen Menschen und 15 bis 18 Millionen sitzen auf gepackten Koffern. So wie jetzt die USA quasi ohne Vorbedingungen für Russland in die Verhandlungen gehen und der Ukraine schon jetzt abverlangen Gebietsabtretung und Verzicht auf NATO-Mitgliedschaft, führt es dazu, dass viele Millionen Menschen in der Ukraine sagen werden: Bin ich hier noch sicher? Kann ich hier noch für die Sicherheit meiner Kinder und Enkel garantieren?"

Roderich Kiesewetter, CDU, Verteidigungsexperte

Heute Nachmittag, ein Treffen mit der Ukrainerin Daria Onyshchenko, die die Demonstration in München organisiert hat. Sie verfolgt die Nachrichten aus Saudi Arabien mit großer Sorge.

"Natürlich wollen wir, dass es aufhört. Aber mit welchem Preis? Weil die Menschen in der Ukraine geben unsere Leben für die Freiheit, für die Demokratie, für dieses System von Werten. Indem wir jetzt in Europa leben. Und keiner von uns will Teil von Russland morgen werden, nur damit, dass Frieden herrscht."

Daria Onyshchenko

Wie hoch ist der Preis des Friedens? Diese Frage treibt inzwischen viele Europäer um.

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Reiner, Dienstag, 18.Februar 2025, 23:11 Uhr

2. Vance und die Meinungsfreiheit

Meint Vance vielleicht eher damit, dass die Manipulationsfreiheit gewährleistet sein muss, damit das Geschäft läuft?

Das hieße, islamistische Hetzseiten sind zu erdulden inklusive der Ohnmacht, dass daraus Anschläge entstehen können. Das hieße, jeder darf den Holocaust leugnen oder Lügen und Unwahrheiten als Pseudo-Wahrheiten verbreiten. Beleidigungen sind in den USA nicht strafbar? Und wenn doch, weshalb sollten sie dann Online ausgesprochen nicht strafbar sein?

Wir werden künftig wohl nicht nur den russ. Trollen und chinesischen Einflüssen ausgesetzt sein, sondern zusätzlich gegen Trump-Unwahrheiten zu kämpfen haben.
Meinungsbildung nur über Tiktok wird nicht reichen. Es klappt selbst bei den Wahlarenen nicht, auf eine einfache Frage, eine verbindliche Antwort zu bekommen. Bestes Beispiel für Palavern um den heissen Brei, ist Alice Weidel, AfD.
Erschreckend, dass Moderatoren dem nicht gewachsen waren.

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Reiner, Dienstag, 18.Februar 2025, 22:53 Uhr

1. Sind wir von Feinden umzingelt?

Man sollte glauben, der Westen würde Putin langsam durchschauen. Europa will sich kriegstüchtig machen. Aha, wir schliessen also einen kriegerischen Akt gegen die NATO nicht aus. Oder besser gesagt gegen die Rest-NATO. Dazu soll aufgerüstet werden.

Jetzt die Fragen aller Fragen: Wenn Putin nach angemessener Analyse und Kriegspause erneut z.B. das Baltikum angreift, was machen wir dann? Oft genug hat er mit Nuklearschlag oder mit taktischen Nuklearwaffen gedroht. Wer wird was riskieren, um so einem Angriff zu begegnen? Die USA unter Trump? Sicher nicht.
Ein Gleichgewicht des Schreckens als Abschreckung gibt es nicht mehr.

Oder vertraut Europa darauf, das Russland sich an Regeln hält?

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