Report München


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Bratwurst aus dem Labor Was bringt die vegane Revolution?

Immer mehr Fleischersatzprodukte füllen die Regale der Supermärkte. Doch was taugen die pflanzlichen Ersatzprodukte? Helfen vegane Würste, den Klimawandel zu verlangsamen? report München schaut hinter die Kulissen dieser gewaltigen Industrie, spricht mit Food-Designern und Kritikern dieses Booms.

Von: Susanne Roser, Ulrich Hagmann, Fabian Mader

Stand: 22.11.2022 10:56 Uhr

Hand hält einen Burger | Bild: colourbox.com

Ein Biobauernhof wie aus dem Bilderbuch. Landwirt Scherhorn fragt sich: Wie lange noch? Die vegane Konkurrenz wird immer stärker.

"Man spielt damit, dass viele Leute ein schlechtes Gewissen haben, dass irgendwo Tiere in ganz engen Ställen gehalten werden. Damit spielt man, mit dem schlechten Gewissen. Und mit dem schlechten Gewissen kann man verkaufen."

Björn Scherhorn, Bio-Landwirt

Darum geht es: Veganes Essen der Zukunft, entwickelt im Labor. Der Clou: Es soll wie Eier, Käse oder Fleisch schmecken und vor allem so aussehen.

"Zum Beispiel ein pflanzenbasierter Burger, wenn der bluten muss, weil der Konsument denkt, das muss so aussehen wie Blut. Dann gibt es zum Beispiel einen Zusatzstoff, der verhält sich dann so wie Blut, aber ist aus Pflanzen - genetisch modifiziert."

Björn Witte, Geschäftsführer Blue Horizon

Vegetarische und vegane Ernährung boomt. Vorne mit dabei die Großkonzerne der Lebensmittelindustrie.

"Dieser Markt explodiert gerade. Wir haben jetzt gerade wieder auch im ersten Quartal ein Plus von 30 Prozent in diesem Markt. Der war vor ein paar Jahren noch bei null. Der geht jetzt in Deutschland allein auf eine Milliarde Umsatz zu."

Godo Röben, Bundesverband Alternative Proteinquellen

Verdrängt industrieller Fleischersatz nachhaltige Landwirtschaft?

Das Versprechen: Besser für Umwelt, Gesundheit und die Tiere. Aber stimmt das? Dieser Frage wollen wir nachgehen. Vor wenigen Jahren stellte Björn Scherhorn seinen Betrieb um auf Bio. Aus Überzeugung. Er will seinen Beitrag für eine nachhaltige, naturnahe Landwirtschaft leisten.

"Ich bin selber konventionell gewesen und habe über 11.000 Liter Milch pro Kuh gehabt. Ich weiß auch, wie es ist, einen 10-Tonnen-Weizen zu düngen. Nur ich weiß auch, wie es aussieht, wenn der Boden immer weniger wird. Wenn die Substanz des Betriebs immer weniger wird. Und wer profitiert davon? Nicht mein Hof, nicht meine Nachkommen, davon profitieren die, die die großen Foodtrends raushauen."

Björn Scherhorn, Bio-Landwirt

Aus der Milch seiner Kühe macht er Käse, den er selbst mit der Milch verkauft. Wenige Kilometer entfernt bestimmen große Molkereien, vor allem aber Fleisch- und Wurstfabriken das Landschaftsbild. Das Oldenburger Münsterland, ein "Hotspot" der deutschen Tierindustrie.

Jetzt drängen Lebensmittelkonzerne auf den Markt mit pflanzlichen Ersatzprodukten. Björn Scherhorn weiß, was das bedeutet. Er hat sie früher selbst beliefert.

"Ich sag mal so, die die Preise damals so nach unten gedrückt haben und die das game changing auf ‚billig' und ‚Geiz ist geil' gelegt haben, wollen jetzt vermeintlich nachhaltig spielen und dieses vermeintlich nachhaltig funktioniert nur, wenn der Kunde keine Ahnung hat, was er da kauft."

Björn Scherhorn, Bio-Landwirt

Sein Hof - ein Idyll wie aus der Werbung. Dass ausgerechnet internationale Großkonzerne jetzt als nachhaltige und naturnahe Produzenten auftreten, empfindet er als Hohn.

