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Antonín Dvořák Melodien zwischen Heimat und "Neuer Welt"

Eigentlich sollte Antonín Dvořák wie sein Vater Metzger werden und so beginnt er mit 13 Jahren eine Lehre! Später wird der Fleischersohn aus Böhmen als Komponist eine Nationalmusik für die Amerikaner schreiben. Aber bis dahin ist es ein weiter Weg.

Von: Sylvia Schreiber

Stand: 27.08.2017 | Archiv

Er fiedelt als Kind nicht wie der Teufel. Er komponiert auch keine komplizierten Klavierstücke und er gibt kein einziges Konzert. Antonín Dvořák ist ein ganz gewöhnlicher Junge, der am Ufer des Flüsschens Moldau spielt, Staudämme baut, Frösche in einen Tonkrug steckt und dem Vater geschickt im Gasthaus hilft. Darum soll Antonin auch wie sein Vater Metzger werden und er beginnt mit 13 Jahren eine Lehre! So wird Antonín später garantiert als einziger Komponist in die Musikgeschichte eingehen, der ein gelernter Fleischer war! Und doch lernt er im Städtchen Zlonice nicht nur Messer wetzen und Leberwurst brühen, sondern auch bei seinem Deutschlehrer Orgel spielen. Er lernt Klavier, Bratsche, Noten lesen, Musiktheorie und - er hört die Musik von Beethoven. Je mehr er aus dieser neuen, melodienreichen Welt kennen lernt, desto mehr dämmert es dem Metzgergesellen Dvořák: Die Musik hat es ihm weitaus mehr angetan als Schweinegrunzen! 

Der lange Weg zur Musik ...

Jetzt gilt es nur noch den Vater von seinen neuen Plänen zu überzeugen. Und der erlaubt ihm immerhin Organist zu werden. Auf dem Leiterwagen eines Bauern reist der glückliche Antonin Dvořák in die riesige Stadt Prag, wo er eine Organistenschule besuchen wird. Arm wie eine Kirchenmaus lebt er hier. Als Organist verdient er so gut wie nichts, als Bratschist spielt er Abend für Abend in Wirtshäusern, was gerade Mal für Brot und Zimmermiete reicht. Und doch ist Dvořák nicht traurig darüber. Er lernt jede Menge mitreißender Melodien kennen und er versucht eigene Stücke zu komponieren. Sehr zum Ärger der Nachbarn übrigens, denn besonders viele Ideen hat Dvořák in aller Herrgottsfrühe. Und die spielt er dann sogleich auf dem Klavier, während die anderen Hausbewohner eigentlich noch schlafen wollen. Dvořák muss deshalb ziemlich oft umziehen ...

Aller Anfang ist schwer

Lebensdaten

Antonìn Dvořák wird am 8. September 1841 in Nelahozeves (im heutigen Tschechien) geboren. Er stirbt am 1. Mai 1904 in Prag.

Viele seiner ersten eigenen Musikstücke benutzt Dvořák nur als Papier zum Feuermachen. Und so dauert es recht lange, bis überhaupt jemand erfährt, dass da klammheimlich ein neuer tschechischer Komponist heranreift. Dafür erstrahlt dann sein erster Erfolg umso prächtiger. 300 Stimmen singen in einer Hymne von ihm mit. Nach und nach traut sich Dvořák nun alte Stücke aus seinen Schubladen herauszukramen, denn er hat natürlich nicht alles verfeuert! Und, siehe da, man umjubelt ihn! Der Metzger aus dem Örtchen Nelahozeves wird langsam bekannt, zunächst nur in Prag. Aber das soll sich bald ändern ...

Nicht verändert hat sich zunächst seine schlechte finanzielle Situation. Inzwischen ist Dvořák Familienvater geworden und nimmt jede Gelegenheit wahr, mit seiner Bratsche wenigstens ein paar Gulden zu verdienen.

