Parteitag der CSU Im Zeichen der Nachfolgedebatte
Getrennte Wege vereinen am Ende womöglich doch. Denn auch wenn die CSU in diesem Jahr ohne den Besuch von Kanzlerin Merkel beim Parteitag auskommen muss, haben beide Schwesterparteien insgeheim das gleiche Ziel: den Wahlsieg 2017. Doch wer geht dann nach Berlin und führt die CSU?
Von: Nikolaus Neumaier
Stand: 04.11.2016
| Archiv
Die Kanzlerin kommt nicht, die CSU bespricht das bereits bekannte Grundsatzprogramm und gibt das Ergebnis des Mitgliederentscheides zur Einführung von bundesweiten Volksentscheiden bekannt. Eigentlich verspricht der Parteitag wenig Überraschungen. Tatsächlich dürfte es um die Vorbereitung wichtiger Weichenstellungen gehen. Die stehen zwar nicht auf der Tagesordnung, beschäftigen aber seit Monaten die CSU. Es geht vor allem um die Fragen: Wer wird der Nachfolger von Horst Seehofer als Ministerpräsident und Parteichef und wie finden CSU und CDU in der Flüchtlingspolitik einen tragfähigen Kompromiss?
CSU bleibt erstmal unter sich
Zunächst aber bleibt die CSU unter sich. Angela Merkel kommt nicht wie sonst üblich zur Schwesterpartei und, auch Horst Seehofer spart sich in diesem Jahr den Gegenbesuch. Es ist wie unter Verwandten. Weil sich Horst beim letzten Treffen ziemlich uncharmant aufgeführt hat, will Angela das Treiben in München diesmal nur von sicherer Entfernung aus beobachten. Tatsächlich ist das kein Beinbruch. Weil immer noch weite Teile der CSU und damit auch viele Delegierte nicht gut auf Angela Merkel zu sprechen sind, war es nur vernünftig, auf das Ritual des Verwandtenbesuchs zu verzichten. Horst und Angela, CSU und CDU, werden aber wieder zueinander finden.
Getrennt nach außen - vereint im Inneren
Bild: picture-alliance/dpa
Schon allein deswegen, weil sie sich ein weiteres Auseinanderdriften politisch gar nicht leisten können. Die Union, das betont Seehofer schon seit Wochen, hat nur eine Chance bei den kommenden Wahlen zu bestehen, wenn sie geschlossen auftritt. Außerdem gibt es ja schon einen Fahrplan zur Versöhnung. Im Januar oder Februar, nach den Winterklausuren, will man wieder gut miteinander auskommen, und eigentlich hat der brüllende bayerische CSU-Löwe schon jetzt wieder in den Schnurr-Modus geschaltet. Beim Parteitag werden von Horst Seehofer sicher keine bösen Worte gegen Angela Merkel zu hören sein.
Streit um Obergrenze
CSU und CDU werden auch im Streit um die Obergrenze bei der Zuwanderung einen Weg zueinander finden. Vielleicht heißt das Ganze dann nicht mehr so. Möglicherweise redet man nur von Orientierungsgröße oder Begrenzungsmarke. Beim Streit darüber ging es ohnehin in erster Linie um das Signal an eine verunsicherte Bevölkerung, dass man alles tun werde, um eine erneute Massenzuwanderung wie 2015 zu verhindern. Eine Obergrenze im Asylrecht wäre nie möglich gewesen. Hier gibt es klare rechtliche Grenzen, die auch die CSU nicht antasten kann und will. So dreht sich die Auseinandersetzung im Kern um eine Richtgröße für die Zuwanderung von Menschen, die sich nicht auf das Asylrecht berufen können. Da wird man also eine Lösung finden. Bei mehreren – wohl als therapeutische Maßnahme gedachten – Deutschlandkongressen, haben CSU und CDU dafür bereits die Basis erarbeitet. Zuletzt diese Woche in Bonn.
Seehofers Kampf gegen Rot-Rot-Grün
Es geht um die bevorstehenden Wahlen, und hier malt die CSU gerade das Schreckgespenst einer rot-rot-grünen Linksregierung an die Wand. Abwegig ist das nicht. Schon jetzt könnten SPD, Linke und Grüne rein rechnerisch die Regierung stellen. Der CSU kommt das strategisch gerade Recht, auch weil sie – wie übrigens auch die SPD – eine erneute große Koalition unter allen Umständen vermeiden will. So warnt also die CSU in einem Leitantrag vor einer Linksfront. Da scheint die alte Rote-Socken-Kampagne durch. "Wählt nicht SPD und Grüne, denn sie paktieren nur mit den Altkommunisten aus der DDR!" Ob das verfängt, ist fraglich. Doch was hier rhetorisch zum Kampf gegen eine drohende linke Republik erklärt wird, ist in Wahrheit ein Kampf gegen österreichische Verhältnisse. Schließlich wissen alle Parteien, dass sie mit einer erneuten großen Koalition nur die Ränder, und das heißt auch die AfD, stärken. Das wollen Seehofer, Merkel und auch Gabriel nicht.
Die nächste Herausforderung heißt nun "Bundespräsidentenwahl". Sie ist der Test, wie stark und einig die Unionsparteien wirklich sind. Bislang haben sich alle Protagonisten, auch Kanzlerin Merkel, eher ungeschickt verhalten. Am kommenden Sonntag kommen in Berlin die Chefs der großen Koalition zusammen, um auszuloten, ob es doch einen gemeinsamen Kandidaten gibt oder ob Union und SPD mit eigenen Persönlichkeiten antreten.
Dauerthema: Machtkampf Seehofer versus Söder
Ein stetiges Thema ist der Machtkampf zwischen Seehofer und seinem Finanzminister Markus Söder. Seit Chef Seehofer persönlich seine strategischen Überlegungen zum CSU-Führungspersonal öffentlich kundgetan hat, blühen Spekulationen und Variationen. Gerade erst wurde Innenminister Joachim Herrmann von einer Zeitung zu Seehofers augenblicklichem Lieblingskronprinzen ausgerufen. Entschieden ist natürlich nichts. Doch Seehofer hat eine Dynamik entfacht, indem er angeboten hat, den Parteivorsitz an den abzugeben, der bereit wäre, die CSU in die Bundestagswahl zu führen.
Nun redet die ganze CSU darüber, wer demnächst die Koffer packen muss. Markus Söder hat das für sich kategorisch ausgeschlossen; und damit hat sich der fränkische Taktiker selbst in eine Sackgasse manövriert. Wenn jemand sagt, dass er nicht zur Verfügung steht, obwohl die Partei ihn vielleicht ganz, ganz dringend in Berlin bräuchte, muss er schon gute Argumente haben, um da wieder rauszukommen. Seehofer jedenfalls hat mit seinen Gedankenspielen dafür gesorgt, dass den Parteitagsdelegierten der Gesprächsstoff nicht ausgeht.
Von wegen langweilig - CSU auch politisch unter Handlungsdruck
Bild: picture-alliance/dpa
Ganz nüchtern betrachtet wird es aber ein eher ruhiger Parteitag. Mit drei Seehofer-Reden - einer muss ja statt Merkel sprechen, der Bayernhymne und einer nicht so ganz erfreulichen Umfrage. Nach den Zahlen, die ein privater Fernsehsender erfragen lies, würden derzeit sechs Parteien in den bayerischen Landtag einziehen. Die CSU käme nur noch auf 44 Prozent und müsste sich wohl einen Koalitionspartner suchen. Auch das dürfte genügend Stoff und für ausgiebige Spekulationen über das CSU Spitzenpersonal und die richtige Strategie liefern.