"Wie viel künstliche Aromen, wie viel technische Einsätze sind notwendig, um ein eigentlich ursprüngliches, natürliches Lebensmittel zu ersetzen? Wir können wieder den Geschmack zurück auf die Teller bringen und nicht irgendwelchen Einheitsbrei mit Presspappe und künstlichen Aromen."

Björn Scherhorn, Bio-Landwirt

High-Tech statt Tierhaltung

Fleisch aus dem Labor? | Bild: BR

Veganes Omelette

In Zürich besuchen wir blue horizon. Die Investmentfirma glaubt an den großen Erfolg von Fleischersatz aus dem Labor und anderen High-Tech-Ersatzprodukten. Heute testet der Chef selbst neue Kreationen mit seinen Mitarbeitern. Björn Witte will wissen, wie schmeckt es ihnen?

"So, das ist ‚JUST Egg' aus den USA. Und ein Konzentrat aus Mung-Bohne ist hier mitverarbeitet. Das dient dazu, dass das Produkt sich eigentlich so wie ein Ei verhält … so, das Omelette nature."

 Björn Witte, Geschäftsführer blue horizon

Für den Vertrieb steht bereits ein Partner in den Startlöchern, ausgerechnet einer der größten deutschen Geflügelkonzerne.

"Und jetzt müssen wir aufpassen, dass mir hier die Spieße nicht anbrennen, parallel dazu. Es ist nur ein bisschen dunkel geworden. Und viele der Inhaltsstoffe sind eben genetisch modifiziert, weil ich gewisse Gene aus anderen Pflanzen dazugebe. Und dadurch habe ich gerade im europäischen Raum einfach keinen Marktzugang. Wir denken, dass sich das über die Zeit ein bisschen ändern wird, weil es einfach vielleicht teilweise gar nicht mehr so zeitgemäß ist."

Björn Witte, Geschäftsführer blue horizon

Nach dem Omelett aus Bohnenprotein-Isolat, jetzt noch Fleischersatz aus Soja.

"Das Verfahren ist nicht neu, das gab es vor vielen Jahren schon beim Hundefutter, das ist, ich sag mal, da musste das Endprodukt so aussehen wie Fleisch, dass das Herrchen das kauft fürs Hündchen."

Björn Witte, Geschäftsführer blue horizon

Der Züricher Investor ist überzeugt: Unser Essen wird sich in der Zukunft drastisch verändern.

"Wir sehen natürlich, wir haben über 80 Investments gemacht in diesem Bereich, die letzten sechs Jahre. Haben sehr, sehr stark fokussiert. Und wenn man das sich anguckt und weiß, wie die Konsumenten ticken, die Konsumentenbefragungen, die wir machen, auch mit den Studien, jetzt regelmäßig und global, dann können wir wirklich fest davon ausgehen, dass dieser Markt weiter wachsen wird."

Björn Witte, Geschäftsführer blue horizon

Fleischindustrie orientiert sich um

Entwicklung des Risikokapitals für vegetarische und vegane Ersatzprodukte

Und daran arbeiten sie. Gerne hätte er, dass die EU endlich ihre strenge Lebensmittelregulierung lockert. Immer mehr Risikokapital befeuert die Produktion veganer und vegetarischer Alternativen. Mehr als 30 Milliarden Dollar wurden in den letzten 10 Jahren investiert. 

Alle drei Jahre trifft sich hier auf der IFFA in Frankfurt die internationale Fleischwirtschaft. Früher undenkbar: Fleischersatzprodukte sind der große Renner.

Die Fleischindustrie orientiert sich um. "Vegan" ist das neue Zauberwort der Branche. Der Star der Szene ist er: Godo Röben. Er hat bei einem großen Wursthersteller erfolgreich den veganen Trend gestartet und berät jetzt Politik und Wirtschaft.

