695

Bedrich Smetana Musikalische Heimatliebe

Ein klingender Fluss von der Quelle bis zur Mündung: Bedrich Smetanas berühmteste Komposition ist die Tondichtung "Die Moldau". Die Musik beschreibt, wie aus den zwei sprudelnden Quellen ein kleiner Bach wird und später der breite Fluss, der majestätisch an der Burg Vysehrad in Prag vorbeifließt, bevor er zuletzt in die Elbe mündet. Das Leben des Komponisten war alles andere als ein langsamer, ruhiger Fluss ...

Von: Sylvia Schreiber

Stand: 03.03.2024 | Archiv

Bedrich Smetana: Der harte Weg zum Erfolg

Es ist 10 Uhr morgens und das Wetter ist eher frisch: Doch darum schert sich der Brauereipächter Franz Smetana kein bisschen. Er rollt ein Bierfass auf den Platz in Leitomischl, Tische werden aufgestellt, auch eine Musikkapelle hat sich in Windeseile eingefunden. Franz Smetana vollführt Freudentänze. Es gibt Freibier für alle! Jedermann aus der kleinen ostböhmischen Stadt soll an diesem Tag sein Gast sein und mit ihm trinken! Nach sieben Töchtern ist ihm heute endlich der lang ersehnte Sohn geboren worden: Friedrich soll er heißen! Auf Tschechisch: Bedřich.

Eine unbeschwerte Kindheit

Lebensdaten

Friedrich bzw. auf Tschechisch Bedřich Smetana wurde am 2. März 1824 in Litomyšl in Böhmen - das ist heute Tschechien - geboren und starb am 12. Mai 1884 in Prag.

Der kleine Smetana ist ein Wunderkind. Allerdings nur, was die Musik angeht. Alle übrigen Schulfächer interessieren ihn nicht wirklich. Und doch genießt er eine unbeschwerte Kindheit mit herzensguten Eltern, in Wohlstand und mit viel Musik. Denn der Vater ist ein ausgezeichneter Geiger und trifft sich fast täglich mit Freunden zum Musizieren. Dass der Sohn Musiker werden möchte und nicht Brauereipächter, wie Vater Franz, stößt darum auch nicht auf Widerstand. Mit lächerlichen 20 Gulden in der Tasche und vielen Träumen zieht Bedrich in die große Stadt Prag: Hier will er Konzerte hören, Klavierstunden geben, komponieren und Abendspaziergänge an der Moldau machen - am liebsten mit seinem Schätzchen, der wilden Kathi!

Aber ganz so glatt läuft es leider nicht. Vom Klavierspielen und Unterrichten kann Smetana nicht leben. Oft muss er hungrig ins Bett. Für Konzerte hat er erst recht kein Geld. Melodien fallen ihm vor lauter Magenknurren nicht ein – und die wilde Kathi, die behandelt den armen Schlucker wie Luft.

Sauer verdientes Geld ...

Eines Abends klopft es an der Türe und ein vornehm gekleideter Bote des Grafen Thun-Hohenstein fragt: "Wollen Sie bei uns Hauslehrer werden? Fünf Kinder müssten Sie am Klavier unterrichten, vier davon leider total unmusikalisch!" Smetana jubelt und verwendet ein Teil des sauer verdienten Geldes dafür, selbst Klavier-und Kompositionsstunden zu nehmen, um perfekt zu werden. Plötzlich purzeln die Melodien vom Himmel direkt in seinen Kopf und auch Kathi schenkt ihm endlich Aufmerksamkeit: Die beiden geben sogar gemeinsam ein Konzert und spielen vierhändig am Klavier.

Da hat Smetana einen neuen Traum: er will eine moderne Klavierschule gründen, gemeinsam mit der liebenswerten Kathi, die er übrigens inzwischen geheiratet hat. Smetana erbettelt sich das Geld für eine solche Schule und tatsächlich, das Geschäft brummt. Aber irgendwie hat Smetana schon wieder Lust auf Neues und träumt vom Erfolg als Komponist. Leider kräht in Prag kein Hahn nach seinen Stücken - und wenn mal eines aufgeführt wird, dann ist der Lohn so gering, dass man von dem Geld nicht einmal ein Kleidchen für eine seiner kleinen Töchter kaufen kann.

