Verärgerte Kommunen Bundesregierung streicht Förderprogramm für Energiewende
Laut Wärmeplanungsgesetz müssen alle 11.000 deutschen Kommunen dem Bund ein Konzept zur Wärmeplanung vorlegen. Doch im Zuge der Haushaltskürzungen strich das Bundesbauministerium ein Förderprogramm, das Kommunen hierbei unterstützen könnte. Vor allem für viele kleinere Städte und Gemeinden ein herber Schlag.
Steinfurt in Nordrhein-Westfalen. Energieberater Franz Wennemann wirft einen Blick auf den energetischen Zustand der Altstadt. Bisher war seine Beratung kostenlos.
"Dies hier ist sicher saniert, das kann man schon ganz gut erkennen."
Franz Wennemann, Energieberater
Sein Rat ist gefragt. Eine spontane Energieberatung an der Haustüre.
Gespräch
Anwohnerin: "Frank! Wann hat deine Mutter die Fenster da rein machen lassen?"
Franz Wennemann, Energieberater: "90er. Ja, okay. Dann ist aber auch schon Wärmeschutzverglasung drinnen wahrscheinlich. Keine Isolierverglasung. Dann würde man sagen, heute: Da geht man an solch ein Bauteil jetzt nicht ran."
Anwohnerin: "Nee, das Dichteste, was wir haben, sind die Fenster."
Franz Wennemann, Energieberater: "Sind die Fenster, genau ja. Und die andere Sache, haben Sie da zweischaliges Mauerwerk? Ist da Dämmstoff eingebracht worden?"
Anwohnerin: "Nein."
Das 500 Jahre alte Haus energetisch nachhaltig zu sanieren - ohne Expertise kaum machbar.
"Wenn Sie einen Handwerker, x-Beliebigen, ansprechen, dann können Sie sehr sicher sein, dass Sie da auf keinen grünen Zweig kommen, sondern wirklich die Problematik verschärfen."
Franz Wennemann, Energieberater
Bis vor kurzem war sein Service in einigen Kommunen des Landkreises gratis für Bürger. Doch dann ließ die Bundesregierung das Förderprogramm zur energetischen Stadtsanierung auslaufen.
"Da hat man an der falschen Stelle gespart. Man kann sparen, sehe ich durchaus ein und das ist sinnvoll. Man muss nicht ständig Papier produzieren. Aber die Bürger anzusprechen und diesen Service aufzubauen, wenn wir die Wärmewende wollen, den sehen wir als unumgänglich eigentlich."
Franz Wennemann, Energieberater
Kompliziert und teurer für die Bürger
Für ihn hat das unmittelbar keine finanziellen Folgen. Aber für die Bürger wird es komplizierter und teurer. Dabei gibt es Bedarf:
Bis 2028 sollen alle 11.000 Kommunen in Deutschland eine Wärmeplanung vorlegen. Auch dabei war das Förderprogramm "Energetische Stadtsanierung" eine große Hilfe. 2011 vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen initiiert. Dafür konnten Kommunen einen Zuschuss beantragen. Insbesondere um damit eine Vollzeitstelle für Experten zu finanzieren. Im Zuge der Haushaltskürzungen wurde dieses Programm gestrichen.
Für den Städte- und Gemeindebund passt das nicht zusammen: Energetische Maßnahmen einfordern und dann Gelder dafür streichen.
"Beispiel kommunale Wärmeplanung. Beispiel Klimaanpassung. Das sind wichtige Politikziele. Und da kann man dann nicht sagen: Ich übertrage Aufgaben, sorge aber nicht für die entsprechende Finanzausstattung. Das kann man nicht alleine den Kommunen überlassen. Wer die Musik bestellt, der muss sie auch bezahlen."
Bernd Düsterdiek, Deutscher Städte- und Gemeindebund
Wanfried in Hessen. Genau mit diesem Förderprogramm wollte die Stadt einen Sanierungsmanager bezahlen. Aber daraus wird jetzt nichts.