"Es wird weiter Wurst geben, Schnitzel geben, aber die werden jetzt aus Pflanzen gemacht und das merken jetzt immer mehr Fleischhersteller und Wursthersteller, dass sie sehen, dass das kein Trend ist, wie die Lightwelle, die vielleicht mal zehn Jahre da war, sondern dass es jetzt wirklich ein Ernährungswandel ist. Dazu ist es besser fürs Klima, es ist besser für die eigene Gesundheit, ich habe beispielsweise hohe Cholesterin-Werte, tierische Fette sind da nicht so gut und das Tierleid wird auch heruntergefahren, also es ist wirklich nur ein win, win."

Godo Röben, Bundesverband Alternative Proteinquellen

Hybride Chicken-Nuggets

Ein Highlight hier: Der Blick in die Zukunft, die sogenannte Zelluläre Landwirtschaft. Ein Unternehmen erklärt, wie es das Fleisch von morgen züchtet. Aus tierischen Stammzellen in Bioreaktoren unter Einsatz von Gentechnik. Hybride Chicken-Nuggets. Doch das funktioniert nur mit Gentechnologie - in der EU zum Verzehr bislang nicht erlaubt.

Was es heute schon zu kaufen gibt: vegane Bratwürste, hergestellt aus einem Gemisch von Soja- oder Erbsenproteinen.

"Wir fügen unsere trockenen Zutaten hinzu, das ist eine Mischung aus einigen Bindemitteln, einigen Farben und auch einigen Gewürzen. Wir wollen ja Würste probieren, also brauchen wir Gewürze, Kokosfett. Das ist das Öl, ein weiterer Fettanteil, es liefert uns zusätzlich Geschmack und ein gutes Mundgefühl."

Demo Bratwurst-Herstellung auf der IFFA

"Immer Zusatzstoffe benötigt"

Die großen Hersteller präsentieren immer neuen Fleischersatz, angeblich klimafreundlich und gesund. Der Ernährungswissenschaftler Malte Rubach hat sich mit den Aussagen der Hersteller auseinandergesetzt.

"Was die Verarbeitungsstufe betrifft, unterscheiden sich dann auch die Ersatzprodukte nicht besonders von zum Beispiel Erzeugnissen aus der Wursttheke. Einfach deshalb, weil man bei verarbeiteten Produkten immer Zusatzstoffe benötigt, in einer gewissen Form. Bei einem natürlich gewachsen Stück Fleisch, also einem Steak oder einem Kotelett oder so was, hat man das nicht. Aber ansonsten brauche ich ein Stabilisator. Brauche ich Gewürze, brauche ich Salz, brauche ich ein Konservierungsmittel oder dergleichen. Und das ist auch dann so bei den Ersatzprodukten. Es macht sie weder gesünder noch ungesünder. Es ist einfach ein Fakt und man sollte einfach darauf achten, möglichst viele frische Lebensmittel zu sich zu nehmen. Das kann man natürlich besser, wenn man die Bohne oder Erbse so isst."

Malte Rubach, Ernährungswissenschaftler und Autor

Zurück in Zürich. Einfach nur Bohnen und Erbsen auf dem Teller? Für den Investor Blue Horizon ist das keine Alternative: Wir sollen weiter Burger, Eier, Schnitzel essen. Nur sollen die Produkte nicht mehr von einem Tier stammen.

"Also, es geht ja darum, dass der Konsument am Schluss ein Produkt hat, was besser ist oder mindestens gleich gut, wie das relevante Produkt, was mit Tieren ist. Deshalb ist es wichtig, dass sich im einzelnen Charakteristiken vom Original so nachbilden kann, dass der Händler das in seinem Kanal verkaufen kann danach, weil es geht ja primär darum, dass ich in den Massenmarkt komme."

Björn Witte, Geschäftsführer blue horizon

Der Clou: Auch preislich kommen viele vegane Labor-Produkte dem Original recht nahe. In den Niederlanden entwickelt ein Unternehmen, das die Investmentfirma aufgebaut hat, Hähnchenfleischersatz. Achim Knoch leitet das Labor. Das Bio-Soja hat eine weite Reise hinter sich - es kommt aus China. 

"Das Soja ist gut für unseren Prozess und es ist schön hell. Und es schmeckt nicht doll nach Soja."

Achim Knoch, Leiter Produktionsentwicklung Livekindly

Dennoch: Um aus dem chinesischen Soja Fleischersatz zu machen, ist Hightech nötig. Für den Hähnchengeschmack sorgen Gewürze und Aromen.