Erste Erfolge – in Schweden und der böhmischen Heimat

Ein Brief ist es dieses Mal, der sein Leben verändert. Smetana erhält eine Einladung nach Göteborg in Schweden. Als Pianist soll er das fade Musikleben aufmischen, vornehmen Damen soll er Klavierunterricht geben. Also verlässt er das muffige Prag. Smetana ist fleißig im frischen Schweden.

Richtig wohlhabend kehrt er heim nach Böhmen. Doch da gibt's nach wie vor keine fetten Happen für Smetana, ja, man erinnert sich nicht einmal an ihn. Dabei hat Smetana doch schon wieder einen Traum: Er will Kapellmeister am Nationaltheater werden. Für einen Wettbewerb schreibt er die Oper: "Die Brandenburger in Böhmen". Zum ersten Mal jubelt man ihm in Prag zu. Smetana erhält den ersten Preis beim Wettbewerb und darf auch gleich noch seine zweite Oper aus der Schublade hervorkramen: "Die verkaufte Braut"! – eine lustige Liebesgeschichte - auf Tschechisch erzählt. Leider langweilen sich die Prager in dieser Oper. Schon bei der zweiten Vorstellung ist das Theater fast leer. Smetana muss aus eigener Tasche drauf zahlen! Heute ist "Die verkaufte Braut" die berühmteste tschechische Oper überhaupt und wird an allen Opernhäusern der Welt gespielt. Damals kam der Erfolg nur sehr zäh - der Bierchor war den feinen Prager Pinkeln zu bauernmäßig und der Springtanz zu albern.

Einen Erfolg bringt ihm die erfolglose Oper trotzdem: Smetana wird endlich Kapellmeister am Theater. Und verdient regelmäßig Geld, das er auch dringend benötigt, um seine vielen Kinder durchzufüttern. Wie am Schnürchen läuft es nun mit den Opernkompositionen: Es entstehen "Dalibor", "Libusa" und "Zwei Witwen". Wenn da nicht ein paar neidische Prager wären, die ihm das Leben als Kapellmeister mit boshaften Zeitungsartikeln schwer machen, könnte Smetana ein zufriedenes Leben führen. Aber seine Feinde wollen ihm den Kapellmeister-Posten wegnehmen. 

Ein musikalisches Denkmal für sein Vaterland!

Trotz des Ärgers gehen Smetana die Ideen nicht aus. Der neue Traum heißt: Er will ein Stück über die böhmische Heimat schreiben, über die Geschichte, die Natur, die Bräuche ... Aus sechs Teilen soll dieser Zyklus "Mein Vaterland" bestehen. Und einer davon heißt: "Die Moldau"! Was für ein feines Gluckern an der Quelle ... Und wie stolz strömt der Fluss Moldau in die goldene Stadt Prag! Doch Bedrich Smetana ist taub, als dieses Stück zum ersten Mal im Konzert gespielt wird! 

Heute erinnert am Ufer der Moldau mit Blick auf Prag eine Statue an den berühmten Komponisten und sein berühmtestes Werk.

Mit der "Moldau" beginnen die letzten neun Jahre seines Lebens, es sind bittere Jahre: Smetana umgibt nur Rauschen, er kann keine Musik mehr hören, nicht die Stimmen seiner Kinder, das Zwitschern der Vögel, das Gluckern der Moldau. Kein Ohrenspezialist kann Smetana helfen. Er kann nicht mehr dirigieren, Klavier spielen, nicht mehr ins Kaffeehaus gehen, keine Salons mehr besuchen – kein Geld mehr verdienen. Finanzielles Elend erwartet den Komponisten und seine Familie. Für ein paar magere Gulden schreibt Smetana dennoch einige seiner schönsten Stücke: seine böhmischen Tänze für Klavier oder auch die fehlenden Teile zum Vaterland-Zyklus. Und ein Streichquartett, in dem er die traurige Geschichte über den Verlust seines Gehörs in Tönen erzählt ...

Als Smetana dann auch noch sein Gedächtnis verliert, verfällt er einem unheilbaren Wahnsinn. Mit 60 Jahren stirbt er, einsam, abgemagert und mit getrübtem Bewusstsein. Tausende von Menschen begleiten den Sarg quer durch Prag bis zum Friedhof auf dem Berg Wyschehrad (Vyšehrad).


695