Besonders bitter: Während die Gemeinde die energetische Stadtsanierung vorbereitet, läuft das Programm aus. Für die Umsetzung fehlt dem Wanfrieder Bürgermeister jetzt das Geld.
"Wie geht es denn dann weiter? Wie können wir denn jetzt konkrete Hilfe erwarten? Wie können wir Menschen für uns gewinnen, die dann mit uns in die Häuser gehen und uns ganz konkrete Vorschläge auch machen hinsichtlich der Wärmeplanung?"
Wilhelm Gebhard, Bürgermeister Wanfried
Wie in vielen kleineren Gemeinden versucht eine Bürgerinitiative bei diesen Herausforderungen zu helfen. So weit es geht. Heute besucht Jürgen Rödiger von der Wanfrieder Bürgergruppe eine Baustelle.
"Wir sind eine kleine Gruppe von zehn, zwölf Leuten, die auch nicht immer alle greifbar sind. Und es kommen dann auch solche Fragen, die wir gar nicht so beantworten können, weil wir nicht unbedingt da auf dem Fach so gut aufgestellt sind."
Jürgen Rödiger, Bürgergruppe für den Erhalt Wanfrieder Häuser
Sobald es komplizierter wird, müssen sie passen. Sie bräuchten einen Profi, der die energetische Stadtsanierung zentral bei der Kommune steuert.
"Ja, es ist natürlich immer schlimm, wenn ein Programm, was gut gelaufen ist, so hopplahopp gestrichen wird. Wenn's Folgeprogramme gibt, ist es wieder okay. Aber wenn es dann komplett gestrichen ist, das ist natürlich bitter."
Jürgen Rödiger, Bürgergruppe für den Erhalt Wanfrieder Häuser
Sanierung ohne Spezialisten?
Natürlich könnten Bürger auch privat einen Energieberater beauftragen - doch das ist mitunter teuer und die Suche ist nicht immer einfach. Landwirt Stephan Hoffmann versuchte es ohne Spezialisten. Er wollte seinen Hof ans Wanfrieder Fernwärmenetz anschließen. Aber ohne Expertenrat ging das Vorhaben schief:
"Jetzt ist halt hier so ein bisschen angefangen, aber ich denk halt mal aufgrund von ja fehlender Beratung, hat das nicht funktioniert."
Stephan Hoffmann, Landwirt
Heißt das, mit passender Beratung hätte er das gar nicht erst gemacht?
"Entweder gar nicht gemacht oder wir hätten vielleicht einen Weg gefunden, dass es passt."
Stephan Hoffmann, Landwirt
Für viele Bürger und Kommunen ist die Wärmewende eine Riesenherausforderung. Passau vor wenigen Tagen: Bauministerkonferenz. Wir fragen nach beim Vertreter der Bundesregierung:
"Wieso wurde genau an dieser Stelle gespart? Und was sagen Sie den enttäuschten Kommunen und wie haben Sie vor, die zuständig äh in der Zukunft in diesem Bereich zu unterstützen?"
report München
"Faktisch müsste der Bund gar nichts finanzieren., weil das Aufgabe der Länder ist in der föderalen Struktur."
Bauchbinde: Rolf Bösinger, SPD, Staatssekretär Bundesbauministerium
Der Bund? Gar nicht zuständig? Seine Antwort kommt nicht gut an.
"Sie haben als Bundesregierung die Kommunen verpflichtet eine Wärmeplanung auf den Weg zu bringen. Und das ist dann nicht die Aufgabe der Länder das zu finanzieren, wenn Sie das beschließen."
Ina Scharrenbach, CDU, Bauministerin Nordrhein-Westfalen
Der Bund müsse das Förderprogramm neu auflegen, sagt der Bürgermeister von Wanfried.
"Wir haben keine andere Alternative aktuell. Wir selber haben das Geld dafür nicht. Definitiv nicht."
Wilhelm Gebhard, Bürgermeister Wanfried
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