"Manchmal kriege eine schöne Struktur hin, aber es hat so einen dollen Soja Geschmack, so eine Futternote quasi, das ist unangenehm. Da muss ich so viel Aroma verwenden, um das zu maskieren, dass das dann irgendwann auch ganz künstlich schmeckt und nicht mehr schön. Wir wollen ja den veganen Move weiter zu dem Verbraucher bringen und da muss es so nah dran sein wie möglich. Wir haben sogar gelernt, geschmacklich muss es sogar intensiver sein als das Fleisch, das Chicken-Originalprodukt, dass der Verbraucher meint: Oh, das ist ja wirklich ein starker Chickengeschmack, das kaufe ich noch einmal, das finde ich gut."

 Achim Knoch, Leiter Produktionsentwicklung Livekindly

Diesen Hähnchen-Fleischersatz will er weiter verbessern. Heute testen Achim Knoch und seine Mitarbeiter ein Nachfolgeprodukt. Er hat ein neues Verfahren ausprobiert, verwendet neue Aromen und Gewürze.

"Das ist ganz frisch aus der Produktion. Ja, können wir mal als Referenz mit dem anfangen."

Achim Knoch, Leiter Produktionsentwicklung Livekindly

Ist es ihm gelungen, das chinesische Soja-Produkt noch authentischer zu machen?

"Ja, wow, ich dachte immer, das ist schon richtig gut. Aber das ist einfach von der Textur und von der Saftigkeit und von dem Geschmack einfach noch einmal intensiver. Das ist echt nächste Stufe."

Mitarbeiterin

Käse ohne Kühe

Nur wenige Kilometer entfernt, will auch Jaap Korteweg die Ernährungswirtschaft revolutionieren. Er war Biobauer. Jetzt setzt er auf Produkte auf Pflanzenbasis. Angefangen hat er als "The Vegetarian Butcher", der vegetarische Metzger. Er hat vegane Fleischalternativen entwickelt, die jetzt im großen Stil vermarktet werden. Die Firma hat er inzwischen erfolgreich verkauft.

"Wir nutzen heute weltweit 80 % der landwirtschaftlichen Fläche für die Produktion von Fleisch und Milchprodukten, während sie nur 20 % der Kalorien für den Menschen liefert. In dem Moment, in dem wir die Tierproduktion beenden, können wir also die Hälfte der landwirtschaftlichen Fläche weltweit der Natur zurückgeben und dann auf der anderen Hälfte extensiv biologisch produzieren."

Jaap Korteweg, Gründer 'Those Vegan Cowboys'

Sein neuestes Projekt - die "vegan cowboys". Er will Käse produzieren. Mit Hilfe von Gentechnik, Rinder-DNA und einem Hefepilz. Im Labor klappt das bereits. Hier wird eine milchähnliche Flüssigkeit hergestellt. In weiteren Arbeitsschritten soll daraus Käse werden. Eine EU-Zulassung für das notwendige gentechnische Verfahren liegt noch nicht vor.

"Ich denke, wenn solche positiven Wirkungen bekannt werden von gentechnisch veränderten Organismen und deren Verwendung und Mikroorganismen, also in diesem Fall Bakterien und Pilzen, dann erwarte ich, dass wir uns dafür entscheiden, weil die Interessen einfach sehr groß sind."

Jaap Korteweg, Gründer 'Those Vegan Cowboys'

Fleisch aus dem Labor? | Bild: BR

Die stählerne "Kuh".

Echte Kühe braucht er für seinen Käse also so gut wie nicht mehr - stattdessen diese Anlage, eine stählerne Kuh, Iron Lady Margaret. Ein Bioreaktor. Mit ihrer Hilfe soll der Käse entstehen. "Gefüttert" wird sie mit einer Lösung auf Grasbasis.

"Der einzige Unterschied ist, dass diese 200 Kühe den Stall verlassen und eine Kuh aus rostfreiem Stahl den Stall betritt. Und das ist der Unterschied. Es ist ähnlich wie einst bei der Einführung der Melkmaschine und später des Melkroboters. Das ist nur ein logischer nächster Schritt. Aber die Kunst besteht für den Landwirt darin, gutes Gras anzubauen, so nachhaltig wie möglich und den Prozess, den die Kuh aus Stahl durchführt, so gut wie möglich zu überwachen."