Erste Erfolge

Zum Glück lernt Dvořák den berühmten Komponisten Johannes Brahms kennen und der hilft ihm. Ganz allmählich kann die Familie von den Stücken, die Dvořák verkaufen kann, auch leben. Von einer Sammlung an gepfefferten slawischen Tänzen zum Beispiel. Familie Dvořák zieht um, vom schmuddeligen Hinterhof in eine helle, große Wohnung. Von hier aus startet Dvořák jeden Morgen seinen Spaziergang, erst in den Park, zum Vogelstimmen lauschen und dann zum Bahnhof, wo er die Lokomotiven studiert und bald schon alle Lokführer mit Namen kennt. Richtig zufrieden ist er mit sich und der Welt. Werk auf Werk sprudelt aus ihm heraus. Die "Tschechische Suite", liebenswürdig und explosiv wie mindestens eine Tonne Sprengstoff! Nur mit den Opernversuchen will es nicht so recht klappen. Dafür breitet sich sein Ruhm bis nach England aus. Dvořák reist sogar für Konzerte dorthin. Wie verrückt die Menschen dort nach seiner Musik sind! Man nennt ihn den "Löwen der Musiksaison"! 

Nach England und in die "Neue Welt"

Mit dem in England verdienten Geld kauft er sich einen Schafstall auf dem Land und wandelt ihn in ein Landhaus um. Villa Rusalka nennt er seinen neuen Familienwohnsitz. Dvořák gärtnert, komponiert natürlich und züchtet Tauben.

Nicht nur in England reißt man sich um Dvořák und seine packende Musik. Auch aus Amerika trudelt plötzlich eine Einladung ein! Das hat es bisher noch nie gegeben, ein Tscheche, der nach Amerika eingeladen wird ... Für ein beachtliches Sümmchen Dollar soll Dvorák Unterricht am Konservatorium erteilen und dazu noch Konzerte geben. Familie Dvořák nimmt das tolle Angebot an und kommt bald schon mit dem Dampfer in New York an.
Seine Angewohnheit des Morgenspaziergangs um Punkt 6 Uhr behält Dvořák auch hier in der Fremde bei. Am Hafen kennt er jedes Schiff und im Central Park jeden Baum. Und er lernt fremde Melodien kennen, ganz besonders interessiert ihn die Musik der Schwarzen. Und die Musik der Indianer, die er in der Stadt Spillville trifft. Viele dieser fremden Melodien verarbeitet er in seinen eigenen Stücken: In der Sinfonie Nummer 9 mit dem Titel "Aus der neuen Welt". Diese Sinfonie, in die Indianerrhythmen hineingebastelt sind, in der Melodien der Schwarzen auftauchen, macht ihn auch in New York zu einem Star. Ja, man verkauft sogar Dvořák-Souvenirs, also Krawatten, Kragen und Stöcke mit seinem Namen darauf! 

Heimweh nach Böhmen

Aber bei aller Ehre, die er erfährt, bei allen Spirtitualmelodien und exotischen indianischen Straßenmusikanten, denen er begeistert lauscht, das Heimweh nagt wieder kräftig an ihm. Dringend muss er über die Sommerferien nach Böhmen.

Trotzdem kehrt er noch einmal nach Amerika zurück und komponiert - das "amerikanische Quartett" und sein Cellokonzert, das er schreibt, nachdem er die Niagara-Fälle besichtigt hat. Zweieinhalb Jahre war er insgesamt in Amerika. Jetzt reicht ihm das Weltengebummel aber endgültig. Er möchte zuhause sein - und faul sein! Ja, und auch ein wenig komponieren. Vor allem Lieder entstehen nun und in den letzten Jahren seines Lebens auch seine berühmteste Oper. Endlich gelingt ihm auch da ein geniales Stück. "Rusalka" heißt diese Oper.

Doch allmählich lassen die Kräfte des tschechischen Musikanten nach. Dabei ist er sein ganzes Leben lang nie krank gewesen. Nun muss er sich zum ersten Mal ins Bett legen. Und er wird nie mehr aufstehen können. Zehntausende Menschen stehen an den Straßen und nehmen von ihm Abschied, als er auf dem Vyshrad begraben wird.

 


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