Jaap Korteweg, Gründer 'Those Vegan Cowboys'

Weidehaltung für Arten- und Klimaschutz?

Eine schöne neue Ernährungswelt. Aber ist eine Weidewirtschaft ohne Kühe wirklich wünschenswert? Wiesenmeisterschaft in einer bayerischen Ökomodellregion. Eine Jury will herausfinden, auf welchen Wiesen und Viehweiden gibt es die meisten Blumenarten? Marlene Berger - Stöckel ist Teil der Jury. Aus ihrer Sicht gehören Viehhaltung und solche Wiesen zusammen. 

"Allgemein zu propagieren, dass man kein Wiederkäuerfleisch mehr isst, das eben nicht aus Massentierhaltung ist, dass nicht vom Acker gefüttert ist, nicht mit importierten Soja, sondern wirklich Grünland basiert ernährt, dann glaube ich, macht man ein Fehler, wieso oft wenn der Mensch eigentlich etwas Gutes möchte und etwas anderes herauskommt, weil dann vernichten wir großräumig die letzten Biodiversitätslebensräume, die wir bei uns in der Landschaft haben. Es ist nicht nur das, was wir jetzt hören, die ganzen Grillen, die Heuschrecken die Käfer, die Schmetterlinge, das ist nicht nur das."

Marlene Berger-Stöckl, Projektleiterin Öko-Modellregion Waginger See

Kühe haben diese Kulturlandschaft erst möglich gemacht, jetzt gelten sie als Klimakiller. Marlene Berger-Stöckl hat zu einem Infoabend zu diesem Thema geladen. Gekommen sind Bauern und Bürger aus dem bayerischen Oberland, die sich informieren möchten, wie es weitergehen könnte mit Viehzucht und Milchwirtschaft.

"Weil das total wichtig ist, dass wir weiterhin Rinder haben und zwar eben auch für den Klimaschutz, weil das Grünland ist ein ganz wichtiger Faktor für den Klimaschutz, aber auch für die Artenvielfalt. Also ohne den Erhalt von Grünland, da geht es mit unserer Artenvielfalt den Bach hinunter und das würde mich wahnsinnig traurig machen."

Marlene Berger-Stöckl, Projektleiterin Öko-Modellregion Waginger See

Ohne die Fladen, die Kühe auf den Wiesen hinterlassen, wäre diese Artenvielfalt nicht denkbar. Das betont Agraringenieur Ulrich Mück

"Die Fladen sind es, auch in der Vielzahl der Tiere, denen sie Nahrung geben. Fladen sind Nahrung für Vielfalt, nicht aber Gülle. Das ist ganz wichtig zu sagen, Gülle ist in der Art nicht anziehend und insbesondere nicht populationsfördernd für die Insekten. Die Fladen sind es auch in der Vielfalt der Tiere, denen sie Nahrung geben."

Ulrich Mück, Agraringenieur

Zumindest im extensiven Bio-Landbau hätten Kühe keine schlechte Klimabilanz. So lange sie auf der Weide stehen. Kuhweiden und Grasland seien ein bislang zu wenig beachteter CO2 Speicher.

"Also es ist tatsächlich so, dass Grasland eine sehr gute Kohlenstoffsenke ist. Deshalb ist es auch ungünstig aus Klima, klimatische Perspektive, Klimaschutzperspektive, Grasland in Ackerland umzuwandeln, weil man dann den Boden aufbricht, dadurch können auch methanogene Bakterien eher noch ihre Stoffwechselprodukte in die Umwelt entlassen und man hat eben nicht mehr diese Kohlenstoffbindung des Grases."

Malte Rubach, Ernährungswissenschaftler und Autor

Biobauern besorgt

Zurück auf der Weide. Die Jury sucht weiter nach der schönsten Wiese der Region. Wenige Kilometer entfernt sind Michael Steinmaßl und sein Vater gerade bei der Gemüseernte. Sie zeigen, wie die Kreislaufwirtschaft zwischen Tieren und Pflanzen funktionieren kann. Und Umwelt und Klima geschont werden.

"Die Akzeptanz beim Kunden ist unglaublich schön. Wenn wir auf den Markt gehen und die Leute sagen, mei schön, dass du Gemüse anbaust für uns, dass wir jede Woche wiederkommen können."

Michael Steinmaßl, Bio-Landwirt

Kühe weiden auf einem Hang

Zum Hof der Familie gehören 10 Hektar Land, viel zu wenig, um heute rentabel einen Milchviehbetrieb zu halten. Er hat deswegen auf Bio-Gemüseanbau umgestellt. Jetzt hat er nur noch wenige Tiere, die sein Grünland beweiden. Und die sind entscheidend:

Die Kühe liefern den Dünger für den Boden. Deshalb leben im Grünland Nützlinge, die Schädlinge auf seinem Gemüse bekämpfen.

"Wir haben im Grünland auch ganz viele Nützlinge, die uns im Gemüsebau dann helfen. Also, wenn wir im Gemüsebau Schädlinge haben, Läuse, ob es jetzt im Gewächshaus ist, an die Tomaten, Paprika oder im Freiland am Salat, dann kommen da ganz viel natürlich vorkommenden Nützlinge: Marienkäfer, Florfliegen, Schlupfwespen."

Michael Steinmaßl, Bio-Landwirt

Und so schließt sich der Kreis. Viehhaltung und Gemüseanbau ergänzen sich.

"Wir brauchen diese Grünlandflächen auch für den Naturschutz. Es sind Hanglagen, die können wir gar nicht als Acker bewirtschaften und Gemüse anbauen. Also wir brauchen Tierhaltung, um diese Flächen zu bewirtschaften und dann haben wir die Nährstoffe, die uns unser Gemüse wieder ernähren."

Michael Steinmaßl, Bio-Landwirt

Biobauern wie Björn Scherhorn sind besorgt. Sie haben unter großem finanziellem Aufwand ihre Höfe auf Bio umgestellt. Was wird aus den regionalen Höfen, wenn irgendwann einmal industrielle Gentechnik und Bioreaktoren Kühe ersetzen?

"In der Gegend sehe ich eine regionale Produktion, sofern wir irgendwie so viele Höfe wie irgendwie gehend, retten können. Ja, es geht wirklich um retten. Wir haben einen Strukturbruch in der Landwirtschaft erlebt."

Björn Scherhorn, Bio-Landwirt

Der Hype um die Fleischersatzprodukte begann vor ein paar Jahren hier: in den USA. Mit großen Versprechen: Sie sollten das Klima retten und die Ernährungsprobleme der Welt lösen. Haben sich die Erwartungen erfüllt?

US-Wissenschaftler empfehlen radikale Wende

Der Agrarwissenschaftler Ricardo Salvador ist mit einer Gruppe internationaler Wissenschaftler genau dieser Frage nachgegangen.

"Ich habe gesehen, dass die Ökobilanz für die Herstellung verschiedener Arten von alternativem Fleisch nicht vollständig ist. Sie legen bestimmte Grenzen fest, die nicht die vollen Umweltauswirkungen berücksichtigen, und sie berücksichtigen auch nicht, dass sie viele Menschen verdrängen werden, die derzeit ihren Lebensunterhalt mit der Fleischproduktion verdienen. Das ist eine sehr wichtige sozioökonomische Komponente."

Ricardo Salvador, Agrarökonom

Auch Fleischersatz-Produkte würden industriell hergestellt. Mit den bekannten Folgen: Auch sie förderten oft Monokulturen auf riesigen Ackerflächen, würden industriell verarbeitet unter Beigabe von Zusatzstoffen.

"Einerseits ist es eine Meisterleistung, dass sie das tun können. Andererseits wird das System weiterhin Kapital konzentrieren, es wird weiterhin eine starke Abhängigkeit von synthetischem Dünger und Pflanzenschutzmitteln und eine komplizierte Lieferkette haben."

Ricardo Salvador, Agrarökonom

Dies sei nicht die Lösung des Problems. Deswegen empfehlen die US-Wissenschaftler eine radikale Wende. Weg von der industriellen Massenproduktion hin zu kleinbäuerlicher Landwirtschaft und regionaler Vermarktung, so wie hier in der Ökomodellregion Waginger See. Die Wiesenmeisterschaft endet mit einer Brotzeit mit echter Wurst und Gemüse, produziert von Landwirten aus der Region. Mehrere von ihnen wurden für ihre Wiesen ausgezeichnet.

Bio-Gemüsebauer Michael Steinmaßl bereitet seine frische Ernte für den Verkauf auf dem Wochenmarkt vor. Die Qualität seiner Produkte wird geschätzt, allerdings gab es schon Veganer, die nicht bei ihm kaufen wollten, als sie erfuhren, dass er das Gemüse mit dem Mist seiner Kühe düngt.

"Ich finde es gut, also ich habe kein Problem mit dem Trend, auch mit dem veganen Trend nicht. Weil eine sehr wichtige Diskussion angestoßen wird, dass wir einfach viel zu viel Fleisch konsumieren und das ist ja so, wir essen viel zu viel Fleisch und tierische Produkte auch und diese Diskussion macht natürlich mehr Gemüsekonsum aus, ist klar, davon profitieren wir wahrscheinlich schon. Ich bin trotzdem davon überzeugt, dass eine Mischung das ist, was es ist."

Michael Steinmaßl, Bio-Landwirt

Am nächsten Morgen in der Früh geht es zum Markt in der Nähe. Hier bietet er jeden Samstag sein Gemüse an. Sohn Elias hilft beim Aufbau.

Eine seiner Stammkundinnen ist Marlene Berger-Stöckl. Hier ist alles regional, kein Gemüse aus Spanien oder von noch weiter her. Sie freut es, dass er den Hof der Eltern übernommen hat; und von dem, was der Hof abwirft, leben kann. Gerne hätte sie, dass mehr seinem Beispiel folgen.

"Wir haben jetzt über drei Viertel von unseren Bauern verloren und das finde ich eine unglaubliche stille Katastrophe. Wir müssen darum kämpfen, dass jeder, der heute noch aus Überzeugung Landwirt werden will, erhalten werden kann. Ein jeder muss erhalten bleiben und wir müssen ihm helfen, dass er Tierwohl-freundliche Wege findet, dass er eine Art und Weise findet, wo er im Einvernehmen mit der Natur seine Produkte erzeugen kann. Und das ist mir unglaublich wichtig"

. Marlene Berger-Stöckl, Projektleiterin Öko-Modellregion Waginger See

Am Ende werden wir, die Verbraucher entscheiden, was wir in Zukunft essen wollen. Täuschend echt aussehende Ersatzprodukte aus dem Labor oder aber nachhaltig produzierte Lebensmittel aus der Region.

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Benedikt, Donnerstag, 01.Dezember 2022, 11:26 Uhr

21. Massentierhaltung

Ich habe eine Frage an diejenigen hier, die von Massentierhaltung sprechen: Was verstehen Sie darunter? Ab welcher Tierzahl, z.B. ab wievielen Kühen oder Schweinen, die ein Landwirt hält, oder bei welchen Kriterien ist das Massentierhaltung?

  • Antwort von Wolfgang Gröber, Mittwoch, 01.Februar, 21:00 Uhr

    Zur Festlegung etwaiger Untergrenzen, ab wann ein Betrieb als Massentierhaltung gelten kann, bietet sich ein Rückgriff auf die Schwellenwerte des 2013 novellierten Bundesbaugesetzbuches an (d.h. 600 Rinder, 560 Sauen, 1.500 Mastschweine, 15.000 Legehennen bzw. Mastputen, 30.000 Masthühner)."

    Quelle:
    [hier hat die Redaktion einen Link entfernt]

    Gegen kleine bis mittlere Bauernhöfe mit Tierhaltung sagt ha keiner was. Dieser Kommentar wurde von der BR-Redaktion entsprechend unseren
    Kommentar-Richtlinien bearbeitet.

Johanna, Freitag, 25.November 2022, 17:47 Uhr

20. Es gibt die gleiche Reportage vom BR auch in kritisch!

Der absolute Hammer ist, dass es quasi die gleiche Reportage (mit den gleichen Menschen, Filmsequenzen, etc.) bereits beim BR gibt: "Hauptsache kein Fleisch: Was bringen Veggie-Burger und Co?"

https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/pflanzliche-fleischalternative-hauptsache-kein-fleisch-was-bringen-veggie-burger-und-co

Ich empfehle jedem diese Reportage nochmal anzusehen, da hier klar wird, dass auch Marlene Berger-Stöckl (die mit dem Wiesenmeisterschaft) und auch der Bio-Gemüsebauer Michael Steinmaßl klar sagt, dass das Problem vor allem die Massentierhaltung ist. Diese essentiellen Sätze hat man in der hier angeprangerten Reportage einfach (vermutlich sehr bewusst) rausgeschnitten. Ich bin wirklich wütend über diese völlig verzerrte Darstellung und Meinungsmache.

Wie wäre es denn auch ein paar Bilder der Tönnies-Massenschlachtung zu zeigen mit all dem Blut? Hier nur die unappetitlichen Reagänzgläser zu zeigen und das Tierleid im Gegensatz überhaupt nicht ist frech.

Erich Müller, Freitag, 25.November 2022, 10:25 Uhr

19. Weideland in Bauernhand

Ich fand es sehr interessant, hab aber gemischte Gefühle.

negativ:
Es gibt auch viele vegane Produkte, die aus reg./dt./EU Leguminosen oder Ur-Produkten hergestellt werden.
Der absolute Großteil der Fleischprodukte wird aus nicht bio-regionaler Produktion hergestellt und konsumiert. Das wirft sowohl aus ökol., wie auch ethischer Sicht viele Probleme auf.

positiv:
klein(ere) bäuerliche Strukturen in bio-regionaler Produktion und ihren Mehrwert zu zeigen
Bedeutung von Weiden für Klima & Biodiversität
Tolle Arbeit von einer der Öko-Modellregion zu sehen

Marika, Donnerstag, 24.November 2022, 18:34 Uhr

18. Schlecht recherchiert, Experten "dubios"

Ich habe schon lange keine so schlechte Reportage mehr gesehen. Kochbuchautoren als Klimaexperten und die "Concerned Scientists"? Fünf Minuten Recherche hätten jedem gezeigt, dass diese Wissenschaftler dafür bekannt sind, Wissenschaft zu verdrehen. Diese Berichte standen in keinem Zusammenhang miteinander. Der Bias in Richtung idealisierten Nutztierhaltung war von Anfang an erkennbar. Es wurden massenweise Klischees bedient, die bei ernsthafter "Investigativer" Recherche erkannt worden wären. Greenwashing und Humane washing vom Feinsten. Hier wurde ein leicht durchschaubarer Versuch unternommen dem Zuschauer weiterhin sein Fleisch schmecken zu lassen. Da hat selbst "Unser Land" kritischere Berichte! Note: 6

Birgit , Mittwoch, 23.November 2022, 17:55 Uhr

17. Nur noch glückliche Kühe? Hab ich was verpasst?

Lieber BR gehts eigentlich noch? Veganer/Vegetarier gegen Biobauern auszuspielen!
Wir saßen kopfschüttelnd und wütend vorm Fernseher.
Das Problem ist doch das Leid der Tiere in der Massentierhaltung über die kein Wort gefallen ist.
Der Bericht ging doch völlig am Thema vorbei!
Nur weil man auf Fleisch verzichten möchte heißt es nicht dass man automatisch nur noch gesunde Lebensmittel isst. Das wäre zwar schön aber schwer möglich. Dafür ist unsere Lebensmittel Industrie einfach zu clever und klar steigen die in den Milliardenmarkt der veganen Lebensmittel ein. Ich bin froh um die Alternative
Sogar beim Soja Thema wurde nicht erwähnt dass nur ein Bruchteil für den menschlichen Verzehr angebaut wird. Und dass dieses Soja meistens aus Europa kommt.
Im Gegensatz zum Soja für Tierfutter.
Unglaublich die Vegetarier dafür verantwortlich zu machen dass die Weidehaltung in den Bayerischen Alpen ausstirbt! Wer hat euch dafür bezahlt?
Bitte nochmal recherchieren und alle Fakten beleuchten!